POLITISCHE KOMMUNIKATION AM INTERNET
Politmarketing im Zeitalter der Information

Ein AUSZUG aus der Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades eines Magister der Geisteswissenschaften eingereicht bei Herrn o. Univ. - Prof. Dr. Fritz Plasser
Institut für Politikwissenschaft der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck von Mag.rer.soc.oec. Christian Gürtler

  1. Inhaltsverzeichnis


I. Politische Kommunikation am Internet - Einführung

II. Das Internet definiert

III. Vom Marketing zur politischen Kommunikation

IV. Theorie der politischen Kommunikation am Internet

V. Praxis der politischen Kommunikation am Internet

VI. Zusammenfassung und Ausblick

I Politische Kommunikation am Internet - Einführung

I.1 Problemstellung

Es gibt keinen Zweifel mehr darüber, daß das rasante Wachstum der Informations- und Kommunikationstechnologie tiefe Spuren im tagtäglichen Leben westlicher Staaten hinterläßt. Wir sind Zeugen der dritten industriellen Revolution, deren endgültige Auswirkungen bisher nicht einmal noch erahnt werden können. Sicher ist jedoch, daß die veränderten technologischen Rahmenbedingungen in allen Bereichen moderner Gesellschaften bereits zu tiefgreifenden Veränderungen führen und noch führen werden, die wohl von kaum jemanden weiter ignoriert werden können.

Die Detailprobleme der einzelnen Gebiete mögen höchst unterschiedlich sein. So sind im Sektor der Wirtschaft Unternehmen zunehmend mit einer Globalisierung der Märkte konfrontiert, die Hand in Hand mit wachsender weltweiter Konkurrenz geht. Dies führt nicht nur einfach zu massiven Kapital(ab)wanderungen und damit zu einer Änderung in den Faktorbedingungen, sondern auch zu tiefgehenden Einschnitten in die komperative Wettbewerbsstruktur hinsichtlich der Konkurrenz, verwandten und unterstützenden Branchen und der Inlandsnachfrage, sowie damit einhergehend auch zu Verschiebungen in der für den wirtschaftlichen Erfolg maßgeblichen Verteilung von länderspezifischen Produktionsvorteilen.

Daraus resultieren jedoch auch direkte Implikationen für die Wirtschaftspolitik einzelner Staaten, die zum einen zur oft zitierten Standortdiskussion führen, der relative wirtschaftliche Vorteil ganzer Länder schwindet, zum anderen jedoch auch die Hilflosigkeit traditioneller Politik vor Augen führt, wenn es darum geht, internationale Probleme zu lösen. In einer interdependenten Welt ist es unmöglich, durch isolierte Maßnahmen zu befriedigenden Lösungen zu kommen. Das Problem des Gefangenendilemmas und des daraus resultierenden Trittbrettfahrerverhaltens mancher Staaten bedarf ebenso der internationalen Kooperation wie die Internalisierung von externen Effekten, die zum Beispiel bei grenzübergreifender Umweltverschmutzung oder bei der Problematik des Transitverkehrs beobachtbar sind.

Auch die Wissenschaft steht vor neuen Herausforderungen. Zum einen nimmt die Komplexität der behandelten Materie immer weiter zu und es bedarf auch hier vermehrter internationaler Kooperation, um zu befriedigenden Lösungen zu kommen. Zum anderen werden die behandelten Probleme selbst immer internationaler und ähnlicher, wodurch Zusammenarbeit nicht nur Notwendigkeit, sondern aus Gründen der Effizienz zur Pflicht wird. Niemand kann und will es sich mehr leisten, jahrelang Ressourcen aller Art in Projekte zu stecken, um dann zu entdecken, daß an einem anderen Ort bereits Lösungen gefunden worden sind.

Zu diesen allgemeinen Tendenzen läßt sich aber auch eine weitere parallele Entwicklung beobachten. Wissenschaft besteht nicht nur mehr darin, Wissen zu schaffen, sondern es wird mehr und mehr zur dringenden Aufgabe bereits vorhandene Erkenntnisse zu filtern und zu nützen. Mit anderen Worten, eine Problemverlagerung von zu wenig vorhandenen Wissen und daraus begründeter Forschung in Richtung Bewältigung einer Flut von Informationen ist unbestreitbar. War es früher der eher beschränkte Bestand der eigenen Bibliothek, der als Grundlage jeder Arbeit dienen konnte, so stehen dem Wissenschafter von heute auf Knopfdruck Informationen und damit Wissen aus der ganzen Welt zur Verfügung, das nun jedoch erst auf seine Relevanz und Richtigkeit geprüft werden muß.

Doch selbst Bereiche wie die Kultur erfahren eine tiefgehende Veränderung. War sie früher eher lokaler Art, um eine Theatervorstellung oder ein Konzert zu erleben, mußte man schon persönlich gegenwärtig sein, so kann man heute, mit Abstrichen, schon von einer „Weltkultur" sprechen, die, vor allem durch Radio, Film und Fernsehen bedingt, durch zeit- und ortsunabhängigen Kulturgenuß von höchster Qualität gekennzeichnet ist.

Wer sollte sich denn noch in ein örtliches Theater begeben, um ein mittelmäßig inszeniertes Stück mit mittelmäßigen Darstellern zu sehen, wenn es möglich ist, sich die besten Schauspieler auf den besten Bühnen oder in den besten Filmen direkt ins Wohnzimmer zu holen?

Was aber haben alle diese so unterschiedlich scheinenden Entwicklungen in den verschiedensten Bereichen gemeinsam? Es ist ihre unmittelbare Abhängigkeit zum Fortschritt der Informations- und Kommunikationstechnologie. Es ist weiters offensichtlich, daß diese Veränderungen zwar einerseits helfen, Lösungen zu vorhandenen Problemen zu finden, aber andererseits auch selbst neue Schwierigkeiten schaffen.

Neue Technologien machen die Welt zum globalen Dorf, verursachen damit jedoch auch einen verstärkten Zwang zur Anpassung an die neuen Gegebenheiten in einer zunehmend interdependenten Welt, von der kaum ein Bereich verschont bleibt. Es ist daher nicht anzunehmen, daß gerade die Politikwissenschaft von diesen Entwicklungen ausgeklammert bleiben sollte. Eine Befassung mit den Auswirkungen von Internet, Infobahn, etc. ist daher unausweichlich.

Weiters sind die eben geschilderten Probleme der einzelnen Bereiche unserer Gesellschaft durchaus interdisziplinär zu sehen. Zum einen existieren nicht unerhebliche Interdependenzen, auf die Wechselwirkungen zwischen Politik und Wirtschaft wurde ja schon kurz eingegangen, zum anderen lassen sich viele Probleme auf gleiche Ursachen zurückzuführen, die je nach Umfeld verschiedene Symptome zeigen. So ist der zum Beispiel durch einen Fernsehfilm verhinderte Theatergeher durchaus vergleichbar mit jemanden, der es vorzieht, sich eine Diskussion von Spitzenkandidaten im nationalen TV anzusehen, als daß er zu lokalen Gesprächsrunden mit Provinzpolitikern oder zu anderen Parteiveranstaltungen gehen würde.

Ein weiteres Phänomen unserer Zeit ist der zunehmende ökonomische Einfluß auf andere Bereiche der Gesellschaft. Zwar scheint der „homo oeconomicus" nur ein Fabelwesen zu sein, doch das Vordringen wirtschaftlichen Gedankenguts insbesondere in die Politik ist augenscheinlich. Dieser ökonomische Imperialismus mag positiv oder negativ gesehen werden, er ist jedoch Tatsache und verdient daher Beachtung.

Die Politik, oder besser die Parteien und Politiker bedienen sich immer mehr des Instrumentariums moderner und erfolgreicher Unternehmen, um gegen die immer härter werdende Konkurrenz gewappnet zu sein. Den langgedienten Parteiorganisationen wird versucht, durch effektives Parteimanagement neues Leben einzuhauchen. Kandidaten werden nicht mehr nach langem Dienen aus dem eigenen Kader rekrutiert, sondern mittels sorgfältiger Selektion hinsichtlich der Anforderungen des politischen Konkurrenzmarktes gesucht, gefunden und anschließend entsprechend aufgebaut und trainiert.

Dreh- und Angelpunkt dabei ist das Gedankengut des Marketings, oder wie es meist überspitzt formuliert wird: Was Hundefutter verkauft, kann auch der Politikerkarriere nicht abträglich sein, wobei ausdrücklich darauf hinzuweisen wäre, daß ein wahrer und wirklicher Vollzug des Marketinggedankens es niemals zulassen würde, Eskimos Kühlschränke zu verkaufen, so wie es in der Politik manchmal der Fall zu sein scheint.

Dies sollte nur ein Hinweis darauf sein, daß sich gegenwärtig politisches Marketing beinahe ausschließlich mit der Kommunikationspolitik politischer Organisationen oder Parteien beschäftigt. Andere Bereiche des Marketingmixes werden bislang noch vernachlässigt, was wahrscheinlich auf deren schwierige Übertragung und Adaption von der Welt der Unternehmen in die Welt der Politik zurückzuführen ist. Eben aus diesem Grunde ist es auch einleuchtend, sich näher mit politischer Kommunikation zu beschäftigen.

Ziel dieser Arbeit soll es nun sein, nach einer Einführung und Vorstellung der Bereiche rund um das neue Kommunikationsmedium Internet und das Feld der politischen Kommunikation, diese zu vereinen, und Möglichkeiten, Chancen, Tendenzen, etc. politischer Kommunikation am Internet aufzuzeigen und in die Problematik einer zukünftigen möglichen elektronischen Demokratie einzuführen.

Ferner soll geklärt werden, inwieweit die Möglichkeiten des Internets in der Praxis der politischen Kommunikation bereits genutzt werden. Zu diesem Zweck soll das Informationsangebot in den Vereinigten Staaten, dem Mutterland der Infobahn, als auch in Europa (Österreich, Deutschland, etc.) geprüft werden, um der Problemstellung von politischer Kommunikationspolitik am Internet in theoretischer als auch empirischer Weise gerecht zu werden.

II. Das Internet definiert

Es ist wohl unbestritten, daß das Internet zu den meistdiskutierten Innovationen der letzten Zeit gehört. Doch noch immer gibt es, vor allem außerhalb des nordamerikanischen Kontinents, breite Bevölkerungsgruppen, die sich kaum etwas unter diesem Terminus technicus vorstellen können. So ist es auch in dieser Arbeit nötig, das Internet zu definieren, um dann im weiteren Verlauf auf eindeutige Begriffe zurückgreifen zu können.

Es ist unmöglich, über politische Kommunikation am Internet zu sprechen, ohne eine genaue Vorstellung darüber zu haben, was genau man sowohl unter „politische Kommunikation", als auch „Internet" versteht.

Doch schon ist man auf ein erstes Problemfeld im Umgang mit der Materie gestoßen. Stellt man 100 Leuten die Frage nach einer Definition des Internets, so bekommt man wahrscheinlich nicht nur 101 verschiedene Antworten, sondern jede einzelne von ihnen wird auch, zumindest zum Teil, ihre Richtigkeit haben. Das Netz besteht aus unterschiedlichsten Facetten, die je nach Betrachtungswinkel und Standpunkt auch verschiedene Erkenntnisse liefern.

Im folgenden soll daher auf das Umfeld der Arbeit Rücksicht genommen werden. Es werden also technische Details ausgespart bleiben, um den Fokus darauf zu legen, einen Eindruck darüber zu vermitteln, was das Internet ist und was es vor allem in Hinsicht eines neuen Kommunikationsmediums leistet (leisten kann). Für eine Einführung oder Detailfragen wie z.B. Adressierung wird an dieser Stelle an andere mittlerweile genügend vorhandene Ressourcen verwiesen.

II.1. Technische Basisdefinition von „Internet"

Als einfachster Ausgangspunkt zur Annäherung an eine Definition ist jedoch zuerst eine rein technische Sichtweise von Vorteil. So findet man zum Beispiel bei Maier: „Als Internet wird die Verbindung all jener Computer bezeichnet, die über das Protokoll TCP/IP miteinander kommunizieren."

Dies kommt dem schon sehr nahe, was allgemein unter „Internet" in der (technischen) Fachwelt verstanden wird. Eine umfassende und sehr häufig benutze Definition reduziert das Ganze sogar noch mehr und bezeichnet das Internet als Metanetzwerk, also als Netz von Netzwerken, die alle das Transmission Control Protocol/Internet Protocol (TCP/IP) benutzen.

Wichtig daran ist, daß es sich beim physischen Internet um ein Metanetzwerk handelt, also einem aus mehreren Teilen bestehenden Ganzen ohne wirklichem Zentrum.

Das Internet besteht aus mehreren, voneinander unabhängigen Teilen, die jedoch untereinander vernetzt sind. Dem Straßenverkehr ähnlich, handelt es sich um ein Wegenetz digitalisierter Information, daß sowohl aus Hauptverkehrsadern, den sogenannten „backbones", als auch aus wichtigen Verbindungen und Zufahrtsstraßen, den einzelnen Netzwerken, besteht. Die Bezeichnung „Datenautobahn" oder „information superhighway" ist also bestenfalls nur eine beschränkte Sichtweise des Phänomens Internet.

Durch die Vernetzung mehrerer voneinander unabhängiger Subsysteme bedingt, führt der Kollaps eines Teilbereichs auch nicht zum Zusammenbruch der Kommunikation im gesamten Netz. Eine schier unglaublich hohe Zahl an verschiedenen Routen durch diese Informationsinfrastruktur gibt dem Internet ein hohes Maß an Zuverlässigkeit - ein Grund, nicht jedoch wie oft kolportiert der Grund seines Ursprungs im ARPANET, das vom US Verteidigungsministerium finanziert wurde. Der Mythus eines gegen Atomkriege gewappneten und so geplanten Kommunikationsmediums muß also differenzierter gesehen werden.

Der zweite wichtige Punkt einer technischen Basisdefinition ist, daß das Internet auf das Transmission Control Protocol / Internet Protocol, oder kurz TCP/IP beruht. Protokolle sorgen grundsätzlich dafür, ein Stück Information von einem Ort zum anderen zu senden. Wie in einem Puzzlespiel werden große Datenmengen in kleinere Packete zerlegt, adressiert und verschickt, um am Bestimmungsort wieder ausgepackt und zusammengesetzt zu werden.

Wie der Name schon sagt, sorgt das Transmission Control Protocol dabei für den reibungslosen Transport eines Datenpacketes von einem Rechner zum anderen, während das namensgebende Internet Protocol für die richtige Adressierung zuständig ist.

Grundlegend für TCP/IP dabei ist, daß es unabhängig von der Rechnerplattform arbeitet. Mit anderen Worten es ist egal, ob jemand unter MS Windows, UNIX, APPLE oder vollkommen anderem Betriebssystem arbeitet, sein Computer kann trotzdem mit jedem anderen im Internet kommunizieren und zwar unabhängig auch davon, wie er tatsächlich mit dem Netz verbunden ist, ob über Modem, ISDN, Standleitung oder anderem Anschluß. Erst diese Universalität des Protokolls erlaubt den weltweiten Datenaustausch und globale Kommunikation.

Das physische Metanetwork gemeinsam mit dem Übertragungsprotokoll TCP/IP bildet nun die Grundlage für jeden Datenaustausch, jede Kommunikation auf dem Internet. Freilich bekommt der heutige Benutzer nicht mehr viel davon mit, welche technischen Vorgänge im Hintergrund ablaufen. Obwohl sich die Fassade des Internets in den letzten Jahren dramatisch verändert hat, die beiden tragenden Säulen sind die gleichen geblieben.

Das Internet definiert über seine Dienste

Die eben angesprochene Fassade des Internets sind seine verschiedenen dem Benutzer zur Verfügung stehenden Dienste. Hierbei stellt sich die Frage, ob das Netz wirklich ein Kommunikationsmedium ist, oder in Wirklichkeit nicht Sammelbegriff für mehrere verschiedene Medien auf einmal darstellt?

Um die Antwort, vor allem durch die neuesten Entwicklungen bedingt, vorweg zu nehmen: Das Internet ist ein multimediales Kommunikations- & Informationsinstrument, das sich mehrerer unterschiedlicher Dienste bedient. Dabei ist es unerheblich, daß diese zuerst im Zeitablauf nach und nach entwickelt wurden, und sich erst langsam aber sicher wieder zu einem Instrument vereinen.

Neben der im vorherigen Abschnitt erwähnten technischen Basisdefinition, läßt sich das Internet durchaus auch anders definieren. Janssen zum Beispiel beschreibt es unter anderem so: „ Es besteht aus einer Menge von Computern, die mit TCP/IP dasselbe Kommunikationsprotokoll fahren, die direkt oder indirekt miteinander verbunden sind und worauf gewisse Dienste angeboten oder genutzt werden."

Während der erste Teil der Definition durchaus schon bekannt ist, führt der zweite Teil eine näher zu erklärende Neuerung ein. Wer oder was sind die von Janssen angesprochenen Dienst? Sie sind die Fassade des Internets oder der Bereich, mit dem der tagtägliche Benutzer eigentlich zu tun hat. Diese Dienste bezeichnen jene Instrumente, die zur Verfügung stehen, um Informationen von einem Ort zum anderen zu transferieren, um also zu kommunizieren.

Sie sind das eigentliche Herzstück des Internets und sollen daher in Folge vorgestellt und näher beschrieben werden.

1. Interaktive Verbindungen - TELNET

Wahrscheinlich der älteste Dienst und früheste Anwendung der Internet Technologie ist telnet. Es erlaubt dem Benutzer eine Verbindung zu anderen Rechnern aufzubauen und deren Ressourcen zu nützen, während der eigene Arbeitsplatz nur noch als stiller Terminal verwendet wird.

„Das Telnet-Protokoll unterscheidet sich von den übrigen Internet-Diensten insofern, als es sich bei Telnet stets um eine interaktive Sitzung handelt." Das heißt, der Benutzer steht in dauerndem Kontakt mit dem von ihm genutzten Fernsystem. Seine lokalen Eingaben werden sofort an den verbundenen Rechner weitergeleitet, dort abgehandelt und das jeweilige Ergebnis sofort zurück an den Arbeitsplatz übermittelt, um dort, meist über Bildschirm, ausgegeben zu werden.

Worin liegt nun der Vorteil dieser primitiv erscheinenden Anwendung? Teure Rechnerressourcen, zum Beispiel Supercomputer oder Ähnliches, können nun damit von jedem Punkt der Welt der ans Netz angeschlossen ist benutzt werden. Ferner kann der Benutzer immer in seiner vertrauten Umgebung arbeiten, unabhängig davon, wo er sich tatsächlich befindet

Der Verdienst von Telnet ist aber hauptsächlich darin zu sehen, als erste Internet Anwendung die Welt wirklich zum Dorf zu machen. Es ist nicht primär das mögliche Teilen von Rechenleistung, sondern die Möglichkeit Information effizient in die ganze Welt zu kommunizieren. Die wichtigste Anwendung von Telnet ist daher, Datenbanken wie zum Beispiel Literaturinformationssysteme dem globalen Kreis der Internet Benutzer zu öffnen.

Neben der Suche in fremden Datenbanken, wie zum Beispiel der oft zitierten Library of Congress, macht Telnet prinzipiell die Ausführung jedes Informationssystemes oder Programmes möglich. So entstanden sehr bald auf der ganzen Welt Rechner, die den unterschiedlichsten Zwecken, von Spielen bis hin zu ersten Formen Computer vermittelter Kommunikation, sogenannten Bulletin Board Services (BBS) oder Schwarzen Brettern, dienten.

Telnet ist aber auch mit einigen Problemen behaftet. Zum einen können Verbindungen vor allem über längere Distanzen ziemlich instabil und langsam sein, da ein ständiger Datenaustausch zwischen Arbeitsplatz und Fernsystem aufrecht zu erhalten ist. Zum anderen ist der Dienst wenig benutzerfreundlich, da er, wenn man die neuere Entwicklung von X-Windows und xterm außer Acht läßt, nur textorientierte Kommunikation zuläßt und ferner ein nicht zu unterschätzendes Maß an Computerwissen und -interesse verlangt.

Dazu kommt die Erfordernis, sich beim Verbindungsaufbau zu einem Fernsystem mit Kennung und Kennwort identifizieren zu müssen. Einerseits hat so der Benutzer einiges an Vorarbeit zu leisten, schließlich muß er nicht nur die Internet Adresse, sondern auch die Zugangsvoraussetzungen zu einem fremden Rechner in Erfahrung bringen, um mit seinem Verbindungsaufbau erfolgreich sein zu können. Andererseits bringt es auch immer ein gewisses Risiko für den Systeminhaber, da er nie sicher sein kann, ob der mehr oder weniger freie Zugang zu seinem Rechner nicht unerwünschte Eindringlinge anziehen wird.

Nicht zuletzt deswegen dürfte Telnet in seinen Anwendungen immer limitiert geblieben sein. Doch erfreut er sich noch immer großer Verbreitung und enormer Wichtigkeit, genauso wie der Beitrag dieses Dienstes zur Entwicklung des Internets in Richtung eines globalen Kommunikationsmediums sicher von großer Bedeutung war und ist.

2. Datentransfer - Das File Transfer Protocol (FTP)

Genau wie bei Telnet handelt es sich bei ftp um den Aufbau einer interaktiven Verbindung zwischen zwei Rechnern. Der Unterschied liegt im Verwendungszweck. Mit FTP werden Dateien, also Programme, Texte, etc., zwischen den beiden Systemen ausgetauscht. Typischerweise wir eine FTP Sitzung zu einem Fernsystem aufgebaut, um dann von dort die gewünschten Dateien auf das lokale Arbeitsplatzsystem zu kopieren.

Grundsätzlich kämpft FTP jedoch auch mit den bereits von Telnet bekannten Problemen interaktiver Sitzungen. So müssen normalerweise auch bei diesem Dienst Internet Adresse des Fernsystems, Kennung, und Kennwort bekannt sein, um eine Verbindung aufbauen zu können. Zusätzlich ist es noch notwendig, den genauen Pfad einer Datei zu wissen, um sie auch auf dem fremden System auffinden zu können und anschließend auf den Arbeitsplatzrechner zu transferieren.

Zur Lösung dieser Schwierigkeiten kam es durch das Aufkommen sogenannter anonymer FTP Server, die einen Verbindungsaufbau mit einfacher Kennung (anonymous) und ohne Kennwort erlauben. Diese Rechner sind auf der ganzen Welt verstreut und ihre Internet Adressen sind allgemein bekannt.

Zur leichteren Orientierung und dem schnelleren Auffinden von Dateien wurde ein Werkzeug namens archie entwickelt, mit dessen Hilfe sich leicht anonymer FTP Server und Pfad für gesuchte Programme oder dergleichen herausfinden lassen.

Zur weiteren Vereinfachung gibt es schon für beinahe jeden Rechnertyp eine neue Generation von FTP Programmen, die mittels graphischer Benutzeroberfläche selbst für Ungeübte im Umgang mit Computern die Bedienung dieses Dienstes einfach und intuitiv verständlich machen.

Da es grundsätzlich egal ist, welcher Art die von einem System auf das andere transferierten Dateien sind, können via FTP zentral auf einem Rechner gespeicherte Programme, Bilder, Texte, Audioaufnahmen, oder dergleichen auf jeden mit dem Internet verbundenen Arbeitsplatz kopiert werden.

Nicht nur bei der Verbreitung von großen Datenmengen spielt und spielte FTP daher eine bedeutende Rolle, sondern auch wenn es um die Entwicklung und Durchsetzung neuer Software geht, leistete und leistet dieser Dienst einen wichtigen Beitrag. Erst die freie (und kostenlose) Verfügbarkeit via FTP verhalf wichtigen Produkten wie X-Windows, Linux oder neuerdings dem Netscape Navigator zum Durchbruch oder machte Kooperationen wie das GNU-Projekt der Free Software Foundation zur Entwicklung offen verfügbarer Programme erst möglich.

Trotz aller Vorteile sollte jedoch nicht vergessen werden, daß FTP noch immer kein Dienst ist, der sich für Computer vermittelte Kommunikation eignen würde. Zwar ist es theoretisch denkbar, Textdateien zu transferieren, doch ist dies für einen unkomplizierten und effizienten Gedankenaustausch mehr als nur ungenügend.

3. Direkte, Asynchrone Kommunikation - E-Mail

Grundsätzlich ist E-Mail nichts anderes als elektronische Post. Ein Benutzer, der Sender, verfaßt eine Nachricht, um diese dann mit Hilfe eines Computernetzes an einen anderen Benutzer, den Empfänger, zu übermitteln. Es ist wie das Schreiben von Postkarten, nur mit einigen systemspezifischen Vorteilen, die evident sind.

Nachrichten in elektronischer Form sind leicht manipulier- und weiterverwendbar, der tatsächliche Transportvorgang dauert nur (wenn überhaupt) Sekunden, die anfallenden Kosten sind minimal und moderne E-Mail Programme bieten eine Reihe von nützlichen Zusatzoptionen, vom Filtern eingehender Botschaften bis hin zum unkomplizierten Weitersenden oder der Möglichkeit von Massensendungen.

Tatsächlich fällt E-Mail aber in die klassische Kategorie der direkten, in der Grundform von einem Sender ohne Umwege zu einem Empfänger, asynchronen, keiner der beiden Benutzer muß zur gleichen Zeit anwesend sein, Kommunikation. Neu ist, daß sie Computer vermittelt stattfindet. E-Mail ist also der erste Dienst, der es Menschen erlaubt, mittels eines Netzes von verschiedenen Computersystemen miteinander zu kommunizieren.

E-Mail kann daher durchaus als Basisdienst des Kommunikationsmediums Internet bezeichnet werden und rangiert, gemessen an der Wichtigkeit für den Benutzer, noch immer ganz vorne. Es ist durchaus logisch, daß miteinander vernetzte Menschen auch miteinander kommunizieren wollen, schließlich teilen sie die gleichen Ressourcen und damit auch auftauchenden Probleme.

Mit Hilfe einzigartiger Adressen, die ähnlich einer Telefonnummer jeden einzelnen Benutzer eindeutig identifizieren, ist es nun möglich, weltweit elektronische Post auszutauschen. Daß sich daraus eines der wichtigsten Kommunikationsnetze unserer Zeit entwickelt hat, mag einerseits an den bereits geschilderten Vorteilen liegen, andererseits ist es ein soziologisches Phänomen, daß uns später im Zusammenhang mit der Bildung von virtuellen Gemeinschaften noch beschäftigen wird.

Die Identifikation gemeinsamer Probleme und Interessen führt sehr schnell zu Gruppenbildung. Es werden sich immer die gleichen Leute zu den gleichen Themen elektronische Nachrichten schicken. Eine Vereinfachung der Prozedur des Kopierens und Weitersenden wichtiger Botschaften an interessierte Teilnehmer ist die Entwicklung von sogenannten mailing lists.

Eine solche Liste ist ein Verzeichnis an Personen, die ein wie immer geartetes Interesse daran haben, E-Mails zu einem bestimmten Thema zu erhalten und an andere zu verschicken. Diese Listen, in die man sich problemlos ein- und austragen kann, funktionieren gleichsam als Verteiler elektronischer Nachrichten und veranlassen einen Computer dazu, Kopien eingehender Botschaften an alle Abonnenten weiterzuleiten.

Die Themenvielfalt von Mailing Lists ist ungeheuer. Von Politik über Freizeit, Familie Wissenschaft oder Außerirdischen ist für jedes Interessensgebiet ein interessierter Kreis in der weltweiten Internet Gemeinde zu finden.

Grundsätzlich kann man aber drei Arten von Listen finden:

  • unmoderiert: Jede E-Mail an die Liste wird an die Teilnehmer weitergeleitet
  • moderiert: Ein Moderator überprüft eingehende Meldungen vor der Freigabe
  • gesammelt: Beiträge werden gesammelt und anschließend versandt

E-Mail ist und bleibt ein wichtiger direkter, asynchroner, durch Computer vermittelter Kommunikationsdienst, der sich vom Statussymbol auf der Visitenkarte langsam aber sicher zum anerkannten Instrument entwickelt.

Das Aufkommen von Mailing Listen rund um verschiedenste Themen und Interessensgebiete zeigt die dynamische soziologische Entwicklung am Internet. Listen dieser Art sind ein erster Schritt in Richtung indirekter Kommunikation und umfassender Informationssysteme, Grundstein für die Entwicklung virtueller Gemeinschaften und neuen Herrschaftsformen, wie die elektronische Demokratie.

4. Indirekte, Asynchrone, Kommunikation - NEWS

News oder NetNews ist ein äußerst populärer Dienst unter eingefleischten Netzbenutzern.

Wie zu erkennen, handelt es sich bei Mailing Listen und bei NetNews im Prinzip in beiden Fällen um durch Computer vermittelte Kommunikation von einem Sender an viele Empfänger. Der Unterschied liegt darin, daß Mailing Listen durchaus wie E-Mail noch als direkte Kommunikation gesehen werden kann, während es sich bei NetNews schon um eine indirekte Form handelt.

Dies ist dadurch zu erklären, daß sich die Ebene der Verteilung ändert. Während bei Mailing Listen der Computer die Nachricht direkt an die Abonnenten eines bestimmten Themas weiterleitet, werden sie bei NetNews nur zwischengespeichert und für die Abholung bereitgestellt. Dies erfolgt durch sogenannte Newsserver, die auf der ganzen Welt verstreut loziert sind und durch interne Kommunikation sicherstellen, daß eine weltweit bestimmte Nachricht auch überall erhältlich ist.

Der potentielle Empfänger einer Botschaft kann nun mit Hilfe geeigneter Programme, sogenannten Newsreadern, die einzelnen auf den Newsservern vorhandenen Themen, den sogenannten Newsgruppen, nach für ihn interessanten Material durchforsten. Im Gegensatz zu den Mailing Listen erfolgt Kommunikation zwar noch dem gleichen Prinzip, aber nun in indirekter Form. Die Empfänger einer Nachricht stehen nicht ex-ante fest, so wie daß bei multiplen E-Mails via Verteilerlisten der Fall ist.

Zur besseren Orientierung der Benutzer sind die Newsgruppen, die einzelnen Themen also, hierarchisch geordnet. Die einzelnen Namen bestehen aus einer Kette von Begriffen, die von rechts nach links einen immer höher werdenden Detailierungsgrad aufweisen. Zum Beispiel würde die Gruppe comp.infosystems.www.authoring.misc bedeuten, daß es sich bei dieser Newsgruppe um Beiträge handelt, die sich generell mit Computern (comp) beschäftigen, insbesondere aber mit einem Informationssystem (infosystems), und zwar dem World Wide Web (www), dem Schreiben von Seiten darin (authoring) und die verschiedenen Probleme (misc) damit. Daß es auch kürzer und intuitiv verständlicher geht, zeigt das Beispiel talk.politics.usa...

NetNews ist das eigentliche Diskussionsforum am Netz. Streng genommen umfaßt es nicht nur das Internet, sondern auch andere Computernetze, die nicht auf Basis von TCP/IP miteinander kommunizieren, wie zum Beispiel dem FidoNet. In Summe spricht man dann vom Usenet, das zum Inbegriff der Kommunikation und der Bildung von Gemeinschaften geworden ist.

So vielfältig wie der Themenreichtum der Newsgruppen im Usenet ist auch sein Benutzerkreis. Sie haben jedoch eines immer gemeinsam: Ein wie auch immer geartetes Interesse am Thema der gewählten Gruppe. Die Möglichkeit sofortiger Antwort auf einzelne Beiträge schafft ein hoch kommunikatives Umfeld, in dem bis zum letzten argumentiert und diskutiert, ja sogar beschimpft wird, aber auch gemeinsame Normen und Regeln entwickelt werden, die auf gegenseitiger Zusammenarbeit und Kooperation beruhen.

Das Usenet ist damit sicher ein Nährboden für das Entstehen virtueller Gemeinschaften. Es ist ein künstlicher Raum, in dem alle Teilnehmer die gleichen Rechte besitzen, ohne jede Vorurteile, da die Kommunikation nur auf den Austausch von Schriftzeichen beschränkt ist. Außerdem erfolgt sie asynchron, was den Teilnehmern die Möglichkeit der Reflexion und des Nachdenkens gibt, bevor sie reagieren, aber auch den unmittelbaren Kontakt zwischen Benutzern im Wege steht.

5. Synchrone Kommunikation - TALK & IRC

Das Internet stellt dem Benutzer auch eine Reihe von synchronen Kommunikationsdiensten zur Verfügung. Ein Instrument namens talk erlaubt es zum Beispiel zwei Teilnehmern, direkt mittels Tastatur und Bildschirm in Kontakt zu treten. Jedes auf einem Ende der Verbindung eingetippte Wort, erscheint sofort am eigenen, wie auch am fremden Arbeitsplatz, ganz gleich wie weit sie auch in Wirklichkeit entfernt liegen sollten. Einmal mehr wird die Welt zum globalen Dorf.

Während dieses einfache Instrument der direkten schriftlichen Kommunikation zweier Benutzer dient, verhalten sich die Dinge mit Internet Relay Chat (IRC) schon etwas diffiziler. Server rund um die Welt erlauben es jedem interessierten Teilnehmer mit genügend Computerkenntnis, in Diskussionen zu verschiedensten Themen einzusteigen und zu partizipieren. Jeder kann aber seine eigene Gesprächsrunde, einen sogenannten channel, eröffnen und dabei unter anderem sogar bestimmen, wer und wer nicht teilnehmen darf in seinem exklusiven Redekreis.

Da die meisten Diskussionen aber öffentlich stattfinden, geübte Benutzer in mehreren Kanälen gleichzeitig partizipieren, dies darüber hinaus mit unterschiedlichster Aktivität und zum großen Teil mit Decknamen erfolgt, ist es sehr schwer Kommunikation mittels IRC in Schemata wie direkt, indirekt oder dergleichen zu pressen und des weiteren eindeutig zu kategorisieren.

Es bleibe auch nicht unerwähnt, daß ein großer Teil der Internet Benutzer dieser Art von Kommunikation mit einiger Skepsis gegenübersteht. Als Argumente hierfür werden immer wieder Bandweitenprobleme, das heißt die übermäßige Belastung der physischen Netzkapazität, oder die vorwiegend dem Freizeitspaß dienende Nutzung dieser Dienste genannt, die einer zum großen Teil öffentlich finanzierten Infrastruktur und einer akademisch - militärischen Tradition beinahe diametral gegenüber steht.

Andererseits hat sich der Wandel des ganzen Internets in letzer Zeit mit derartiger Dynamik vollzogen, daß diese Punkte nicht mehr haltbar sind. Zum einen wird das Netz mehr und mehr privat finanziert und einer breiten Basis vor allem für persönliche Zwecke geöffnet, zum anderen liegt der Hauptteil der Netzbelastung sicher bei anderen Diensten, insbesondere dem noch näher zu beleuchtendem World Wide Web.

Eine grundsätzliche Kritik an den gegenwärtig dominanten Formen synchroner Kommunikation am Netz hat aber durchaus seine Berechtigung. Das Eintauchen in Internet Relay Chat oder seinen Abkömmlingen wie Multi User Dungeons (MUDS), diversen Club-Lines bzw. Talk-Services bedarf vor allem eines: Viel Zeit. Sollten zusätzlich Kosten, zum Beispiel für die Telefonverbindung anfallen, so kann dies mitunter auch einen tiefen Griff in die Geldtasche bedeuten.

Synchrone online Kommunikation übt auf seine Benutzer eine nicht zu unterschätzende Faszination aus. Vielleicht ist das ein Grund, warum vor allem meist Politiker ihre ersten Schritte im Netz ausgerechnet in diesem Bereich machen. „Reden Sie direkt mit Politiker XYZ" scheint für jeden um Nähe zu seinen Wählerstimmen besorgten Parteigänger ein lockendes Angebot zu sein, auch wenn dieses in den seltensten Fällen aufgrund technischer Unzulänglichkeiten auch wirklich funktioniert.

Der angesprochene Zeitaufwand und die Faszination sind grundsätzlich nichts Schlechtes. Doch synchrone Kommunikation fesselt den Benutzer vor dem Bildschirm und läßt ihn schwer wieder los. Was hier so dramatisch geschildert scheint, sind die negativen soziologischen Auswirkungen virtueller Realität. Sie kann unter Umständen zu suchtähnlichen Verhalten führen, der Gefangennahme des Geistes im hektisch dynamischen Treiben des Internets, insbesondere der synchronen Kommunikationsdienste und ihren künstlichen Welten.

Dies kann sogar soweit gehen, daß zum Beispiel der Tod des eigenen virtuellen alter Ego in einem MUD, das sind hoch kommunikative interaktive Rollenspiele mehrerer Teilnehmer meist in einer Phantasiewelt angesiedelt und oft nur durch die Entwicklung eines Gemeinschaftssinn lösbar, ein tiefes Gefühl von Leere, Betroffenheit und Trauer in der wirklichen Person entstehen läßt.

Dies eröffnet die Frage nach den Risiken der neuen technischen Möglichkeiten. Wird die Realität Schritt für Schritt durch Virtualität abgelöst werden und wie wirkt sich das auf unsere Gesellschaft aus? Vorerst sicherlich noch Zukunftsmusik, doch die ersten Anzeichen zeigen sich bereits am Horizont.

Bisher stand in allen vorgestellten Diensten die Kommunikation im Vordergrund. Der Grund für den wahren Boom des Internets in letzter Zeit ist jedoch in einem anderen Bereich zu finden. Informationssysteme verbinden den Benutzer mit beinahe jeder Art von Wissen und offerieren andererseits Anbietern einen riesigen Markt an potentiellen Abnehmern.

Gopher und das World Wide Web sollen daher die Vorstellung der diversen Internet Dienste komplementieren.

6. Lineare Informationssysteme - GOPHER

Gopher wurde an der Universität von Minnesota entwickelt und fand „....als erstes brauchbares Informationssystem im Internet rasch weite Verbreitung und wurde erst 1994 durch WWW überflügelt." Seit diesem Zeitpunkt ist es jedoch beinahe zur Bedeutungslosigkeit verkommen.

Trotzdem gibt es gute Gründe kurz darauf einzugehen. Bei Gopher handelt es sich um ein lineares Informationssystem. Die bisher vorgestellten Internetdienste waren entweder interaktive Sitzungen (Telnet und FTP), oder aber dienten hauptsächlich der Kommunikation zwischen Benutzern (E-Mail, News, Talk & IRC).

Freilich läßt sich argumentieren, daß jede Übertragung von Information Kommunikation sei und Gopher deshalb auch ein Kommunikationsinstrument ist, doch geht diese Argumentation am Kern der Sache vorbei. Bei der Benutzung von Gopher steht zum ersten Mal die inhaltliche Dimension im Vordergrund. Während sich Benutzer bisher mit technischen Details wie der räumlichen Zuordnung von Dateien in diversen Verzeichnissen herumschlagen mußten, wird die Handhabung nun einfacher.

Gopher ermöglicht die schnelle und unkomplizierte Navigation durch Informationshierarchien und zwar unabhängig davon, auf welchem Rechner eine Datei tatsächlich loziert ist. Menügesteuert wandert der Benutzer durch einen künstlich generierten und weltweiten Informationsraum, bis er jenes Dokument gefunden hat, nach dem er gesucht hat.

Gopher ist deswegen ein lineares Informationssystem, da wie in einem Buch Seite auf Seite hier Hierarchie auf Hierarchie folgt. Dies ist die wichtigste Unterscheidung zum heute vorherrschenden World Wide Web, das auf Hypertext, einem Konzept nicht-linearer Kommunikation beruht.

Gopher ist aber auch deswegen interessant, da es den Durchbruch des Internets von einer vorwiegend Kommunikations- zu einer prädominant Informationstechnologie einleitete. Dies dürfte auch der Anstoß für eine höhere Popularität und damit größeren Benutzerkreises des Netzes gewesen sein. War es ursprünglich eine Zufluchtsstätte von Akademikern mit breitem Computerwissen, so brachte eine einfachere Handhabung immer mehr Interessierte hin zum Medium Internet.

Obwohl Gopher noch auf reiner Textübertragung beruht, war dieser Dienst schnell sehr beliebt. Insbesondere öffentliche Einrichtungen in den USA, wie „The Library of Congress", die Regierung des Bundesstaates Kalifornien oder das Landwirtschaftsministerium brachten ihre Informationsangebote on-line und richteten ihre eigenen Gopher Server ein und trugen dadurch ihren Teil dazu bei, daß sich das Internet als Informationssystem etablieren konnte.

7. Nicht lineare Informationssysteme - DAS WORLD WIDE WEB

Zu gegenwärtigen Zeitpunkt ist das World Wide Web, oder kurz WWW, der Internet Gemeinde liebstes Kind. Beim WWW handelt es sich aber weniger um ein spezifisches Programm, sondern um ein Konzept, das auf folgenden Punkten basiert:

  • Client-Server-Architektur
  • HyperText Markup Language (HTML)
  • Multimedia
  • HyperText Transfer Protocol (HTTP)
  • Uniform Resource Identifier (URI)

Um einen Einblick in die Welt des World Wide Web zu gewinnen, sollen im folgenden diese fünf Komponenten näher beleuchtet werden.

8. Client-Server-Architektur

Die Benutzung einer Client-Sever-Architektur ist durchaus nichts neues am Internet. Ein am Arbeitsplatzrechner laufendes Programm (der Client) kommuniziert mit seinem Gegenstück am Fernsystem (der Server). Am WWW Server gespeicherte Informationen werden auf Anfrage über das Netz gesendet und dort vom WWW Browser, dem Client Programm, weiterverarbeitet.

Die Grundsteine des World Wide Webs wurden am Europäischen Labor für Teilchenphysik (CERN) gelegt. Dort wurden auch die ersten WWW Server Programme geschrieben, die frei verfügbar sind und deren Weiterentwicklungen noch immer auf der ganzen Welt verwendet werden.

Der große Erfolg des World Wide Webs kam jedoch mit der Entwicklung des WWW Browsers „Mosaic" am National Center for Supercomputing Applications (NCSA) der Universität von Illinois in Urbana-Champaign. Freie Verfügbarkeit und einfache Bedienbarkeit verhalfen dem Web zu einem Siegeszug, der später mit dem „Netscape Navigator" von Netscape Corporation fortgesetzt wurde.

Im Hauptgrund der raschen Expansion des Konzeptes, der freien Entwicklung der zugrundeliegenden Software (Programme), liegt aber auch eine seiner größten Schwächen. Durch den offenen Standard kam es zu einer Vielzahl verschiedener Produkten, die gemeinsame Entwicklungen schwer machen. Zwar hält der Netscape Navigator" eine unangefochten führende Stellung bei WWW Browser, doch unterschiedliche Versionen und Beiträge anderer Organisationen machen es beinahe unmöglich, für alle Benutzer zufriedenstellende Informationsangebote für das Web zu schreiben.

9. HyperText Markup Language (HTML)

HyperText Markup Language ist nun jene Auszeichnungssprache in der die Informationsangebote im World Wide Web üblicherweise geschrieben werden. Rein technisch gesehen ist HTML eine Document Type Definition (DTD) der von Charles Goldfarb entwickelten Standard Generalized Markup Language (SGML) und legt daher nicht das Aussehen, sondern die Struktur von Dokumenten fest. Mit anderen Worten, es wird nicht programmiert ob der Text 12 Punkt hoch und kursiv dargestellt werden soll, sondern welcher Hierarchiestufe er angehört und es obliegt dem WWW Browser über das tatsächliche Aussehen am Bildschirm zu entscheiden.

Viel wichtiger als die technischen Details der Sprache ist für den Normal-Benutzer die Hypertext Eigenschaft. Diese macht das World Wide Web nämlich zu einem nicht linearen Informationssystem. Unter Hypertext versteht man ein Medium nicht linerarer Organisation von Informationseinheiten.

Traditionell sind Informationen in linearer Form organisiert. Ein Buch wird zum Beispiel normalerweise von vorne nach hinten gelesen, genau wie bei Sendungen im Fernsehen oder Radio zuerst der Anfang und dann der Schluß empfangen wird.

Hypertext hingegen organisiert Informationseinheiten, zum Beispiel einen Absatz Text, in nicht linearer Form. Das heißt, der oder die Verfasser geben nicht ex-ante vor, in welcher Reihenfolge nun Informationen aufgerufen werden müssen. In jedem Hypertext Dokument gibt es Verweise auf andere Informationseinheiten, vergleichbar Fußnoten in wissenschaftlichen Aufsätzen, denen der Leser folgen kann oder nicht. Der Benutzer bestimmt also selbst seinen Weg durch einen Informationsraum und folgt jenen Verweisen, die ihm am interessantesten erscheinen.

Das World Wide Web, etwas hölzern mit weltweites Spinnennetz übersetzt, vernetzt so nun Beiträge auf der ganzen Welt zu einem einzigen Gewirr an Information, dem Hyperspace, manchmal auch ungenau als Cyberspace bezeichnet. In diesem Raum befindet sich eine ungeheure Menge an Dokumenten, die alle miteinander durch unzählige Verweise, den sogenannten Hyperlinks, vernetzt sind.

Der Vorteil des Internets als Medium liegt darin, daß Hypertext mit traditionellen Formen der Kommunikation schwierig zu realisieren ist. Für das Netz erscheint es jedoch ideal, da jeder Autor sein spezifische Informationsgebot mit bereits vorhandenen Dokumenten verweben kann. Dies ist aber nur möglich, da Computer in der Lage sind, den Hyperlinks in Sekundenschnelle zu folgen, unabhängig davon, wo das nachgefragte Dokument tatsächlich gespeichert ist.

Hypertext ist also eine neue Organisationsform von Information, die es dem Benutzer erlaubt, schneller und gezielter zu Wissen zu kommen. Nachteile ergeben sich jedoch vor allem in der Schwierigkeit der effektiven Navigation durch den Informationsraum Hyperspace und den daraus resultierenden Unsicherheiten, wie zum Beispiel, unter vielen anderen, einen guten Ausgangspunkt zu finden, den bereits gegangenen Weg zu rekonstruieren, oder Sackgassen in der Suche, ein gewisses Verlorenheitsgefühl das jeder Benutzer kennt, zu überwinden.

10. Multimedia

Die multimedialen Eigenschaften des World Wide Webs beziehen sich darauf, daß die bei Hypertext angesprochenen Informationseinheiten oder Dokumente nicht auf die Verwendung von Text limitiert sind.

Mit Hilfe von WWW lassen sich auch Ton, Bilder oder Dateien anderer Art übertragen, Voraussetzung ist nur, daß der Rechner am Arbeitsplatz die empfangenen Daten auch tatsächlich sinnvoll verwerten kann. Die Bezeichnung Hypermedia anstatt Hypertext wäre deshalb wohl richtiger, doch hat sich letzterer aufgrund seiner Dominanz bereits im Sprachgebrauch durchgesetzt.

Dies schränkt zwar auf den ersten Blick die grundsätzlich Plattform übergreifende Spezifikation des Internets ein, Ton-Dateien für MS Windows Computer können nicht immer auch für andere Rechner wie zum Beispiel Unix oder APPLE verwendet werden, doch zum einen ist es nicht der Dienst WWW selbst, der diese Schwierigkeiten hervorruft, zum anderen kommt es vor allem durch die Entwicklung von plattformübergreifenden Programmiersprachen gerade in diesem Bereich ohnehin zu neuen Durchbrüchen.

11. HyperText Transfer Protocol (HTTP)

„Das Hypertext Transfer Protocol legt fest, wie sich WWW-Client und -Server miteinander unterhalten." Es ist also der Kern der WWW Konzeption und am ehesten das, was man mit anderen Diensten wie Telnet, FTP, usw., vergleichen kann.

Da die Details eines Kommunikationsprotokolles für den Normalbenutzer unerheblich sind, soll an dieser Stelle mit dem Hinweis an mehr technische Publikationen auf weitere Ausführungen verzichtet werden.

12. Uniform Resource Identifier (URI)

Die Verwebung einzelner Informationseinheiten zu einem Informationsraum macht eine genaue Identifizierung von Objekten im Hyperspace notwendig. Nur so kann gewährleistet sein, daß eine Verzweigung, ein Hyperlink, auch tatsächlich zum gewünschten Hypertext bzw. Hypermedia Dokument führt. Aus diesem Grunde kam es zur Idee sogenannter Uniform Resource Identifier (URI), die Informationseinheiten im Internet eindeutig identifizieren sollen.

Prinzipiell gibt es zwei verschiedene Gruppen von URIs. Zum einen sind dies die kaum bekannten Uniform Resource Names (URNs). Sie sollen Informationseinheiten einen eindeutigen Namen geben, um sie im Netz auffindbar zu machen. Die Idee dabei ist, daß wenn das Objekt in gleicher Form mehrmals im Netz vorhanden sein sollte, der Rechner selbsttätig jenes wählt, zu dem die beste Netzverbindung besteht. Da sie jedoch noch nicht offiziell spezifiziert wurden, sind sie momentan noch Zukunftsmusik.

Allgegenwärtig in der Welt des World Wide Web ist hingegen der sogenannte Uniform Resource Locator (URL). Er ist mehr als bloß eine Adresse einer Informationseinheit, er „.... spezifiziert genau auf welche Art die gewünschte Information 'geholt' werden kann [....] und wo,....". Mit anderen Worten, der URL gibt in eindeutig definierter Weise das Protokoll, die Internetadresse des Servers und den Pfad einer Informationseinheit auf einem System an. Auf diese Weise ist es möglich, Objekte im ganzen Internet zu identifizieren und so Hyperlinks eindeutig zu machen.

An dieser Stelle schließt sich aber auch der Kreis zur Definition des Internets über seine Dienste. Es ist nämlich möglich, jede Art von Kommunikationsprotokoll mittels URL zu spezifizieren. Fast alle bisher so vorgestellten Internetdienste und noch weitere bisher unerwähnt gebliebene lassen sich demnach mühelos ins World Wide Web integrieren. Der WWW Browser wird zur oft zitierten „eierlegenden Wollmilchsau", also zum alles umfassenden Internet Kommunikations- & Informationsinstrument, mit dem sich Telnet und FTP genauso nützen lassen, wie Gopher oder HTTP.

Das World Wide Web bleibt kein isolierter Dienst, sondern wird zum Synonym für das Netz selbst. Die Möglichkeiten von WWW und seine Entwicklung werden damit eng an die Zukunft des Internets selbst gekoppelt. Dennoch sollte nie vergessen werden, aus welcher Evolution an Ideen das Web entstanden ist und wie dynamisch und wandelbar das Internet ist, besonders wenn es über seine Dienste definiert wird.

Das Internet definiert nach Reichweite und Wachstum

Nachdem nun geklärt wurde, was das Internet technisch gesehen ist und was es kann, sollte es nun möglich sein, weitere Dimensionen wie Größe und Wachstum zur besseren Beschreibung des gesamten Netzes einzuführen. Doch sehr schnell merkt man, daß Definitionen zwar nie falsch sein können, aber je nach Aufgabenstellung brauchbar oder unbrauchbar.

Die Größe des Internets zu messen, erweist sich nämlich als ungefähr genauso komplex, wie die Anzahl der Stühle auf dieser Welt zu bestimmen. Die in den vorherigen Abschnitten angeführten Definitionen haben zwar ihre Richtigkeit und Berechtigung, sind jedoch so breit gehalten, um das Phänomen Internet zu beschreiben, daß die darunterfallenden möglichen Erscheinungsformen des Netzes eine für weitere Detailfragen beinahe unüberbrückbare Barriere an Heterogenität bewirken.

Dennoch soll im folgenden versucht werden, das Internet zumindest in Ansätzen zu umreißen. Ein erster Versuch ist, es über Internet Adressen zu definieren. Jeder Computer im Internet muß eine eindeutige Adresse gleich einer Telefonnummer vorweisen können, um tatsächlich erreichbar zu sein. Da die Vergabe aber dem Credo des Netzes folgend dezentral erfolgt und es mehrere Hierarchiestufen an Netzwerken gibt, so muß eine endgültige Bestimmung der Zahl der angeschlossenen Computer (sogenannten Hosts) auch durch Schätzung erfolgen.

Die „Internet Domain Survey" vom Jänner 1996 ergab so eine Anzahl von 9,472.000 Hosts. Da jedoch als einzige Aussage, wieviel Benutzer ein dem Netz angeschlossener Computer im Durchschnitt hat, nur gesagt werden kann, daß es zumindest einer ist, so stellt dies in etwa eine Minimum Zahl an weltweiten Teilnehmern dar.

Obwohl zwar grundsätzlich anzunehmen ist, daß die Benutzerzahl pro Computer sich tendenziell vermindert und sich daraus Verzerrungen ergeben, so lassen sich trotzdem Erkenntnisse über das Wachstum des Netzes ziehen. Da im Jänner 1995 noch 4,852.000 Hosts gemessen wurden, errechnet sich so eine Steigerungsrate von rund 95 Prozent für das vergangene Jahr. Seit dem Jänner 1993, das heißt die letzten drei Jahre, ergibt sich so ein durchschnittliches Wachstum von rund 93%. Mit anderen Worten, das Internet verdoppelt beinahe seine Größe mit Ablauf eines Jahres.

Berechtigte Zweifel die Größe des Internets anhand der Internetadressen zu messen, hegen Quarterman und Carl-Mitchell von Matrix Information and Directory Services (MIDS). Sie weisen korrekterweise darauf hin, daß nicht jeder Rechner mit Internetadresse auch eine Verbindung mit TCP/IP aufweisen muß. Tatsächlich würde zum Beispiel ein UUCP Anschluß reichen, der aber keine interaktive Sitzungen wie Telnet, FTP oder auch das WWW erlauben würde.

Da beides aber unseren bisher ohnehin schon breit gehaltenen Definitionen widerspricht, kann die logische Schlußfolgerung nur lauten, daß die Zahlen des Internet Domain Survey nach oben hin verzerrt sind, da sie Nicht-Internet Rechner inkludieren. Andererseits sollte dieser Fehler nicht besonders groß sein und sich weiter vermindern, da TCP/IP Verbindungen andere Arten immer mehr verdrängen sollten.

Trotzdem sehen diese beiden Autoren und das MIDS das Internet und seine wirkliche Größe etwas differenzierter. Sie schlagen ein Drei-Zonen Modell mit konzentrischen Lagen vor, daß aus einem Kern-Internet, einem darüber befindlichen Konsumenten-Internet und der umgebenden Matrix besteht.

Das Kern-Internet bildet das Herzstück des Modells. Benutzer dieses Kreises verfügen über die Möglichkeit, zumindest einen interaktiven Dienst sowohl aktiv, als auch passiv zu nutzen. Unter aktiver Nutzung versteht man die Möglichkeit, selbst Informationen für andere Benutzer anzubieten. Teilnehmern des Kern-Internets steht also die gesamte Palette des Internets ohne Einschränkung zur Verfügung.

Das Konsumenten Internet ist vergleichbar einer Zwiebel als nächste Schicht des Modells zu sehen. Alle Mitglieder des Kern-Internets gehören selbstverständlich auch diesem Teil an, da es sich um Teilnehmer handelt, die zumindest einen interaktiven Dienst passiv nützen können. Zu diesem Zweck bedarf es einer TCP/IP Verbindung, woraus folgt, daß dies jenes Netz ist, den die Definitionen der vorherigen Abschnitte am nächsten kommen.

Die Problematik der Unterscheidung zwischen einem Kern- und dem größeren Konsumenten-Internet ergibt sich durch die immer größer werdende Verbreitung von sogenannten Intranets. Dies sind Rechnernetze auf TCP/IP beruhend, die jedoch, meist aus Sicherheitsgründen, nur über einen limitierten, mittels Computer geschützten Zugang zum Außennetz verfügen. Intranets sind damit Teil des Konsumenten-Internets, sofern eine Verbindung nach draußen besteht, nicht jedoch des Kern-Internets, da die Benutzer normalerweise nicht in der Lage sind, aktiv Informationen anzubieten.

Das Internet selbst wäre nun hinreichend charakterisiert. Der sogenannten Matrix gehören alle Benutzer an, die zumindest E-Mail mit dem Internet austauschen können und ist daher klarerweise um einiges größer als die einzelnen Computernetze, wie das Internet, FidoNet, etc.

Bildlich gesprochen ist die Matrix wie ein Nest, das verschiedene Eier, die unterschiedlichen Rechnernetze, enthält. Das weitaus größte Ei ist das Internet, mit dem Eiklar Konsumenten- und dem Dotter Kern-Internet. Alles außerhalb des Nestes, alles was nicht in der Lage ist, zumindest E-Mail mit dem Internet auszutauschen, also zum Beispiel lokal miteinander vernetzte Computer, alles das ist nicht Teil der Matrix und damit auch nicht des Internets.

Vom Marketing zur politischen Kommunikation

Politikwissenschaft beschäftigt sich erst seit relativ kurzer Zeit mit politischem Marketing. Darüberhinaus ist eine Eingliederung in eines der traditionellen Segmente wie Ideengeschichte, nationale, internationale oder vergleichende Politik schwierig vorzunehmen. Selbst kommerzielles Marketing ist eine im Vergleich junge Wissenschaft, die sich jedoch in den letzten Jahren immer größer werdender Verbreitung erfreut und deren Gedankengut Schritt für Schritt in alle anderen Bereiche mit einem kompetitiven Umfeld diffundiert.

Aus diesem Grund ist es in dieser Arbeit erforderlich, zuerst in die Grundbegriffe der Marketingwissenschaften einzuführen, um die Basis für die nachfolgenden Betrachtungen zum Thema „politische Kommunikationspolitik" zu schaffen. Nur so wird garantiert, daß die kommenden spezifischen Ausführungen nicht in sich isoliert bleiben, sondern zum besseren Verständnis in einem größeren Zusammenhang gesehen und integriert werden.

Ziel dieses Abschnittes ist es daher, eine logische Verbindung zwischen dem Überbegriff des Marketing, seinem Teilbereich der Kommunikationspolitik und deren Anwendung auf politische Organisationen oder Personen herzustellen.

Durch die Unmöglichkeit bedingt, alle Bereiche des politischen Marketing im Rahmen dieser Arbeit ausführlichst zu diskutieren, werden in den folgenden Betrachtungen die Elemente der (politischen) Kommunikation, insbesondere der (politischen) Öffentlichkeitsarbeit vordringlich behandelt werden.

Dies steht durchaus im Einklang mit der Tatsache, daß, vor allem aus Gründen von Übertragungsschwierigkeiten vom kommerziellen zum politischen Marketing, der Hauptaugenmerk bisheriger Theorie sowie der täglichen Praxis bei Kommunikations- und Public Relations Aufgaben liegt. Es soll aber an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, daß für das politische Management noch erhebliches Entwicklungspotential in anderen Segmenten, wie zum Beispiel der sinnbildlichen Übertragung des Gedankengutes von Preis- oder Produktüberlegungen, steckt und diese durchaus zur Schaffung von weiteren Wettbewerbsvorteilen geeignet scheinen.

Neben den Ausführungen zum Thema „Internet" stellt dieses Kapitel den zweiten wichtigen Inputfaktor für die nachfolgenden Teile der Arbeit dar. Es wird daher auch hier versucht werden, die Sachverhaltsdarstellung möglichst breit zu halten. Für eine ausführliche Behandlung von Detailfragen soll daher an dieser Stelle wieder an einschlägige vorhandene Literaturressourcen verwiesen werden.

Marketing definiert

1. Marketing als Philosophie

Es ist müßig darauf hinzuweisen, daß Marketing in weiten Bevölkerungskreisen noch immer mit „Werbung" gleichgesetzt oder mit aggressiven Techniken der Absatzförderung wie Keilerei in Verbindung gebracht wird. Tatsächlich wird selbst in vielen Betrieben noch immer Marketing und Verkauf in einer Abteilung zusammengefaßt, wird also noch immer nicht wirklich zwischen den beiden Konzepten unterschieden.

Dies mag unter anderem daran liegen, daß sich vor allem im deutschsprachigen Kulturkreis nur wenige etwas unter dem nicht übersetzten Anglizismus vorstellen können. Doch selbst Definitionen von Marketing sind oft vage und für Außenstehende von wenig Aussagekraft.

Marketing Guru Philip Kotler schreibt zum Beispiel: „Marketing ist eine Aktivität, die darauf gerichtet ist, Bedürfnisse und Wünsche durch Austauschprozesse zu befriedigen."

Diese sehr breit gefaßte Definition hat jedoch den Vorteil, daß sich ein weites Feld von Anwendungsfällen darunter subsumieren läßt. Ursprünglich aus dem kommerziellen Umfeld kommend, wird die Grundkonzeption heute bereits in vielen anderen Bereichen adaptiert und umgesetzt. Politisches, soziales oder karitatives Marketing sind keine Unbekannten mehr, sondern wenden das ursprünglich auf Profit ausgerichtete Gedankengut erfolgreich für ihre Zwecke an.

Marketing unterscheidet sich aber auch essentiell von anderen im Management verwendeten Konzepten. Bisher verwendete Philosophien, sowohl im kommerziellen als auch im politischen Bereich, kamen und gingen und mit ihnen wechselte auch der jeweilige Fokus. So ist eine Evolution ausgehend von einer Produktion- bzw. Parteizentriertheit, über das Produkt und den Verkauf hin zum Marketing als zentrales Element erkennbar.

Nach obiger Definition bedeutet dies nun aber, daß alles Tun, das Management, auf die Befriedigung von Bedürfnissen und Wünschen ausgerichtet ist, der Mensch also wieder in den Mittelpunkt des Geschehens rückt. Dieser im Grunde positive Aspekt bekommt jedoch dadurch einen schalen Geschmack, da nicht gesagt wird, woher diese zitierten Bedürfnisse und Wünsche nun denn kommen. Die Definition läßt also Platz für aggressive Techniken, die mit dem wirklichen Marketinggedanken nur noch wenig zu tun haben, sondern deren Wurzeln eigentlich in der Verkaufsphilosophie zu suchen sind.

2. Marketing und Management

Bisher wurde immer nur von Grundgedanke, Konzeption oder Philosophie gesprochen. Praktische Relevanz erhält dies jedoch nur, wenn es mit eigentlichem Tun verbunden wird. Aussagekräftiger ist daher eine Definition des stattfindenden Prozesses. Kotler wieder definiert folgendermaßen: „Marketing-Management umfaßt die Analyse, Planung, Durchführung sowie die Kontrolle von Programmen, die dazu bestimmt sind, gewinnbringende Austauschprozesse mit einer bestimmten Zielgruppe zu entwerfen, aufzubauen und zu erhalten, in der Absicht, die Unternehmensziele zu erreichen."

Diese Beschreibung ist schon aussagekräftiger und läßt einige Rückschlüsse darüber zu, was denn nun zu geschehen hat. Während Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle generelle Bestandteile eines Managementprozesses sind und daher an dieser Stelle nicht näher darauf eingegangen werden muß, so sind zwei weitere Begriffe von enormer Wichtigkeit für das Verständnis der Marketing Idee.

Einerseits ist dies das Element der Zielgruppe, andererseits das der Erreichung der Unternehmensziele. Diese beiden führen geradewegs zu zentralen Punkten des Managementprozesses - der Definition von Zielen und Märkten.

Für jede Organisation muß es einen Zweck für ihre Existenz geben, ansonsten hätte niemand die Transaktionskosten einer Gründung auf sich genommen. Diese Mission oder Vision bildet die Grundlage und Rechtfertigung für jedes weitere Handeln und ihre Definition ist Aufgabe der obersten Führungsebene.

Direkt aus dem formulierten Zweck der Organisation leiten sich ihre einzelnen Ziele ab. Nach deren erfolgter Formulierung führt dies in Folge zu einer Entwicklung von geeigneten Strategien, um das Ist erfolgreich in das Soll zu transformieren. Zielerreichung ist also zentraler Gedanke der Organisation, dem jede andere betriebliche Tätigkeit unterzuordnen ist.

Obwohl also der Kerngedanke des Marketings die Befriedigung von individuellen Bedürfnissen und Wünschen ist, so geschieht das nicht aus purem Altruismus. Es ist ein Instrument der erfolgreichen Zielerreichung einer Organisation, was nie vergessen werden sollte.

Daraus folgt aber auch, zu behaupten der Anspruch des Marketings bestehe in einer Verbesserung der Verbraucherzufriedenheit oder gar Lebensqualität ist widersinnig. Im besten aller Fälle handelt es sich hierbei um erwünschte Nebeneffekte der Organisationstätigkeit, deren Ursprung in einer teilweisen Interessenskongruenz beider Partner, im kommerziellen Bereich des Produzenten und Konsumenten, zu suchen ist. Prinzipiell dient Marketing der Erreichung von Zielen und damit der Erfüllung einer Mission. Es strebt danach, den Nutzen einer Organisation zu erhöhen, indem es einer bestimmten Zielgruppe, mit der Austauschprozesse stattfinden, ebenfalls Nutzen zu stiften versucht.

Nun ist es bis auf wenige Ausnahmen unmöglich, alle Bedürfnisse und Wünsche aller Individuen zu erfüllen und dabei selbst noch zu profitieren. Es muß daher eine Auswahl getroffen werden, wer als Objekt der Marketingbemühungen in Frage kommt und wer nicht.

Marktsegmentierung, die Aufteilung und Gruppierung der Gesamtheit aller potentiellen Transaktionspartner nach verschiedenen Variablen, dient einerseits dazu, die Bereiche zu finden, die am besten dazu geeignet sind, zu einer Erreichung der Organisationsziele beizutragen, andererseits hilft es in Folge die ausgewählten Segmente auch effektiv zu bearbeiten. Es ist daher ein wichtiger Bestandteil der Marktdefinition und des zielgerichteten Marketings.

Eine erfolgreiche Segmentierung des Gesamtmarktes kann nach mehreren Kriterien erfolgen. Ziel ist es, in sich homogene Gruppen zu bilden, die nun durch Marketingaktivitäten effektiv angesprochen werden können. Die wichtigsten Faktoren zur Einstufung sind

  • geographische Variablen (Länder, Städte, Bevölkerungsdichte, Klimazone,....)
  • demographische Variablen (Alter, Geschlecht, Einkommen, Ausbildung,....)
  • psychographische Variablen (soziale Schicht, Lebensstil, Einstellungen,....)
  • verhaltensbezogene Variablen (Kaufgewohnheiten, Benutzungsfrequenz & -ort,....)
  • nutzenbezogene Variablen (psychischer, monetärer, sensorischer,.... Natur)
  • ...

Nach erfolgter Marktsegmentierung kann nun damit begonnen werden, jene Bereiche auszuwählen, die als Partner zukünftiger Aktivitäten am erfolgsversprechenden sind. Es bedarf eines effektiven Einsatzes des Instrumentariums der Marktforschung, um zu genauen Erkenntnissen über die einzelnen homogenen Gruppen zu kommen.

Eine Beurteilung erfolgt vor allem hinsichtlich der Substanz, das heißt hinsichtlich der Größe und Wichtigkeit eines Segmentes, dem Einklang mit den Organisationszielen sowie vorhandenen -ressourcen und der Zugänglichkeit des jeweiligen Teilmarktes. Anhand dieser Kriterien ist es nun möglich, eine oder mehrere Zielgruppen für das weitere Vorgehen zu bestimmen.

Marketingaktivitäten sind daher immer auf einen anvisierten Markt abgestimmt, über dem durch gezielte Primär- und Sekundäranalyse ausgiebige Kenntnisse bestehen. Marktforschung ist daher eine Bedingung, ein conditio-sine-qua-non zur effektiven Ansprache einer festgelegten Zielgruppe.

Die Frage nach dem „Wie?", den Instrumenten der geplanten Aktivitäten, wird durch die berühmten 4 P, dem Marketingmix beantwortet. „Product", „Place", „Price" und „Promotion" sind die Kernbereiche eines engeren Marketingbegriffes, des Marketings als Organisationsfunktion.

  1. ENGERES MARKETING - DER MARKETING MIX

Um die Zielgruppe, das einzelne Individuum auch zu erreichen, dessen Bedürfnisse und Wünsche zu befriedigen und aus den Austauschprozessen auch Profit zu ziehen, bedarf es einer Reihe von Aktivitäten. Diese werden meist als Marketing Mix oder engeres Marketing bezeichnet und kreisen um die vier zentralen Themenbereiche des Produktes, des Preises, des Platzes und der Promotion - den vier berühmten 'P' des Marketing.

Die Produktpolitik einer Organisation kümmert sich vor allem um jenen Bereich, der dafür sorgt, daß die Bedürfnisse und Wünsche eines Individuums auch tatsächlich befriedigt werden. Nur so wird der potentielle Partner eines Austauschprozesses auch zum tatsächlichen, nämlich wenn er sich entscheidet, das Angebot anzunehmen.

Der Begriff des Produktes ist dabei sehr weit gefaßt. Es handelt sich dabei nicht nur um tangible Güter, Dienstleistungen oder dergleichen, sondern um alles, das in der Lage ist, bei der Zielperson einen Nutzen zu stiften. Dazu zählen unter anderem auch Kundendienst, Verpackung, Markenpolitik, Etikettierung, Komplementärgüter, und vieles mehr.

Auf Seiten der Organisation ist dabei darauf zu achten, daß immer zumindest ein konkurrenzfähiges Produkt zur Verfügung steht. Damit sind auch Produktentwicklung, -positionierung, Lebenszyklusstrategien oder Sortimentspolitik zentrale Aufgabe des Produktmanagers.

Preispolitik beschäftigt sich hingegen primär mit der erwarteten Gegenleistung der Zielperson. Somit wird garantiert, daß der Austauschprozeß für beide Seiten nutzbringend ist.

Hier geht es vor allem darum, das eigene Produkt im Vergleich zur Konkurrenz zu bewerten und preislich zu positionieren. Die Entwicklung von Strategien auf längere Sicht, die Beurteilung ganzer Sortimente oder die Berücksichtigung von Sonderfaktoren wie Innovation und Substituierbarkeit gehört genauso zu den Aufgaben, wie die rasche Reaktion auf Änderungen der Marktgegebenheiten.

Die Distributionspolitik beschäftigt sich mit allen Bereichen rund um den Faktor „Platz". Sie ist daher dafür zuständig, daß das Produkt auch tatsächlich den potentiellen Benutzer erreicht, ist also für den Austauschprozeß selbst verantwortlich.

In den Bereich der Distributionspolitik fallen Entscheidungen über die Absatzkanäle, die Logistik, Absatzpartner und -formen etc. Sie haben großen Einfluß auf die Auswahl von Zielmärkten, angebotenem Service, dem tatsächlichen Sortiment und vieles mehr

Der vierte Bereich des Marketing Mixes ist die Kommunikationspolitik, das Management des Bereiches „Promotion". Sie sorgt für einen reibungslosen Ablauf der Informationsflüsse nicht nur zwischen den beiden Austauschpartner, sondern auch innerhalb der Organisation und mit Einflußgruppen in ihrem Umfeld.

  1. Kommunikationspolitik definiert
  2. ZUM WESEN DER KOMMUNIKATIONSPOLITIK

Die Kommunikationspolitik einer Organisation umfaßt alle Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, für das Marketing Management relevante Informationen an interne oder externe Einflußgruppen effizient und effektiv zu vermitteln.

So oder zumindest so ähnlich muß eine Definition zum Thema lauten und gibt Aufschluß darüber, was in Folge unter Kommunikationspolitik verstanden werden soll. Wichtig daran ist vor allem, daß es sich um Maßnahmen handelt, deren Hauptzweck es ist, Informationen zu vermitteln. Tätigkeiten, bei denen Kommunikation sozusagen nur als Nebenprodukt anfällt, werden damit ebenso exkludiert, wie Aktivitäten zur ausschließlichen Datensammlung, wie dies unter anderem im Bereich der Marktforschung passiert.

Zwar werden sowohl firmeninterne als auch externe Gruppen erfaßt, doch nur dann, wenn sie auf die zugrundeliegenden Austauschprozesse auch Einfluß nehmen könnten. Außerdem werden nur für das Marketing Management relevante Informationen inkludiert, wodurch der Speisezettel in der Betriebskantine natürlich nicht unter dem Begriff subsumiert werden kann. Während die Effizienz darauf hinweist, daß die Maßnahmen den wirtschaftlichen Grundnormen zu entsprechen haben, so bedeutet Effektivität den Einklang der Kommunikationsaktivitäten mit den Organisationszielen.

Am häufigsten wird zwischen persönlicher und Massenkommunikation unterschieden, obwohl die Grenzen im Zeitalter der Computertechnik immer mehr verschwimmen. Ein automatischer, persönlich adressierter und formulierter Serienbrief weist zum Beispiel Elemente beider Kategorien auf.

Eine weitere Einteilung kann über die verschiedenen Instrumente der Kommunikationspolitik erfolgen. Als wichtigste werden angeführt:

  • Werbung
  • Verkaufsförderung
  • Öffentlichkeitsarbeit
  • Persönlicher Verkauf

Doch Kommunikation darf keineswegs gesplittet gesehen oder gar betrieben werden. Insbesondere in Zeiten die von einer Informationsüberflutung, einer Verschärfung des generellen Wettbewerbs, erhöhter Systemkomplexität und damit gesteigerten Wissensanforderungen, sowie einem nachlassenden Interesse bei kritischer werdenden Konsumenten und einem geänderten Medienstil gekennzeichnet sind, bedarf es konzertierter, abgestimmter Aktionen. Integrierte Kommunikation wird zum allumfassenden Zauberwort

Nur wenn die Aktivitäten einer Organisation auch gezielt aufeinander abgestimmt sind, ist es heute möglich, seine Botschaft auch wirklich im Gedächtnis der Zielpersonen zu verankern. Formale, inhaltliche, geographische und zeitliche Kontinuität werden zur absoluten Notwendigkeit. Schlechte Bemühungen werden nicht einmal ignoriert und bedeuten daher eine nicht unerhebliche Ressourcenverschwendung, die sich in einem hoch kompetitiven Umfeld in einer Nicht-Erreichung der Organisationsziele auswirken wird.

Die Aufgaben integrierter Kommunikation müssen daher lauten:

  • Differenzierung und Profilierung, insbesondere zu den Konkurrenten
  • Schaffung von Identifikationspotentialen bei externen und internen Zielgruppen
  • Schaffung möglichst breiter Akzeptanz, Unterstützung und Kooperation
  • Ausnützung von Synergien und damit Kostensenkung

Doch wie aus der Abbildung über die verschiedenen Ebenen des Marketings klar ersichtlich ist, handelt es sich beim Bereich der Kommunikationspolitik nur um einen sehr kleinen Teil des weiten Feldes der zugrundeliegenden Marketing Philosophie. Nichtsdestotrotz ist es ein sehr wichtiges Segment, das im professionellen Management schon sehr bald erkannt und anerkannt wurde. Tatsächlich scheinen Kommunikationsaufgaben wie Werbung oder Öffentlichkeitsarbeit in vielen Organisationen, insbesondere im nicht-kommerziellen Sektor, das vorherrschende Element des Marketing Mixes zu sein.

Es verwundert daher nicht, wenn zum Beispiel Kotler schreibt: "Public Relations ist Marketing-Management, das von einem Produkt oder einer Dienstleistung auf eine Organisation übertragen worden ist." Damit wird nicht nur eine dominierende Stellung von Kommunikationspolitik gefordert, sondern gleich auf alle anderen Elemente des Marketinggedankens verzichtet.

Trotz der Tatsache, daß solch ein Verhalten empirisch oft nachzuweisen ist, sprechen doch gewichtige Punkte gegen ein solche Auffassung. Zum einen schränkt es den Marketinggedanken, die Befriedigung von Bedürfnissen und Wünschen durch Austauschprozesse, ziemlich stark ein. Zwar lassen sich Schwierigkeiten in der Übertragung des kommerziellen Konzeptes auf andere Bereiche wie die Politik, karitative, soziale oder ökologische Belange nicht verleugnen, nicht immer ist es einfach ein Produkt, den Preis oder die Vertriebskanäle eindeutig zu bestimmen, doch selbst im traditionellen, auf Verkauf und Profit ausgerichteten Marketing kommt es immer wieder zu ähnlichen Problemen.

Dennoch würde im kommerziellen Bereich niemand auf die Idee kommen, Kommunikationspolitik als einziges Instrument des Marketing zu sehen. Eine die wie oben gezeigte Sichtweise von Kotler, verhindert daher den Ausblick auf Potentiale in den Bereichen Produkt, Preis und Distribution. Schon alleine aus diesem Grund ist sie einschränkend und daher abzulehnen.

Zum anderen ist zu zweifeln, ob Kommunikation für sich isoliert denn überhaupt noch Marketing ist. Es fehlen die Eckpfeiler, die die gesamte Philosophie ausmachen. Um die notwendigen Austauschprozesse zur Bedürfnisbefriedigung überhaupt stattfinden lassen zu können, bedarf es, wie der Name schon sagt, eines Marktes und daher auch Angebot, das heißt Konkurrenz, und Nachfrage. Zumindest ohne Produkt und Preis ist aber ein Marktgeschehen undenkbar. Kann es dann aber noch Marketing sein?

Eine Antwort ist zweierlei möglich. Entweder man verfolgt die hier dargelegte Argumentationslinie, daß Marketing für Organisationen oder Personen nicht einfach gleichzusetzen ist mit Kommunikation oder noch eingeschränkter mit Öffentlichkeitsarbeit, oder man vertritt die Meinung, daß Public Relations ein für sich eigener Bereich ist, der Überschneidungen mit einer neu zu definierenden Konzeption des marktorientierten Handelns zeigt.

Nach einem empirischen Befund über die Praxis des sogenannten „Marketing" im nicht-kommerziellen Sektor wird man wohl anfangs in Richtung der letzteren der beiden Antworten optieren. Doch theoretisch konsistent ist nur die erste Argumentationslinie, die nicht nur die tatsächliche Dominanz der Kommunikationspolitik unbestritten läßt, sondern auch noch nicht genutzte Potentiale in anderen Bereichen des Marketing-Mix deutlich offen legt.

Für den politischen Bereich soll später in diesem Kapitel noch ausführlicher über Produkt, Preis und Distribution Stellung bezogen werden. Doch zuerst ist es nötig, näher auf das Thema Kommunikationspolitik einzugehen und deren Grundsätze und Elemente (im kommerziellen Bereich) vorzustellen.

  1. ELEMENTE DER KOMMUNIKATIONSPOLITIK

Neben den Kriterien des vergangenen Abschnittes ist es ferner möglich, die Instrumente der Kommunikationspolitik auch nach ihrem vorherrschenden Objekt, dem Produkt oder der Organisation als ganzes, zu kategoriesieren.

Im folgenden können die einzelnen Instrumente nun näher vorgestellt werden.

  1. Werbung

Werbung ist das Massenkommunikationsmittel schlechthin. Mit ihr ist der Mensch von heute tagtäglich konfrontiert. Ob durch Plakate, Zeitungsinserate, Fernsehspots oder andere Formen, überall versuchen Organisationen ihre ganz besondere Botschaft zu transportieren.

Demzufolge kann Werbung definiert werden, als „der bewußte, gezielte und kostenverursachende Einsatz spezieller (Massen-) Kommunikationsmittel zur Kundenbeeinflussung."

Das Aufstellen von Plakatwänden, der Druck von Prospekten, die Schaltung von Inseraten oder der Ankauf von Werbezeit verursacht Kosten. Demzufolge kann Werbung nicht alleine kreative Tätigkeit sein, sondern muß, um die Ziele der Organisation auch zu erreichen, bewußt geplant sein.

Im Zentrum einer kreativen Kommunikationsstrategie stehen daher drei zu beantwortende Fragen:

  • Wer oder was ist unsere Konkurrenz? Es ist wichtig, den nutzenstiftenden Aspekt eines Produktes zu erkennen. Nur so kann Werbung wirklich effektiv gestaltet werden. Kampagnen eines marktbeherrschenden Kartonherstellers müssen zum Beispiel anders aussehen, als die des gleichen Unternehmens, wenn man es als kleinen Mitspieler in der großen Welt der Verpackungsindustrie betrachtet.
  • Wen wollen wir ansprechen? Marketing, und damit auch Werbung, ist zielgruppenorientiert. Deshalb sollte sich eine Organisation im Klaren darüber sein, welche Bedürfnisse sie bei wem befriedigen will. Dies ist vor allem dann nicht einfach, wenn sich für ein Produkt plötzlich ganz andere Personen interessieren, als die ursprünglich intendierten. Dies muß zwangsläufig eine Änderung der Werbestrategie mitsichbringen.
  • Was soll die Zielperson wissen, fühlen oder verstehen? Diese Frage bezieht sich auf die tatsächliche Werbebotschaft die transportiert werden soll. Hier ist Kreativität gefragt, vor allem um sich von Konkurrenten zu unterscheiden, und um das Werbeziel auch zu erreichen.

Massenkommunikation hat den großen Vorteil, daß die gleiche Information immer und immer wieder ausgesendet werden kann. Der große Nachteil im Versuch der gezielten Kundenbeeinflussung ist die fehlende Überzeugungskraft. Zuviel und zu aufdringliche Werbung kann sogar den gegenteiligen Effekt erzielen. Wird eine potentielle Einflußnahme auf das Verhalten oder die Meinungsfreiheit perzeptiert, so kommt es zu einer dem Reiz entgegengesetzten Trotzreaktion, der sogenannten psychologischen Reaktanz.

Zutaten für eine erfolgreiche Werbestrategien sind daher Einfachheit, daß sie auch von jedem gleich verstanden wird, Ausdrücklichkeit, damit das Ziel der Botschaft auch sofort erkannt werden kann, Dauerhaftigkeit, um die Vorzüge des Massenmediums zur Geltung zu bringen und die Erkennbarkeit neuer Kampagnen zu erhöhen, und Relevanz, die der Nachricht auch die nötige Wichtigkeit zuordnet.

Werbung, in den traditionellen Formen oder auch durch Innovationen wie Sponsoring etc., kann sowohl für ein Produkt, als auch für das Image der vorgelagerten Organisation gemacht werden. Ziel ist die positive Kundenbeeinflussung und damit Absatzförderung.

Der persönliche Verkauf geht in dieselbe Richtung, doch handelt es sich hier um eine Form der direkten Kommunikation.

  1. Persönlicher Verkauf

Weitaus wirksamer als Werbung ist der persönliche Verkauf. Da aber nur eine oder wenige Zielpersonen auf einmal erreicht werden können, ist er auch um einiges teurer als andere Kommunikationsinstrumente. Im Zentrum des persönlichen Verkaufs steht der direkte Kontakt zwischen einem Verkäufer und einem oder mehreren potentiellen Kunden.

Über die Ziele herrschen jedoch geteilte Auffassungen. Während Kotler die Erzielung von Verkäufen in den Vordergrund stellt, sieht zum Beispiel Mühlbacher den Austausch von Informationen als Hauptelement. Tatsächlich tritt von Zeit zu Zeit aber auch beides in den Hintergrund. Ein Stand bei einer renommierten Messe kann sowohl zum Verkauf, als auch zum Informationsaustausch genutzt werden. Als Hauptziel ist jedoch die Prestige- oder Bekanntheitssteigerung der ganzen Organisation denkbar. Da hier das Produkt in den Hintergrund tritt, ist wohl der Zweck des persönlichen Verkaufs dort zu sehen, wo er ursächlich zu suchen ist: In der Erreichung der Organisationsziele durch den direkten Kontakt mit der Zielgruppe.

Sowohl Elemente der persönlichen als auch Massenkommunikation weisen die letzen beiden Instrumente des „Promotion Mix" auf. Die Unterscheidung erfolgt jedoch nach der hauptsächlichen Orientierung der Aktivität: Produkt oder Image

  1. Verkaufsförderung

Die Verkaufsförderung hat, wie der Name schon sagt, klar die Steigerung des Absatzes und damit das Produkt im Visier. Da es sich um eher kurzfristige Maßnahmen handelt, ist sie auch zum Einsatz der Imagepflege einer Organisation ungeeignet.

Je nach Zielgruppe der Verkaufsförderung lassen sich unterscheiden:

  • Staff Promotion: Richtet sich an die eigenen oder fremde Absatzorgane. Beispiele sind Prämiensysteme, Schulungen, Informationen, etc. Damit soll versucht werden, die tatsächlichen Verkäufer auf die Seite des eigenen Produktes zu ziehen und so den Absatz anzukurbeln.
  • Merchandising: Richtet sich auf die Absatzmittler. Es handelt sich um Maßnahmen wie Displaymaterial, Sonderplazierungen, schriftliche Informationen, Propagandisten (Hostessen) oder dergleichen, die von der Organisation zur Verfügung gestellt werden, um den Verkauf an Ort und Stelle zu fördern.
  • Consumer Promotion: Richten sich direkt an den potentiellen Kunden. Dies kann entweder vor dem Kauf, durch Musterproben, Flugblättern, Prospekte, Preisausschreiben oder dergleichen, oder aber beim Kauf, durch Maßnahmen wie Zugaben, Tragetaschen oder Sonderpreise etc., erfolgen.

Weitaus komplizierter gestaltet sich hingegen die persönliche und massenmediale Kommunikation in Zielrichtung der Organisation als ganzes, beziehungsweise deren Image, Bekanntheitsgrad, etc. Öffentlichkeitsarbeit ist neben Werbung wohl eines der komplexesten Instrumente.

  1. Öffentlichkeitsarbeit

Öffentlichkeitsarbeit, oder Public Relations, umfaßt ein sehr breites Tätigkeitsgebiet, weshalb es nur schwer verständlich scheint, daß es sich lediglich um ein Teilgebiet der Kommunikationspolitik handelt. Insbesondere in Bereichen des Marketings für Organisationen oder Personen nimmt Public Relations eine zentrale Stellung ein, die andere wichtige Instrumente oft vergessen läßt.

Die Wurzeln der Öffentlichkeitsarbeit gehen bis in das 19. Jahrhundert zurück. Der Rechtsanwalt Dorman Eaton soll an der Yale Law School 1882 als erster den Begriff „public relations" verwendet haben. Die Notwendigkeit der Pflege von Beziehungen zwischen einer Organisation und der Öffentlichkeit geht daher viel weiter zurück als der eigentliche Marketing Gedanke.

Im deutschsprachigen Bereich richteten kommerzielle Unternehmen wie Krupp, Bahlsen, AEG, Siemens, Henkel oder Bayer Ende des 19. Jahrhunderts erstmals Pressebüros ein, die mit den heutigen Kommunikationsstellen vergleichbar sind, den Begriff „Öffentlichkeitsarbeit" jedoch noch nicht kannten. Bereits als Folge der Märzrevolution gab es 1848 in Berlin ein „Ministerialzeitungsbüro", Vorläufer heutiger Pressestellen und erstes Anzeichen politischer Öffentlichkeitsarbeit.

Den Grund für die Notwendigkeit der Öffentlichkeitsarbeit liefert Bernays: „The rise of the modern public relations counsel is based on the need for and the value of his services. Perhaps the most significant social, political and industrial fact about the present century is the increased attention which is paid to public opinion, not only by individuals, groups or movements that are dependent on public support for their success, but also by men and organizations which until very recently stood aloof from the general public and were able to say, 'The public be damned.'"

Dem entsprechend läßt sich folgende Definition ableiten:

„Unter Öffentlichkeitsarbeit versteht man die planmäßige Gestaltung der Beziehung zwischen Unternehmen und verschiedenen Teilöffentlichkeiten mit dem Ziel, bei diesen Teilöffentlichkeiten Vertrauen und Verständnis zu gewinnen bzw auszubauen."

Public Relations trägt also der Tatsache Rechnung, daß es in einer interdependenten Welt unmöglich ist, isoliert von seiner Umwelt zu handeln. Teilöffentlichkeiten sind daher interne oder externe Personen oder Gruppen, die aus irgendeinem Grund auf das Marketing Management einer Organisation Einfluß nehmen wollen oder könnten.

Daraus folgt jedoch, daß eine Vielzahl von verschiedenen Öffentlichkeiten denkbar ist, deren Interessen nicht nur mannigfaltig, sondern oft auch widersprechend sind. Gegenseitige Abhängigkeiten und multilaterale Kommunikation untereinander potenzieren zusätzlich die Komplexität eines effektiven Managements der Beziehungen.

Die in der Abbildung angeführten acht Kategorien von Teilöffentlichkeiten stellen nur eine willkürliche Auswahl dar. Tatsächlich hängt es vom jeweiligen Organisationstyp und dem Umfeld ab, welche Einflußgruppen im Umfeld zur Zielerreichung wichtig sind. So sind durchaus noch andere Kategorien denkbar, in denen sich relevante Teilöffentlichkeiten bilden könnten. Religionsgemeinschaften, das Ausland oder das organisierte Verbrechen sind Beispiele, die sicherlich von Fall zu Fall in die Public Relations Aktivitäten miteinbezogen werden müssen.

Wie schon erwähnt, handelt es sich bei Öffentlichkeitsarbeit um ein Kommunikationsinstrument, das vorwiegend der Organisation selbst oder deren Image dient. Es soll jedoch nicht verleugnet werden, daß Public Relations grundsätzlich auch zur Absatzförderung eines Produktes herangezogen werden kann.

Zwar pflegen die meisten Einflußgruppen aus jeweils ganz speziellen Gründen Kontakt mit einer Organisation, Kapitalgeber interessiert meist nur die zu erwartende Rendite und die Sicherheit der Geldanlage, doch ist es möglich, um ein Produkt eine künstliche Öffentlichkeit aufzubauen. Publicity ist immer noch ein äußerst wirkungsvolles und vor allem billiges Mittel der Absatzförderung, das vor allem kostspielige Werbung zumindest partiell substituieren kann.

Die eigentliche Absicht von Öffentlichkeitsarbeit sollte jedoch sein, langfristige Beziehungen mit den jeweiligen Teilöffentlichkeiten aufzubauen. Aus diesem Grunde sind kurzfristige Verkaufserfolge nur als Nebenziel von Public Relations zu sehen. Deshalb wird in dieser Arbeit auch die Rolle als Kommunikationsinstrument für die Organisation selbst in den Vordergrund gestellt.

Eine weitere Definition von Öffentlichkeitsarbeit lautet daher: „Public relations is a communication function of management through which organizations adapt to, alter, or maintain their environment for the purpose of achieving organizational goals."

Oder anders formuliert, sie „.... drückt ein Dreifaches aus: Arbeit in der Öffentlichkeit, Arbeit für die Öffentlichkeit, Arbeit mit der Öffentlichkeit."

Nach dieser Einführung in das Marketing und in die Kommunikationspolitik kann nun das Konzept erfolgreich für den politischen Bereich adaptiert werden. Dies soll im folgenden Abschnitt geschehen.

  1. Politisches Marketing und politische Kommunikation
  2. VOM KOMMERZIELLEN ZUM POLITISCHEN MARKETING

Gleich vorweg: „Politisches Marketing" ist kein Synonym für „politische Kommunikation". Vielmehr ist letzteres ein zwar wichtiger, aber nur Teilbereich des ersteren. Die Gründe hierfür wurden schon im vorhergehenden Abschnitt kurz angeschnitten. Im folgenden sollen die Argumente für den politischen Bereich präzisiert werden.

Politisches Marketing ist die konsequente Übertragung der aus dem kommerziellen Bereich stammenden Marketing Philosophie und des Management Prozesses auf den politischen Wählermarkt, sowie die erfolgreiche Adaptierung der entsprechenden Instrumente von Produkt-, Preis-, Distributions- und Kommunikationspolitik.

Interessanterweise liegen die Probleme einer wissenschaftlichen Betrachtung weniger in der tatsächlichen Übertragung des Konzeptes, als zum einen in einem schlampigen Umgang mit der entsprechenden Terminologie, die zu scheinbar unüberbrückbaren theoretischen Barrieren führt, und zum anderen in den überschätzten Unterschieden zwischen dem kommerziellen und politischen Bereich.

Gutes Beispiel dafür sind die Ausführungen von Maarek, dessen Erkenntnisse zum Thema Marktsegmentierung und Kandidatenpositionierung hervorragende Einsichten in die Tätigkeit eines politischen Managers geben, der aber auch Mängel im Verständnis des Marketinggedankens und der Übertragung in die Politik aufweist.

So bestreitet er die Möglichkeit der Adaption kommerzieller Methoden für den politischen Bereich, da „.... the object in question is of a fundamentally different nature."

Er moniert, daß Marketing den symbolischen Wert eines Produktes erhöht, der zusammen mit dem praktischen Wert beim Konsumenten den Kaufreiz auslöst. Da aber die Stimmabgabe von praktisch keinen Nutzen für den Wähler begleitet sei, würde dies zu keiner Bedürfnisbefriedigung beim Individuum und damit zur Nicht-Übertragbarkeit des kommerziellen Instrumentariums führen.

Es stellt sich konsequenterweise nun aber die Frage, warum jemand denn überhaupt an einer Wahl partizipieren sollte, wenn Politik kein Wählerbedürfnis befriedigen kann. In Abwesenheit von Zwang, also ohne Wahlpflicht, gibt es nur eine gültige Lösung: Der Wähler sieht im Urnengang sehr wohl einen Nutzen. Welchen genau, bleibt vorerst ein Rätsel, doch steckt die Antwort in den Wurzeln der Theorien zur Begründung der Staatstätigkeit.

Am politischen Markt treffen nun Anbieter, also Parteien oder Personen, und Nachfrager, die Wähler, zusammen, um ihre Bedürfnisse durch Austauschprozesse, Stimme gegen Produkt, zu befriedigen. Da mehrere Anbieter, mehrere Nachfrager und mehrere Produkte existieren, sind wie im kommerziellen Bereich alle Faktoren vorhanden, die eine Markttätigkeit sichern. Das besondere ist nur, daß die Austauschprozesse nicht vollkommen frei, sondern unter starker Regulierung zu erfolgen haben und der Preis, eine Stimme, schon im vorhinein feststeht.

Marketing, die Wissenschaft oder Kunst einen Markt zu bearbeiten, kann daher sehr wohl auch für den politischen Bereich übernommen werden. Daß die Übertragung der Konzepte nicht eins zu eins erfolgen kann, das sollte jedem klar sein. Die spezifischen Charakteristika des politischen und kommerziellen Marktes bedürfen einer Anpassung der Instrumente an die jeweiligen Gegebenheiten. Doch bei konsequenter Anwendung der Marketing Philosophie sind diese nicht so groß, wie man eigentlich denken könnte.

Die immer wieder hervorgeholten Unterschiede zwischen kommerziellen und politischen Marketing erweisen sich bei näherer Betrachtung oft als unrichtig beziehungsweise verzerrt durch falsche Vorstellungen über die wirtschaftliche Praxis im Kampf mit der Konkurrenz.

Es läßt sich darüber streiten, ob politische Organisationen oder Unternehmen bessere Daten zur Marktanalyse zur Verfügung haben und wer von den beiden die günstigeren Umstände zu einer effektiven Marktsegmentierung vorfindet. Verändert man nämlich die Perspektive weg vom allmächtigen multinationalen Großunternehmen hin zum kleinen Produzenten, so ändert sich auch das Bild über den Kommerz und damit erst recht hinsichtlich seiner Marketingmöglichkeiten.

Klarerweise wird im Durchschnitt die Wirtschaft über die deutlich besseren Vertriebsorganisationen verfügen, doch hinsichtlich der Produktgestaltung kommt man wieder sehr schnell ins Grübeln, ob ein Friseur mehr Spielraum als beispielsweise ein Politiker hat. Außerdem: Handelt es sich bei den Parteien nicht auch um eingeführte Marken mit treuer Käuferschicht, der Stammwählerschaft?

Unterschiede zwischen Kommerz und Politik sind sicherlich gegeben. Mit ein bißchen Phantasie und Kreativität lassen sich diese jedoch sicherlich überwinden.

Der zweite große Problembereich ist die schlampige Verwendung oder unklare Terminologie. Maarek schreibt zum Beispiel: „'political marketing' is the general method of 'political communication', one of its means." Obwohl er später dabei auch Wert auf die Feststellung legt, daß politische Werbung nur ein Teil politischer Kommunikation ist, ignoriert er, daß diese wiederum nur ein Bereich des gesamten politischen Marketing Prozesses darstellt. Es wird auch hier wieder auf die Produkt-, Preis- und Distributionspolitik vergessen.

Es bleibt daher festzustellen: Politisches Marketing ist die Anwendung der Marketing Philosophie auf den politischen Bereich, politisches Marketing Management ist die Adaption des kommerziellen Gegenstücks und der politische Marketing Mix besteht ebenso aus den vier P: „product", „price", „place" und „promotion".

  1. POLITISCHES MARKETING MANAGEMENT

Das politische Marketing Management, die Marketing Kampagne, besteht aus drei Teilen: Markt (Wähler) Segmentierung, Kandidatenpositionierung und Strategieformulierung / -implementierung.

Marktsegmentierung und Kandidatenpositionierung entspringt der simplen Erkenntnis, es nicht allen recht machen zu können. Aus Gründen der Vollständigkeit sollen sie kurz vorgestellt werden, obwohl der Fokus dieser Arbeit in einem anderen Bereich liegt. Die Strategieimplementierung und die dafür notwendigen Instrumente, insbesondere die politische Kommunikation, werden ausführlicher im nächsten Abschnitt behandelt werden.

Segmentierung und Positionierung folgt der Idee, den Gesamtmarkt in homogene Gruppen zu unterteilen und diese dann näher zu untersuchen. Auf diese Weise erhält man sowohl Daten über das Segment selbst, zum Beispiel seine Größe, als auch Aussagen über das typische Mitglied und Aufschluß über die jeweiligen homogenen Bedürfnisse.

Nach einer Analyse der Stärken und Schwächen des Kandidaten und seiner Konkurrenz ist es nun möglich, jene Teilmärkte auszuwählen, von denen man sich die größte Unterstützung erwartet und die zueinander komplementär sind. Nun kann man beginnen, ein Kandidatenimage zu kreieren, das am besten die Kernkompetenzen des Politikers und die Bedürfnisse der Wähler der selektierten Segmente trifft.

Tatsächlich ist aber auch der umgekehrte Vorgang denkbar, indem man die Stärken und Schwächen eines Kandidaten als auch sein bereits bestehendes Image charakterisiert und gemäß diesen Kriterien dann, unter Berücksichtigung der Konkurrenz, die erfolgsversprechendsten Teilmärkte auswählt. Wichtig ist das zielgruppenorientierte Vorgehen. Ein Bündeln der Aktivitäten und Kräfte auf die selektierten Segmente, um so die Effizienz der Arbeit zu erhöhen.

Daß solch eine Strategie vor allem im personenzentrierten Mehrheitswahlkampf der USA Erfolg haben kann, zeigt das Beispiel des Demokraten Reverent Robert F. Drinan in den Vorwahlkämpfen für den vierten Kongressbezirk in Massachusetts im Jahr 1970. Obwohl krasser Außenseiter gegenüber einen langjährigen Amtsinhaber, konnte er das Rennen am Ende doch für sich entscheiden.

Ausschlaggebend war eine erfolgreiche Segmentierung der Wählerschaft und anschließende Mobilisierung in der Phase der Strategieimplementierung. Er verwendete vier entscheidende Variablen, um schließlich „seinen" Teilmarkt zu bestimmen:

  1. Geographische Segmentierung: Aus der Bevölkerung Bostons wurden nur jene des vierten Wahldistrikts ausgewählt.
  2. Demographische Segmentierung: Alle noch nicht wahlberechtigten Bürger unter 18 Jahren wurden ausgeschieden.
  3. Psychographische Segmentierung: Anhänger der Republikaner oder anderer wurden ebenfalls gestrichen.
  4. Nutzen Segmentierung: Der verbleibende Rest an wahlberechtigten Demokraten, Sympathisanten oder Unentschlossenen die im vierten Bezirk heimisch waren, wurden in drei Gruppen eingeteilt. Jene, die Drinan unterstützten, jene, deren tatsächliches Verhalten noch unbestimmt war, und jene, die Gegner wählen würden.

Obwohl der verbleibende Teil der potentiellen Wählerschaft ein kleiner war, kam man doch noch zum Erfolg. Durch gezielte Maßnahmen in der Implementierungsphase gewann man die Drinan Befürworter massivst an den Vorwahlen teilzunehmen, zog man das Segment der noch unentschlossenen Demokraten auf seine Seite und wiegelte die Anhänger der Gegner in Sicherheit, um sie so von den Urnen fernzuhalten.

Durch die traditionell geringe Wahlbeteiligung konnte man trotz einer an der Gesamtbevölkerung gemessenen Unterrepräsentiertheit eine Mehrheit erzielen.

Noch viel erfolgversprechender ist die Anwendung der Marktsegmentierung und Kandidatenpositionierung in Ländern mit Verhältniswahlrecht. Da man hier nicht unbedingt gezwungen ist, eine Mehrheit zu erzielen, um auch Mandate zu gewinnen, ist es möglich, erfolgversprechende Segmente entsprechend vorhandener Kernkompetenzen auszuwählen und eine wirkungsvolle Nischenpolitik zu betreiben. Genauso wie im kommerziellen Bereich ist es nicht nötig, unbedingt Marktführer zu sein, um tatsächlich die Organisationsziele zu erreichen.

Fehlende Segmentierung und Positionierung kann aber auch ein Grund für Mißerfolg werden. Ein Beispiel dafür stellen konservative und sozialdemokratische Großparteien in Europa dar. Im traditionellen links-rechts Schema belegten sie je ein Ende. Nimmt man jedoch eine normalverteilte Bevölkerung an, so mußten beide in Richtung Mitte tendieren, um auch tatsächlich an Wählern zu gewinnen.

Das Ergebnis einer solchen Tendenz ist die Entfernung der Großparteien von ihren eigentlichen Lagern und Wählerstammschichten. In der Suche nach Hegemonie und Mehrheit werden sie sich immer ähnlicher und ununterscheidbarer. Dies bleibt jedoch ohne Folgen, solange das Angebot auf zwei Parteien, zwei Produkte beschränkt bleibt. Einzige Auswirkung ist eine zunehmende Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Politik selbst, da sie sich immer weiter von den eigentlichen Bedürfnissen der Wähler entfernt.

Problematisch für die traditionellen Parteien wird die Entwicklung erst bei Auftreten einer dritten starken wahlkämpfenden Organisation. Wenn es dieser gelingt, große nach Bedürfnissen segmentierte Bereiche zu besetzen, die teilweise ruhig an einem der beiden Enden des links-rechts Schemas liegen können, so wird sie erfolgreich sein, da sie mit ihrem Angebot, ihrer Politik näher am Konsumentenwunsch liegt.

Für die Großparteien bedeutet dies jedoch einen Wählerverlust, obwohl sie sich scheinbar in Richtung stark bevölkerte Mitte begeben. Außerdem ist es für Kleinparteien möglich, Nischenpolitik zu betreiben und Segmente zu belegen, in denen sie von den großen Konkurrenten unbehelligt bleiben, da sich für diese der Kampf um kleine Bereiche nicht lohnen würde.

Jede noch so gute Strategie muß jedoch erfolglos bleiben, wenn sie nicht richtig implementiert wird. Die Instrumente hierfür liefert der politische Marketing Mix, der im folgenden Abschnitt diskutiert werden wird.

  1. STRATEGIE IMPLEMENTIERUNG - DER POLITISCHE MARKETING MIX

Die Instrumente zur Zielerreichung in der Politik sind wie im kommerziellen Bereich die berühmten vier P des Marketing. Da diese sich jedoch teilweise von denen zum Beispiel von Newman vorgeschlagenen unterscheiden, sollen sie hier nochmals vorgestellt werden.

  1. Politische Produktpolitik

Eine Streitfrage ist immer wieder die Diskussion um das politische Produkt. Ist es der Kandidat, die Kommunikation, das Parteiprogramm, Versprechungen, Vergünstigungen, Image oder ganz etwas anderes? Zu Klärung soll die Produktdefinition von Kotler herangezogen werden:

„ Ein Produkt ist alles, was einem Markt zwecks Erlangung von Aufmerksamkeit, zum Erwerb, zum Gebrauch oder Verbrauch angeboten werden kann und geeignet ist, Wünsche oder Bedürfnisse zu befriedigen. Es umfaßt konkrete Objekte, Dienstleistungen, Personen, Orte, Organisationen und Ideen."

Der zentrale Punkt ist, daß Produkte Mittel zur Befriedigung von Wünschen und Bedürfnissen sind. Für den politischen Markt heißt das, das Produkt ist die Politik selbst. Wenn ein Individuum zur Wahl geht, dann ist es sich durchaus darüber im Klaren, daß es für seine Stimme die Vertretung der eigenen Interessen für die nächste Legislaturperiode erkauft. Da tut es auch nichts zur Sache, daß es zu keiner vollständigen Kongruenz zwischen Produkt und Bedürfnis kommen kann, da das Ergebnis eines indirekten demokratischen Prozesses immer ein Kompromiß aller verschiedenen Interessen sein muß.

Somit ist es auch klar, daß das politische Produkt, wie zum Beispiel auch Newman feststellt, eine Dienstleistung darstellt. Ein Vergleich mit dem Konsumgütermarketing kann daher nur eingeschränkt erfolgen und führt unweigerlich zu den oft kolportierten Schwierigkeiten in der Übertragung des kommerziellen Konzeptes in den sozialen Bereich.

Dienstleistungen sind vor allem dadurch gekennzeichnet, daß ihre Produktion nicht von der Konsumption getrennt werden kann. Sie sind daher unweigerlich mit dem Leistungsanbieter, dem Politiker oder der Partei, verbunden. Ein großer Unterschied zwischen politischen und kommerziellen Produkt besteht jedoch darin, daß aus diesem Grund normalerweise der Konsument zum Produzent oder umgekehrt kommen muß, da reine Dienstleistungen weder lagerungs- noch transportfähig sind. In der Politik jedoch erfolgt Konsumption und Produktion an verschiedenen Orten.

Da neben dem Preis die Qualität der Dienstleistung das ausschlaggebende Kriterium des Kaufes ist, muß diese somit dem potentiellen Käufer erst kommuniziert werden. Die Kommunikation selbst, das Vermitteln der eigenen Leistung, wird somit Bestandteil des politischen Produktes. Es nützt nichts, gute Arbeit in der Politik zu leisten, wenn es nicht möglich ist, dies auch effektiv dem Wähler klar zu machen.

Es sei jedoch davor gewarnt, den umgekehrten Fall zu versuchen: Schlechte Politik, die erfolgreich als gut verkauft wird, rächt sich früher oder später und zwar dann, wenn die Wahrheit ans Licht kommt. Den Konsumenten zu hintergehen hat sich noch nie als geeignetes langfristiges Erfolgsrezept erwiesen.

Produkte müssen jedoch auch über ihren gestifteten Nutzen definiert werden. Obwohl durch die Unzulänglichkeiten einer Nutzenmessung bedingt, daraus kein objektiver Qualitätsvergleich einzelner Angebote möglich ist, so sollen hier doch mögliche Nutzen für den Wähler vorgestellt werden, die es erlauben, die eigene Dienstleistung besser zu positionieren.

Es darf jedoch nicht vergessen werden, daß, obwohl es fünf mögliche Nutzenfunktionen gibt, das Produkt immer das gleiche bleibt. Die Positionierung ändert daran nichts. Ein Kurzhaarschnitt bleibt ein Kurzhaarschnitt, gleich ob er als praktisch oder modisch jung verkauft wird.

Die verschiedenen Möglichkeiten in der Politik Nutzen zu stiften, werden in der folgenden Tabelle angeführt und zum besseren Verständnis kurz erläutert:

funktionaler Nutzen

Bezieht sich auf die tatsächlichen Maßnahmen die ein Kandidat setzt, sobald er seine Funktion ausübt

sozialer Nutzen

Bezieht sich auf die Identifikation mit einem stereotypen Kandidaten aus dem gleichen sozialen Wählersegment

emotionaler Nutzen

Bezieht sich auf die Persönlichkeit des Kandidaten, die beim Wähler positive Emotionen hervorruft

hypothetischer Nutzen

Bezieht sich auf die Generierung einer einzigartigen Kompetenz für einen hypothetischen Bedarfsfall in der Zukunft

stilistischer Nutzen

Bezieht sich auf den Reiz des Kuriosen, des Neuen, oder dergleichen, der mit einem Kandidaten verbunden ist.
  1. Tabelle 2: Mögliche Nutzen des politischen Produktes

Soviel zu den Ausführungen hinsichtlich des politischen Produktes. Neben der Qualität eines Produktes ist jedoch auch sein Preis ausschlaggebend. Auch hier sind einige Besonderheiten zu beachten.

  1. Politische Preispolitik

Der Preis ist jener Teil des Austauschprozesses, der dafür sorgt, daß das Geschäft für beide Seiten lukrativ abgeschlossen werden kann. Besonderheit im politischen Marketing ist, daß der absolute Preis mit einer Stimme fixiert wird.

Dies hat durchaus seinen Sinn, wenn man bedenkt, daß Politik ein reines öffentliches Gut ist. Das heißt, das Produkt wird charakterisiert durch Nicht-Ausschließbarkeit und Nicht-Rivalität der Marktteilnehmer. Jedes rationale Individuum würde daher seine Präferenzen für die Produktion verheimlichen, um so als Trittbrettfahrer auf Kosten anderer partizipieren zu können.

Es ist daher logisch, das politische Produkt öffentlich bereitzustellen und die Kosten die Allgemeinheit tragen zu lassen. Trotzdem muß eine Entscheidung über die Qualität und Quantität gefällt werden. Dies geschieht durch Wahlen, an denen sich mehrere konkurrierende Gruppen beteiligen.

Da jede Partei, jeder Kandidat für eine andere Politik steht, wird dadurch indirekt über die zu erwartende Belastung und damit den eigentlichen Preis abgestimmt. Der politische Preis determiniert sich folgerichtig aus der Qualität und Quantität des zu erwartenden politischen Produktes. Etwas salopp ausgedrückt, jedes Land bekommt die Regierung, die es sich leisten will.

Zusätzlich entstehen bei einer Wahl noch Opportunitätskosten durch die Aufgabe möglicher anderer Alternativen. Die Entscheidung für das Programm X macht es unmöglich, vorhandene Vorteile des Programmes Y zu konsumieren. Da keine Politik alle Bedürfnisse und Wünsche befriedigen kann, entstehen daher für den Wähler Opportunitätskosten, die aufgrund ihrer Subjektivität und Abhängigkeit vom Wahlsystem nicht näher quantifiziert werden können.

Wie bei der Produktpolitik gilt jedoch auch beim Preis: Die Kosten der qualitäts- und quantitätsmäßigen Politikproduktion, schließlich besteht ein preislicher Unterschied zwischen einem schwachen oder starken Staat, müssen erst kommuniziert werden. Dem Wähler ist nicht im vorhinein klar, was ihm eine Stimme für den jeweiligen Wahlwerber tatsächlich kosten wird. Die Kommunikation wird also auch hier zum zentralen Element.

Interessant hinsichtlich des Preisaspektes ist auch, ob die Bezahlung, die Stimme, vor oder nach der Konsumption erfolgt. Theoretisch gilt ersteres: Mit einer Wahl fällt die Entscheidung über die kommende Legislaturperiode. Der Wähler sollte daher danach richten, was er von den Kandidaten für die Zukunft an Politik erwartet.

In der Praxis ist der Fall jedoch nicht mehr so eindeutig. Oft wird bei einer Wahl darüber entschieden, wie das Individuum die Leistungen der vergangenen Legislaturperiode beurteilt. Darauf beruht nicht nur der empirisch beobachtbare Vorteil des Amtsinhabers, sondern auch das Konzept der „Denkzettelwahl". Es ist jedoch an dieser Stelle unmöglich zu sagen, was ausschlaggebender ist: Die Versprechungen für die Zukunft oder die tatsächlichen Leistungen der Vergangenheit.

In eine ähnliche Richtung wie bei Produkt und Preis geht die Argumentation bei der politischen Distributionspolitik.

  1. Politische Distributionspolitik

Wie an früherer Stelle festgestellt, erfolgt die Produktion des politischen Produktes getrennt von der Konsumption. Die Instrumente, die dazu dienen diese Distanz zu überwinden, sind Mittel der politischen Distributionspolitik.

Da es sich bei Politik um eine Dienstleistung handelt, wird jedoch nicht das eigentliche Produkt selbst, sondern nur eine Auffassung darüber übermittelt. Die Vertriebsorganisation versorgt also den Konsumenten lediglich mit Informationen über die tatsächliche Ausgestaltung, Quantität und Qualität, des politischen Produktes. Aufgabe der Distributionspolitik ist daher Sicherstellung und Beeinflussung der Kommunikation.

Es sind zwei Möglichkeiten des Vertriebes denkbar:

  • Push Marketing: Bedient sich einer Partei- oder Wahlkampforganisation, die mobilisiert wird, um die Botschaft tatsächlich an den Mann zu bringen.
  • Pull Marketing: Versucht den Wähler entweder direkt, zum Beispiel durch Serienbriefe, oder indirekt, zum Beispiel durch Fernsehspots, mit Hilfe von (Massen)Medien anzusprechen.

Die Kontrolle über die Vertriebsorganisation selbst ist relativ gering. Insbesondere im wichtigen Bereich des indirekten Pull Marketing kann nur versucht werden, auf die vermittelnden Massenmedien, insbesondere den Fernseh-, Radio- und Zeitungsjournalisten, Einfluß zu nehmen.

Der Vorteil im Bereich des Push Marketing ist jedoch, daß die Mitarbeit in den Partei- und Wahlkampforganisationen oft freiwillig und mit hoher Motivation erfolgt, die sich weiter mit der Ideologie des Produktes voll und ganz identifizieren. Kaum ein kommerzielles Unternehmen kann auf derartige loyale Mitarbeiter verweisen, die bei richtiger Schulung wahre Wunder im Push Marketing vollbringen können.

Sowohl Produkt-, Preis- als auch Distributionspolitik war eines gemeinsam: Die enge Verknüpfung mit Kommunikation. Diese soll im folgenden, letzen Abschnitt des Kapitels kurz angeschnitten werden.

  1. Politische Kommunikationspolitik

Prinzipiell gelten auch für die politische Kommunikationspolitik die Grundsätze, die bereits an früherer Stelle dieses Kapitels abgeleitet wurden. Die Adaption dieses Teiles des Marketing Mix bereitet außerdem weniger Schwierigkeiten als bei den anderen Instrumenten.

Für den politischen Bereich bezeichnend ist die Wichtigkeit der Kommunikation. Es kann sogar davon gesprochen werden, daß sie die Bereiche Produkt, Preis und Distribution eindeutig dominiert. Es ist jedoch falsch, sie als einziges Instrumentarium des politischen Marketings zu sehen. Variationen in der Politik selbst, Veränderungen des Produktes, sind mindestens ebenso wichtig für eine erfolgreiche Marktbearbeitung wie die Kommunikation derselben.

Interessanterweise ist eine ungenaue Terminologie gerade im Bereich 'promotion' ein nicht seltenes Problem der Literatur. Oft wird von politischer Kommunikation gesprochen, wenn es sich tatsächlich um Öffentlichkeitsarbeit oder Werbung handelt. Oft behandelt man das Thema 'Public Relations', als wäre Medienarbeit ('Media Relations') die einzig gültige Teilöffentlichkeit für die politische Organisation.

Dies weist aber nur darauf hin, daß die Beziehung zu den Journalisten und deren Pflege ein zentraler Punkt der politischen Kommunikationsarbeit im Zeitalter der Massenmedien ist. Deren Beeinflussung zu seinem Gunsten kann wahlentscheidend wirken. Außerdem handelt es sich um einen interessanten Forschungsbereich, der durch die Spannungen und Diskussionen zweier Berufsgruppen gekennzeichnet ist, die letztendlich doch wieder einander bedürfen.

Trotzdem sollte auf andere Bereiche politischer Kommunikation und des Marketing nicht vergessen werden. Public Relations hat sich durchaus mit anderen Teilöffentlichkeiten zu beschäftigen. Gegebenenfalls kann sogar das Ausland wichtiger Ansprechpartner sein, wie der von Bernays geschilderte Fall des Zwischenkriegs-Litauen zeigt, daß dadurch seine Existenz zu sichern suchte, indem es international auf sich aufmerksam machte.
Grundsätzlich sind alle bisher vorgestellten Instrumente, Werbung, Öffentlichkeitsarbeit, Verkaufsförderung und persönlicher Verkauf, durchaus auch in der Politik denkbar. Es muß aber zugestanden werden, daß das zu beobachtende Hauptaugenmerk im Bereich Public Relations, insbesondere Medienbeziehungen, und Werbung zu finden ist. Dies nicht zuletzt deswegen, da manche Maßnahmen wie die Promotionstätigkeit direkt im Geschäft, der Wahlzelle, gesetzlich verboten ist.

Die zentrale Rolle politischer Kommunikation drückt sich am besten durch eine Formulierung von Jarren aus: „Politische Kommunikation ist [....] im politischen System der zentrale Mechanismus bei der Herstellung, Durchsetzung und Begründung von Politik. Insofern ist politische Kommunikation [....] nicht nur Mittel der Politik, sondern sie ist selbst Politik."

  1. Theorie der politischen Kommunikation am Internet

Im nun folgenden Kapitel wird versucht, die bisher isoliert betrachteten Themenfelder weltweite Computernetze und Politmarketing in einer einzigen Theorie der politischen Kommunikation am Internet zu vereinen. Überlegungen rund um die Charakteristik der Netzteilnehmer, dem Einsatz neuer Instrumente in der Politik, die Chancen aber auch Grenzen sowie mögliche Zukunftsszenarien stehen im Mittelpunkt der Überlegungen und Ausführungen.

Marketing bedeutet zielgruppenorientiertes Denken. Ein repräsentativer Querschnitt durch die derzeitigen Benutzer des Internets unterscheidet sich jedoch signifikant von den Eigenschaften der gesamten Weltbevölkerung. Um überhaupt erfolgreich (politische) Kommunikation am Netz betreiben zu können, ist es aus diesem Grunde nötig, sich ex-ante einen Überblick über die Charakteristika der potentiellen Rezipienten zu verschaffen. Marktforschung am Internet, die Determinierung der späteren Zielgruppe, stellt daher eine unbedingte Notwendigkeit im Umgang mit dem neuen Medium dar.

Auf diese Erkenntnisse aufbauend ist es dann möglich, sich mit den Möglichkeiten und Grenzen politischen Marketings im Netz auseinanderzusetzen. Welchen Einfluß hat das Internet auf die Kommunikationsgewohnheiten einer Organisation? Wie kann es im modernen Parteimanagement helfen? Wo liegen die Chancen aber auch die Restriktionen im Einsatz der neuen Instrumente? Fragen, deren Antwort einiger grundlegender Überlegungen bedarf.

Über neue Medien zu sprechen, heißt auch über die Zukunft zu reden. Sind die gegenwärtigen Gestaltungspotentiale im Netz noch relativ gering, so sind sie doch voller Dynamik, die tiefgehende Änderungen im sozialen und politischen Gefüge ankündigen. Virtuelle Gemeinschaften sowie elektronische Demokratie sind Gegenstand heftiger Kontroversen und lassen sehr oft vergessen, daß dem umfassenden Einsatz des Internets noch für einige Zeit große technische, soziale und infrastrukturelle Schwierigkeiten entgegenstehen werden. Trotzdem Grund genug, sich mit den Auswirkungen der Informations- und Kommunikationstechnologie auf die politische Zukunft auseinanderzusetzen.

  1. Politische Marktforschung am Internet

Effiziente und effektive Kommunikation bedarf umfangreicher Kenntnisse über die potentiellen Rezipienten einer Botschaft. Auf diese Art und Weise wird der Informationsaustausch erleichtert und werden Mißverständnisse auf ein Minimum reduziert. Dies gilt prinzipiell sowohl für direkte, als auch für indirekte Formen der Kommunikation. Genaues Wissen über die Zielgruppe erlaubt die präzise Abstimmung aller Marketinginstrumente auf die Charakteristika, Bedürfnisse und Wünsche der Empfänger und mögliche zukünftige Transaktionspartner.

Marktforschung ist daher eine notwendige Unterstützungsfunktion jeder Marketingaktivität. Sie liefert vor allem Daten über die Qualität der Kommunikation, Erkenntnisse für die Optimierung von Strategien und leistet auf diese Weise Hilfestellung bei der Anpassung an die Anforderungen der Zielpersonen.

Größtes Problem sind jedoch die Differenzen in der Charakteristik zwischen Netzteilnehmern einerseits und Außenstehenden andererseits. Dieser Umstand wird durch Benutzung der Bezeichnungen „information-haves" und „information-have-nots" immer wieder dramatisiert. Es unterscheidet sich die Internetbevölkerung zwar signifikant vom Durchschnittsbürger, doch ist beim derzeitigen Stand der Entwicklung keine tiefere gesellschaftliche Kluft zwischen beiden Seiten zu befürchten.

Allgemeine Differenzen verhindern aber (noch) die Anwendung der Netzwerktechnologie zu Zwecken umfassender Markttests. Aus dem Blickwinkel der besseren Zielgruppenorientierung kann diesem Aspekt durchaus auch Positives abgewonnen werden. Internetbenutzer lassen sich zu wenigen homogenen Segmenten zusammenfassen, die aber eine effektivere Bearbeitung zulassen, als dies im heterogenen Umfeld der realen Welt geschehen könnte.

Zwar bleiben auf diese Weise große Bevölkerungskreise vom Informations- und Kommunikationsangebot ausgeschlossen, es macht zum Beispiel wenig Sinn, am Netz Hausfrauen über vierzig ansprechen zu wollen, doch die genaue Beschreibung der Netzpopulation läßt es dafür zu, andere Gruppen gezielter zu erreichen. (Politische) Marktforschung am Internet bedeutet daher, einen oder mehrere, hinsichtlich geographischen, demografischen, sozialen oder anderen Variablen homogenen Benutzertypus zu bestimmen, mit dessen Hilfe sich ein geeignetes Marketing- und Kommunikationsinstrumentarium für eine spätere effiziente und effektive Marktbearbeitung erarbeiten läßt.

  1. CHARAKTERISTIK DER INTERNETPOPULATION

Grundlegende (und vor allem frei verfügbare) Arbeit zur Charakterisierung der Internet Population leistet das Graphic, Visualization, & Usability Center (GVU) der Georgia Tech Research Corporation, dem an dieser Stelle nicht nur der gebührende Dank dafür ausgesprochen werden soll, sondern dessen Daten, sofern nicht anders angegeben, auch in Folge Verwendung finden werden. Die regelmäßigen Befragungen, die fünfte und vorläufig letzte wurde im April und Mai 1996 durchgeführt, weisen eine ungewöhnlich hohe Beteiligung auf und erlauben nichtzuletzt deswegen einen Einblick in die gegenwärtige Zusammensetzung der Internet Bevölkerung und deren Entwicklung über die letzten Jahre.

Bevor jedoch die einzelnen Ergebnisse näher erörtert werden können, ist es jedoch notwendig, sich mit allgemeinen Schwierigkeiten und Einschränkungen der Marktforschung am Netz auseinanderzusetzen.

  1. Probleme und Grenzen von Internetumfragen

Marktforschung am und rund um das Internet wird immer wichtiger, unterscheidet sich jedoch von herkömmlichen Methoden in einigen wesentlichen Punkten. Das Netz ist ein globales Medium und einzigartig in seiner Existenz. Dies bedeutet aber, daß zum einen keine Erfahrungswerte im Umgang mit Internetbefragungen existieren, keine Anhaltspunkte, mathematische Modelle und Instrumente zur Korrektur eventueller systematischer Fehler vorhanden sind.

Zum anderen heißt das jedoch auch, daß Wissen über das Netz nur durch das Internet selbst zu erlangen ist. Mit anderen Worten, beim derzeitigen Stand der technischen Entwicklung gibt es keine andere Möglichkeit weltweit vergleichbare Daten zu sammeln. Globale Erhebungen in einer anderen Form, zum Beispiel Telefonumfragen etc., zur Bestimmung von Referenzwerten sind derzeit aus operativen Gründen nicht denkbar.

Gemäß den Autoren der GVU Studie leidet das von ihnen gesammelte Datenmaterial vor allem unter zwei Problemen: Fehler durch Selbst-Selektion und durch mangelnde Repräsentativität der Stichprobe.

Ersteres findet sich bei beinahe allen Umfragemethoden. Die Rücksendung eines Fragebogens oder die Beantwortung eines Telefoninterviews bedeutet, sich für eine Erhebung entschieden zu haben und nicht gegen sie. Dies kann systematische Verzerrungen verursachen, die nur schwer kontrollierbar sind. Bei Netzbefragungen mag dieser Fehler besonders hoch sein, da sich alle Teilnehmer aus freien Stücken zu einer Antwort entschlossen und somit nicht nur ein grundsätzliches Interesse an einer solchen Erhebung bekundet, sondern sich damit gleich auch selbst als Objekt ausgewählt haben (Selbst-Selektion).

Dies impliziert aber weiters, daß die verwendete Stichprobe nicht zufällig und daher für die Gesamtpopulation nicht repräsentativ sein kann. Gewisse Teilgruppen sind daher stärker, andere dafür schwächer vertreten, was eine weitere systematische Verzerrung verursacht.

Eine wichtige Rolle spielt dabei die Frage, wie die Befragten von der Erhebung erfahren haben. Zur besseren Illustration ein Beispiel: Um zu möglichst vielen Antworten zu kommen, wurde versucht, auf möglichst breiter Basis über die Umfrage zu informieren. Während manche der verwendeten Kommunikationskanäle geschlechterneutral sind, Quellen wie Zeitungen oder andere World Wide Web Seiten werden zum Beispiel von Männer und Frauen gleichermaßen gelesen, erreichen andere, vor allem Magazine, NetNews oder die für die Erhebung eingerichtete Mailing Liste, eine der beiden Gruppen verstärkt, was zu Fehlern in der Stichprobe führt. Grundsätzlich sind solche Verzerrungen nicht auf das Geschlecht allein begrenzt, sondern Diskrepanzen auch hinsichtlich alten und jungen Teilnehmern, Studenten und Berufstätige, Europäern und Amerikanern, etc., denkbar.

Einzige Kontrolle bilden Vergleiche mit anderen, meist eingeschränkteren, Erhebungsdaten. Insbesondere die Telefonbefragungen von Nielsen/CommerceNet für Nordamerika und von Find/SVP in den Vereinigten Staaten bringen wertvolle Referenzergebnisse. Daß die Unterschiede zu einer reinen Netzerhebung trotz alledem nicht groß sein müssen, zeigt das Beispiel des kolportierten Frauenanteils unter den Internetnutzern.

Marktforschung am und rund um das Internet unterscheidet sich jedoch auch in anderen Punkten von bisher bekannten Methoden. Herausragende Eigenschaft ist das immer noch hohe Ausmaß an Pioniergeist und Kameradschaft im Netz, das sich in einer vergleichbar überdurchschnittlichen Motivation der Netzbenutzer ausdrückt, durch Weitergabe ihres Wissens und ihrer Erfahrungen weiter zu helfen.

Diese prinzipielle Auskunftsfreudigkeit wird jedoch in weiten Bereichen des Internets durch eine negative Haltung gegenüber der drohenden Gefahr kommerzieller Ausbeutung der Hilfsbereitschaft und der Schaffung eines „gläsernen Benutzers", dem Aufzeichnen von Nutzungsgewohnheiten, -dauer, etc., wieder kompensiert. Eine gesteigerte Bereitschaft zur Auskunft steht bei den Internetnutzern demnach auch eine höhere Sensibilität hinsichtlich des Datenschutzes gegenüber.

Nicht verwunderlich sind daher die Ergebnisse der Netzumfrage über die Bereitschaft, im World Wide Web Angaben über sich selbst zu machen. Mehr als dreiviertel aller Befragten (78,5%) sind dazu bereit, wenn sie darüber informiert werden, wozu ihre Daten verwendet werden sollen.

Fast 60% wollen wissen, welche Informationen genau über sie eingeholt werden. Dies korrespondiert durchaus mit einer versteckten Angst, Opfer unbemerkter Überwachung zu werden, die ihre Wurzeln in einem mangelnden technischen Wissen über die Möglichkeiten des World Wide Webs hat. So glaubten 45 Prozent der Antwortenden, befragt über die automatischen Aufzeichnungen bei WWW Sitzungen, daß ihre E-Mail Adressen abgerufen werden könnten, obwohl dies (derzeit) nicht der Fall ist. Ein Hinweis auf die (noch) unbegründete Massenparanoia, die vor der Schaffung des gläsernen Benutzers und Konsumenten warnt.

Etwas weniger als die Hälfte der Befragten (46,7 und 44,4 %) erklärte, Benutzerdaten für Zusatzleistungen, wie die Zusendung monatlicher Neuigkeiten etc., oder für den Zugang zu Webangeboten zu übermitteln. Dies liegt nicht nur in der Tradition des Internets, sondern folgt durchaus der Praxis bei vor allem semi-kommerziellen Diensten, die als Gegenleistung für ihre Angebote ein höheres Maß an Kontrolle über die Nutzer verlangen.

Datenschutz ist und bleibt daher ein heikles Gebiet im technologiebeherrschten Umfeld des Internets. Trotz aller Probleme und Beschränkungen der Marktforschung ist es jedoch möglich, ein akkurates Bild über die tatsächliche Charakteristik der Internet Population zu zeichnen. Generelle Resultate werden im nachfolgenden Abschnitt präsentiert.

  1. Generelle Internet Benutzer Charakteristik

Das allgemein vorherrschende Bild des typischen Internet Benutzers ist durch eine große Anzahl an Vorurteilen geprägt. Beziehungsgestörter jugendlicher Technikfreak schlägt sich bei Cola und Chips die Nächte um die Ohren, um in fremde Computersysteme einzudringen oder um sich, mangels sozialen Kontaktes, mit diversem pornographischen Material in eine virtuelle Welt zu flüchten.

Einiges davon findet sich dann auch tatsächlich in der Netzrealität wieder. Die fünfte GVU WWW Umfrage vom April 1996 erhielt über 11.700 einzigartige Antworten, die sich zu einem sehr guten Bild über die Charakteristik der Internet Population, der Zielgruppe jeder (politischen) Kommunikationsaktivität im Netz, zusammenfügen.

Der typische Internet Nutzer ist vergleichbar jung (durchschnittlich 33,0 Jahre alt), zu gut zwei Drittel männlich (31,5 Prozent Frauenanteil), verfügt über ein relativ hohes Einkommen (im Schnitt über 59.000 US$ im Jahr) und ist als Amerikaner (73,4 Prozent) entweder im Bildungs- oder Computerbereich (zusammen fast 60 Prozent) tätig, verwendet das Netz aber vorwiegend, um darin zu „surfen" (fast 80 Prozent) oder sich zu unterhalten (beinahe zwei Drittel der Befragten).

Zugegebenermaßen verlangen diese Ergebnisse einer differenzierteren Betrachtung. Das Internet ist zwar ein globales Informations- und Kommunikationsmedium, seine Wurzeln finden sich jedoch in den Vereinigten Staaten. Die Gründe für die kolportierte Dominanz des nordamerikanischen Kontinents unter den Netzbenutzern sind daher in zwei Umständen zu finden: Zum einen ist es die erwähnte Tradition und offene Thematisierung in den US-amerikanischen Medien, die ihr noch immer eine Vorreiterrolle im Internet sichert. Zum anderen leidet die Frage nach der geographischen Verteilung auch unter den bereits angeführten Problem mangelnder Repräsentativität der Stichprobe, da die Erhebung in anderen Teilen der Welt vergleichsweise weniger angekündigt worden ist.

Aus obiger Darstellung klar ersichtlich ist die untergeordnete Rolle, die Europa noch immer im Internet spielt. Nur elf Prozent aller Antworten kamen aus dem alten Kontinent. Begründung dafür ist aber nicht nur die fehlende Netztradition und Verzerrungen in der Stichprobe, sondern vor allem auch der schwach ausgeprägte europäische Telekommunikationsmarkt.

Diese Argumentation wird durch die Einbeziehung anderer Variablen verdeutlicht. Die an früherer Stelle präsentierten Kennzahlen eines typischen Internet Benutzers zeigen einmal mehr, daß der Durchschnitt noch lange nicht das Maß aller Dinge statistischer Betrachtungen sein muß.

Es macht Sinn, zwei Arten von Individuen im Netz zu unterscheiden:

  • Jugendliche Studenten und
  • Professionelle Heimanwender

Erstere zeichnen für das im Schnitt relativ junge Alter und den steigenden Frauenanteil verantwortlich, während die zweite Gruppe vor allem zum hohen durchschnittlichen Jahreseinkommen und der nordamerikanischen Dominanz beiträgt.

Rund 29 Prozent aller Befragten ordnen sich selbst dem Bildungssektor zu. Dies ist insofern nicht verwunderlich, da die Kommerzialisierung der Internets noch nicht lange zurück liegt. Der Zusammenschluß akademischer Einrichtungen auf der ganzen Welt war einer der wichtigsten Grundgedanken und Wurzeln für die rasche Entwicklung eines globalen Computernetzes.

Dieser Prozeß ist noch immer nicht abgeschlossen. Vor allem in Europa kommt die Kommerzialisierung des Internets erst langsam auf Touren und wird, vor allem im Bereich neuer Nutzer, von den Universitäten und ihrem breiten Zustrom an Studenten dominiert, denen meist erst kürzlich die Tore ins Netz geöffnet wurden. Dieser allgemeine Trend schlägt sich erst nach und nach in der generellen Benutzerstatistik nieder.

Neben dem Bildungsbereich assoziierten Personen finden sich durchwegs Individuen im Web, deren Profil darauf schließen läßt, daß sie entweder durch ihren Beruf (rund 28 Prozent arbeiten im Computerbereich), oder aber durch ihren hohen Ausbildungsstand (runde 30 Prozent zählen sich der Gruppe der „professionals" oder dem Management zugehörig) in ihrer College- bzw. Universitätszeit in Kontakt mit dem Internet gekommen sind. Sie bleiben auch nach Abschluß ihrer Studienzeit dem Medium treu und nehmen ihre Netzkenntnisse entweder mit in den Beruf oder nützen sie in Folge für private Zwecke.

Diese „professionellen Heimanwender" weisen aber fundamentale Unterschiede zu den „jugendlichen Studenten" auf, denen sie möglicherweise einmal angehört haben. Nicht nur ruhen auf ihnen aus Gründen des hohen Einkommens die Hoffnungen der Wirtschaft, sondern sie sind auch prädominant männlich, sind also durch einen signifikant geringeren Frauenanteil geprägt.

Während sich in Nordamerika beide Gruppen (noch) die Waage halten dürften, jedoch mit steigenden Zahlen der nicht studentischen Anwender, ist in Europa ein klarer Überhang der akademischen Seite zu beobachten.

Indizien für solch eine kontinentale Diskrepanz finden sich auch in anderen Resultaten. Der folgende Abschnitt beschäftigt sich daher mit der Charakterisierung europäischer Nutzer im allgemeinen und dem deutschsprachigen Raum im besonderen.

  1. Internet Charakteristik für Europa und den deutschsprachigen Raum

Europa und insbesondere der deutschsprachige Raum hinkt dem in Nordamerika zu beobachtenden Trends zeitlich hinterher. Hier ist es noch nicht gelungen, einen großen professionellen Heimanwenderkreis aufzubauen.

In der Entwicklung des Internets sind vier, sich überschneidende Stufen beobachtbar:

  1. Einführungsphase: Vorwiegend technisch interessierte männliche Benutzer im akademischen Bereich und dem Computersektor.
  2. Akademische Expansionsphase: (Zuerst männliche) Studenten und Akademiker verbreitern die Benutzerbasis.
  3. Kommerzielle Expansionsphase: Im Wettbewerb stehende Wirtschaftsbetriebe nehmen sich neuer Entwicklungen an und verbreitern das Leistungsangebot im Netz
  4. Private Expansionsphase: Berufliche oder der Ausbildung entstammende Interneterfahrung wird privat genutzt und erhöht so den Nutzerkreis.

Für die Zahl der Anwender sind Phase zwei und vier von Bedeutung. In erstere fällt der Aufbau des Benutzertypus „jugendlicher Student", in letztere der „professionelle Heimanwender". Daß Europa und der deutschsprachige Raum sich erst in den Stufen zwei und drei befinden, indiziert die Benutzercharakteristik. Anwender hier sind jünger und weisen außerdem einen geringeren Frauenanteil auf.

Darüber hinaus kommen deutschsprachige Internet Benutzer vorwiegend aus dem Bildungsbereich. Die GVU Ergebnisse für Österreich, Deutschland und der Schweiz weisen dem Erziehungssektor 42 Prozent der Antworten zu, die Resultate der zweiten deutschen W3B-Umfrage mit über dreitausend ausgewerteten Fragebögen kommt sogar auf 40 Prozent Studenten und 5 Prozent Schüler.

Dies bleibt nicht ohne Auswirkungen auf das Einkommen, dessen Niveau bei Europäern durchwegs niedriger ist. Interessant sind im deutschsprachigen Raum die 20 Prozent Antwortverweigerung bei der Frage nach dem Verdienst. Vergleichbare 14% sind es für die gesamte Internet Population. Ein Indiz dafür, daß globale Kommunikation nur langsam mentale Differenzen aufzuheben vermag.

Die Gründe für die veränderte Benutzerstruktur in Europa sind mannigfaltig. Es liegt sicher nicht nur an einer allgemeinen zeitlichen Verzögerung, daß es vor allem im deutschsprachigen Raum noch nicht zur Ausbildung einer privaten Expansionsphase gekommen ist. Rigide Universitätsverwaltungen, die die Vergabe von Internetzugängen für Studenten lange Zeit äußerst restriktiv gehandhabt haben, sowie systematisch bedingte längere Studienzeiten führten zu einem späteren Anlaufen der akademischen Expansionsphase und noch weiter verzögerten Einstieg ins Berufsleben, der dann erst in Folge einen Wandel vom „jugendlichen Studenten" zum „professionellen Heimanwender" mit sich bringen würde.

Der in weiten Teilen geschützte europäische Telekommunikationsmarkt trägt seinen Teil bei, indem er die Telefongebühren, und damit die Verbindungskosten von der Wohnung zum Internet Anbieter, hoch hält. Im Vergleich zu den USA führt dies zu einem überteuerten Preis, den viele Anwender nicht zu zahlen gewillt sind.

Die Auswirkungen für effektive Kommunikationsstrategien liegen auf der Hand. Während auf dem nordamerikanischen Kontinent der Kampf um jeden Kunden sowohl im kommerziellen als auch politischen Bereich voll entbrannt ist und durchaus erfolgversprechend geführt werden kann, befindet sich Europa noch eher in einer Entwicklungsphase.

Für den kommerziellen Sektor ist am alten Kontinent zu beobachten, daß der Internet Euphorie folgend, viele Unternehmen eiligst Dienstleistungsangebote im Netz aufgebaut haben, um jetzt enttäuscht feststellen zu müssen, keine zahlungskräftigen Kunden vorzufinden. Der Bankrott von „Europe Online" mag als Indiz dafür gelten, daß amerikanische Erfolgsrezepte in anderen Teilen der Welt sich (noch) nicht rentieren müssen.

Für die Politik liefert eine allgemeine Charakterisierung der Internet Benutzer vorrangig zwei Resultate: Es existiert ein klarer Handlungsbedarf in Richtung Förderung der Informations- und Kommunikationsnetze, ähnlich der von US Vizepräsident Al Gore gestarteten Initiative. Die geplante Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes und das alleinige Vertrauen in die wirtschaftlichen Kräfte zur Finanzierung einer schlagkräftigen Infrastruktur, so wie sie im Bangemann Report der Europäischen Union gefordert werden, scheint dazu, nicht zuletzt wegen mangelnder Effizienz in der Umsetzung, nicht in der Lage zu sein.

Zur Implementierung einer effektiven politischen Kommunikationsstrategie hingegen stehen die Chancen durchaus nicht schlecht. Auf dem Politmarkt zählen weniger die monetären Verhältnisse der potentiellen Konsumenten, sondern es wird um Stimmen gekämpft. Beim derzeitigen Stand der Entwicklung eignet sich daher das Internet am besten zur Akquirierung überdurchschnittlich gebildeter Jugendlicher.

Da diese in Österreich Kernwählerschichten der Grünen und des Liberalen Forums bilden, kommt deren online Aktivitäten besondere Bedeutung zu. Für die Großparteien ÖVP und SPÖ bringt das Netz aber auch eine Chance, die unbestreitbare Distanz zu jugendlichen Wählern wieder etwas zu verringern. Wenig Stimmenpotential finden hingegen die Freiheitlichen im Internet vor. Nicht verwunderlich also, daß sie am längsten mit einer Netzpräsenz auf sich warten ließen.

Aufgrund der Benutzercharakteristik läßt sich jedoch auch klar sagen, daß im Gegensatz zu den USA in Österreich das Internet bis jetzt nur erste Impulse für die Politik liefern kann, mit Sicherheit aber keinen signifikanten Einfluß auf das tatsächliche Wahlergebnis haben wird. Um dies zu erreichen, ist Basisarbeit in zweierlei Hinsicht notwendig:

Zum einen muß die Akzeptanz des Mediums bei den Menschen erhöht werden, um breitere Bevölkerungskreise für das Netz zu interessieren und zu gewinnen. Zum anderen muß ein infrastruktureller Aufbau erfolgen, in technischer aber auch bildungspolitischer Hinsicht, um die tatsächliche Benutzerbasis auszuweiten. Es ist fraglich, ob in Mitteleuropa schon die kritische Masse an Anwendern erreicht worden ist, die den Prozeß zur Informationsgesellschaft selbsttätig aufrecht erhalten kann.

Daß das Internet durchaus schon politische Relevanz hat, zeigen die Umfrageergebnisse am Netz zu politischen Einstellungen und Verhalten. Erste Resultate werden kurz im nächsten Abschnitt vorgestellt.

  1. Politische Marktforschung am Internet

Demoskopie am Internet wir zwar erst seit kurzer Zeit professionell betrieben, dementsprechend unausgereift sind auch noch die verwendeten Verfahren, doch schon sind erste Daten über die politischen Einstellungen der Netzpopulation zur näheren Analyse verfügbar.

Unter anderen findet sich in der hier vorliegenden fünften GVU WWW Umfrage eine Sektion, die sich ausschließlich mit dem Thema „Politics" beschäftigt. Neben einem überdurchschnittlichen Basisinteresse an Politik, gekennzeichnet durch hohe Wahlregistrierung und -partizipation und positiv korrelierend mit einem überdurchschnittlichen Bildungsstand, geben mehr als vierzig Prozent der Befragten an, durch den Netzanschluß mehr in politische Themen involviert worden zu sein.

Die beliebtesten Politaktivitäten am Internet sind das Verfassen von E-Mails an Politiker, die Diskussion politischer Themen und das Unterzeichnen von Petitionen, die sich in anderer Reihenfolge (Diskussion-Petition-direkter Kontakt) auch außerhalb des Netzes als populärste Tätigkeiten wiederfinden.

Eine Analyse der politischen Einstellungen der Netzteilnehmer ist zu diesem Zeitpunkt leider nicht möglich. Es ist anzunehmen, daß die erhobenen Begriffe von liberal, konservativ, etc., in den Vereinigten Staaten und dem Rest der Welt unterschiedliche, zum Teil widersprechende Inhalte zugeordnet werden, wodurch die gewonnenen Ergebnisse, insbesondere ein internationaler Vergleich, ihre Aussagekraft verlieren. Hinsichtlich der Parteiidentifikation US amerikanischer Internet Benutzer läßt sich hingegen etwas mehr sagen.

Demnach ist ein leichtes Übergewicht der demokratischen Sympathisanten zu beobachten (42 Prozent bezeichneten sich als Demokraten oder Unabhängige, die eine demokratische Tendenz aufweisen), denen die Republikaner um ungefähr zehn Prozent (31 Prozent Anhängerschaft) nachhinken. Der Rest verteilt sich auf explizit Unabhängige, Liberterianer und andere, die, wie in der US amerikanischen Zweiparteienlandschaft üblich, nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Die Frage ist, wie solch ein Resultat bewertet werden kann. Auf der Suche nach Referenzdaten stößt man auf eine Reihe von politischen Umfragen im Internet, die alle unterschiedliche Ergebnisse liefern. Internet Publishing Technlogies berichtet im Oktober 1996 von fast 36 Prozent Liberterianer, 30 Prozent Demokraten und nicht einmal 17 Prozent Republikaner, während sich in der gleichen Umfrage im Juli 1996 letztere noch mit über dreißig Prozent Wähleranteil an der Spitze hielten.

SurveyNet liefert über denselben Zeitraum zwar relativ konstante Zahlen (knapp über 30 Prozent Republikaner, knapp darunter Liberterians und nur um 16 Prozent Demokraten), doch dürften diese Umfragen prinzipiell ähnliche Probleme aufweisen, wie die Umfragen der Konkurrenz.

Es handelt sich bei allen diesen Untersuchungen eher um politische Stimmungs- als um wissenschaftliche Meinungsforschung. Zudem weisen sie durchwegs systematische Unzulänglichkeiten auf, die sie besser mit Telefonumfragen in populistischen Fernsehshows vergleichbar machen, als mit seriöser Ergebnisforschung.

Während also davon auszugehen ist, daß sich unter amerikanischen Internet Nutzern Republikaner und Demokraten eher die Waage halten, so wie es die GVU WWW Erhebung indiziert, so hat es doch den Anschein, als ob die Elefanten ihre Anhängerschaft im Netz besser mobilisiert hätten, als dies die Esel konnten. Ein Umstand insofern interessant, als daß Clinton / Gore die ursprünglichen Initiatoren verstärkter politischer Aktivität am Internet sind.

Die bessere Mobilisierung der Republikaner mag auch im zur Zeit laufenden Präsidialwahlkampf von Bob Dole begründet sein, der die erste nationale Fernsehdiskussion mit Bill Clinton damit beendete, daß er um weitere Unterstützung, insbesondere durch Kontaktaufnahme über seine World Wide Web Seiten, bat.

In diese Richtung läßt sich auch der in allen Umfragen überdurchschnittliche Anteil an Liberterianer deuten. Die Internet Kernschicht weißer, gut verdienender, männlicher Teilnehmer sind auch die typischen Vertreter liberterianischer Wirtschaftsauffassung. Da sie jedoch über keine schlagkräftige eigene Parteiorganisation verfügen, bilden sie auch eine wichtige Zielgruppe republikanischer Netzaktivitäten. Eine mögliche Erklärung für Bob Doles Mobilisierungskampagne im Internet und potentieller Beweis dafür, daß das Netz (noch) nicht die Stärke aufweist, um tatsächlich wahlentscheidend zu sein. Ein Rang, den es erst nach und nach dem Fernsehen abzulaufen haben wird.

Nach einer grundsätzlichen und politischen Bestimmung der Internet Population ist es nun möglich, die gewonnen Erkenntnisse über die potentiellen Zielgruppen politischer Kommunikation am Netz, in tatsächliche strategisch-operative Überlegungen einfließen zu lassen. Dies soll in den folgenden Abschnitten geschehen.

  1. Politische Kommunikation am Internet

Cronins Vorschlag für effektives Marketing am Internet folgend, wurden im vergangenen Abschnitt die potentiellen Rezipienten politischer Aktivitäten im Internet identifiziert. Wenn nun aber, zumindest in Europa, die vorhandenen Zielgruppen noch relativ klein ist, welchen Sinn macht es dann überhaupt, am Netz tätig zu werden? Schließlich ist die Interneteuphorie nicht mehr ganz so groß, daß die Eröffnung neuer Angebote im World Wide Web für sich genommen nennenswerte positive Publicity- und Imageeffekte hervorrufen würde, um so der Parteiorganisation ein besonders innovatives und fortschrittliches Ansehen zu verleihen. Das Internet ist bereits zu etwas Alltäglichem geworden.

Wenn das Netz aber ein allgemein genutztes Medium ist, so stellt sich weiters die Frage, welche Auswirkungen hat es auf das Kommunikationsverhalten einer Organisation. Wo liegen seine Möglichkeiten und Chancen, wo seine Grenzen? Grundsätzliche strategische Überlegungen zur Determinierung des Wesens politischer Kommunikation am Internet werden im nächsten Abschnitt vorgestellt.

Darauf anschließend ist es nötig, aus theoretischer Sicht operative Einsatzgebiete des Netzes zu eruieren, um Anhaltspunkte darüber zu gewinnen, wie die derzeitige Praxis, die in Kapitel V. näher erläutert werden wird, aussehen könnte oder sollte. Wo also lassen sich die Potentiale des Internets nutzen, um durch gezieltes politisches Marketing am Netz einen Wettbewerbsvorteil zu erlangen.

  1. ZUM WESEN POLITISCHER KOMMUNIKATION AM INTERNET

Das Internet ist zweifelsohne das interessanteste und vielversprechendste neue Medium unserer Zeit. Wie aber läßt es sich in die bisherige Welt der Kommunikation einordnen und wie wirkt es sich auf den politischen Prozeß aus? Zur Zeit wird die Berichterstattung von den Massenmedien Fernsehen, Radio, Zeitung, etc., dominiert. Wahlen werden in einem künstlich geschaffenen öffentlichen Raum entschieden. Dies führt dazu, daß der politische Prozeß von den „1 zu x" Medien beherrscht wird, da sie nicht nur die Arena für den Kampf der Kandidaten schaffen, sondern auch erheblichen Einfluß auf die politische Tagesordnung ausüben.

Das Internet ändert dieses Bild. Wesentlicher Vorteil politischer Aktivität im Netz ist die Möglichkeit der „x zu x" oder „many to many" Kommunikation. Viele Teilnehmer können von vielen Teilnehmern gleichzeitig erreicht werden, das Individuum wird gleichzeitig zum Sender, Empfänger und Massenmedium. Durch aktive Teilnahme als Verfasser von Nachrichten übermittelt der einzelne Nutzer eine Botschaft an andere, passiv ist er Rezipient vieler eingehender Informationen. Aber am wichtigsten ist, daß er wie ein Fernseh- oder Radiosender in der Lage ist, mit einer breiten Zielgruppe zu interagieren und dadurch selbst zu einem Massenmedium wird.

Darüber hinaus gestaltet sich das Internet durch die Integration einer Vielzahl von Diensten mehr und mehr auch zu einem Meta-Instrument, das alle anderen bisher gekannten bedeutenden Kommunikationsmöglichkeiten in sich vereint. Talk und Chat Foren bieten direkten synchronen Kontakt, vergleichbar einem Gespräch unter beliebig vielen Teilnehmern, E-Mail und NetNews bringen asynchronen Charakter wie sie Briefe oder Zeitungen kennen und neue multimediale Webangebote sind bereits so unterhaltsam und informativ wie Werbe- oder Bildungsfernsehen.

Die folgende Tabelle verdeutlicht diesen Zusammenhang:

Kommunikation

Ort Art

Politik

Art Form

persönlicher Kontakt Nachbarschaft

oral

1 zu 1

parochial

tribal-feudal, elitär

Club, Flugblätter, Zeitung, etc.

oral & print

1 zu x

modern national

repräsentativ

elitär (z.B. Besitz)

Radio, TV, Video, Kabel, etc.

audiovisuell

1zu x

modern international

repräs., bürokratisch massendemokratisch

Satellit, Computer, Internet

multimedial

x zu x

global-lokal

globale Netzwerke

  1. Tabelle 3: Kommunikation und Politik

Ort und Art der prädominanten Kommunikationsform beeinflussen Art und Form des politischen Prozesses. Es ist also anzunehmen, daß das Internet, beziehungsweise die noch zu errichtende Infobahn, zu gänzlich neuen Formen der Politik führen werden. In obiger Tabelle wird dafür ein „globales Netzwerk" vorgeschlagen. Tatsächlich ist der Ausgang noch genauso ungeklärt, wie die tatsächliche Ausgestaltung einer dann entstandenen Informationsgesellschaft. Eine derzeit heftig diskutierte mögliche Regierungsform, die Elektronische Demokratie, wird am Ende dieses Kapitels noch näher erörtert werden.

Vollkommen ungelöst ist jedoch die Frage, inwieweit traditionelle Kommunikationsmittel wie Briefe, Zeitungen, etc., in das Internet integriert werden. Bisher bedeuteten neu aufkommende Medien wie Radio oder Fernsehen eine Ergänzung bestehender Interaktionsmöglichkeiten. Das Netz jedoch ist nicht nur mehr komplementär, sondern ist über weite Strecken in der Lage, andere Elemente zumindest teilweise zu substituieren.

Der Beitrag des Netzes zur politischen Kultur liegt daher in seiner Wesensart als neue Diskurstechnologie. Es braucht die kommunikative Ressource Internet als wichtige Ergänzung in Richtung eines effektiveren Informationsmanagement. Dies gilt sicherlich nicht für alle Bereiche des tagtäglichen Lebens, so wie sich zum Beispiel auch das Fernsehen nicht für jeden Anlaßfall als Medium eignet, doch öffnet es sehr wohl eine Menge neuer Optionen.

Management, und damit auch politische Führung, bedeutet Entscheidungen zu treffen. Diese können aus dem Bauch heraus gefällt werden, oder aber folgen durch Informationen fundierten, rationalen Überlegungen. Letzteres bedeutet, daß man tatsächlich im Besitz von relevantem Wissen, einer Entscheidungsgrundlage, ist. Und genau hier hilft das Internet. Zum einen stellt es einen gewaltigen Pool an Informationen bereit, der nur darauf wartet, angezapft zu werden, zum anderen erfolgt Kommunikation in Bruchteilen von Sekunden. Beides erhöht die Effizienz und Effektivität eines modernen politischen Prozesses.

Information beeinflußt politischen Wettbewerb, in Anlehnung an die von Porter für den allgemeinen Managementprozeß aufgestellten Grundlagen, vor allem auf drei verschiedenen Ebenen:

  • Generierung neuer Wettbewerbsregeln: Das Internet beschleunigt den Prozeß der Informationsvermittlung und -durchsetzung am politischen Markt. Dieser wird somit effizienter. Der politische Konsument ist nun in der Lage, sich besser und genauer zu informieren. Nicht nur erhöht sich die Erreichbarkeit der Kandidaten(büros) für den einzelnen, sondern er kann, wenn er es möchte, ohne größere Zeitaufwendung Wahlprogramm, Stellungnahmen zu wichtigen Themen, etc. abrufen, um sich in Folge aus einer Vielzahl von Anbietern jenen auszuwählen, der seine Interessen für die nächste Legislaturperiode am effektivsten zu vertreten scheint.
  • Generierung neuer Wettbewerbsvorteile: Das Internet senkt die Kosten des politischen Informationsprozesses. Teuer einzukaufende Medieneinschaltungen können reduziert und optimiert werden, um so wichtige Ressourcen für andere Bereiche freizugegeben. Eine gut aufgebaute Internetpräsenz hilft auch, sich von der Konkurrenz zu differenzieren, indem man durch online Foren, feedback Möglichkeiten, Diskussionsgruppen, etc. den Bürger einen Zusatznutzen in Form von mehr direkten Einflußmöglichkeiten verschafft. Gleichzeitig bedeutet jede neue Netztätigkeit einen Ausbau des Umfanges der Aktivitäten, eine sich positiv auswirkende Ausweitung des Dienstleistungsangebots Politik.
  • Generierung neuer Wettbewerbspotentiale: Das Internet macht viele politische Aktivitäten erst möglich und nötig. Eine, wie geschehen, von einer Partei initiierte Diskussion unter Netzteilnehmern über eine Gesetzesvorlage zum Thema Impressumspflicht im World Wide Web hätte es ohne Internet einfach nicht geben können. Gleichzeitig schafft es aber auch die Nachfrage nach politischer Kommunikation am Netz. Benutzer wollen sich auch über Politik direkt an der Quelle informieren können.

Darüber hinaus liefert es noch andere ungeahnte Potentiale. Aspekte der direkten Demokratie lassen sich erst durch die neue Informations- und Kommunikationstechnologie tatsächlich realisieren, indem sie zum Beispiel einen Marktplatz für ein vernetztes globales Dorf schaffen.

Es bleibt daher unbestritten, daß das Netz nicht ohne Einfluß auf den politischen Führungsprozeß bleibt. Die sich bietenden neuen Herausforderungen an ein modernes Parteimanagement können daher besser angenommen werden. Politische Kommunikation am Internet wird zum essentiellen Instrumentarium des Überlebens in einem hoch kompetitiven Umfeld.

Am Ende des 20. Jahrhunderts stehen wahlwerbende Gruppen, Parteien und Kandidaten einer Vielzahl von Veränderungen im politischen Prozeß gegenüber. Radunski hebt vor allem fünf Herausforderungen an ein modernes Parteimanagement hervor:

  1. Dominanz des Fernsehens: Hier kommt ein Problem zu tragen, das bereits in den einleitenden Worten des ersten Kapitels dieser Arbeit kurz andiskutiert wurde. Warum sollte ein Bürger eine lokale Veranstaltung besuchen, wenn es im Fernsehen die Parteispitze und deren Meinung miterleben kann?

Aber auch das Internet bedeutet einen direkten Kontakt zur politischen Führung. Während das Fernsehen jedoch meist in der Hand unabhängiger Stationen ist, die ihre Schwerpunkte nach eigenem Gutdünken setzen, bleibt das Netz voll und ganz im Einflußbereich des Parteimanagement. Wichtige Bereiche und Themen können daher ohne zwischengeschalteten Filter direkt zum politischen Konsumenten transportiert werden. Voraussetzung dafür sind aber zwei Dinge: Das Netz tritt in mittelbare Konkurrenz zum Fernsehen. Ein Informationsangebot muß daher attraktiv genug gestaltet sein, um tatsächlich Interessenten anzulocken. Darüber hinaus ist Glaubwürdigkeit oberstes Gebot. Nur so ist es möglich, eine Vertrauensbasis zum Wähler aufzubauen. Mißlingt es, eine der beiden Voraussetzungen auch tatsächlich umzusetzen, kommt es, vergleichbar den Vorgängen in manchen Parteizeitungen, unweigerlich zu einem Fehlschlag.

  1. Neues Wählerverhalten: Der politische Prozeß der letzten Jahre ist von einer Auflösung der klassischen Lager geprägt. Damit einher geht ein stetiger Anstieg der Wechselwählerschaft, der vor allem den etablierten Großparteien zu schaffen macht. Dieser Wandel ist mit einer Erosion traditioneller Stammwählerkreise verbunden, das heißt, Volksentscheide werden in ihrem Ergebnis immer offener.

Die so entstandene Stimmungsdemokratie bedarf auf Seiten der wahlwerbenden Gruppen daher gesteigerter Überzeugungsarbeit. Der Einsatz des Instrumentariums des Internets ist insofern hilfreich, da es die psychische Distanz zwischen Wähler und Wahlwerber verringert. Dem allgemeinen Prozeß der Lockerung der Bindung kann auf diese Weise durch effektive Information und Kommunikation entgegengewirkt werden.

  1. Verschiebung der Mitgliederstruktur: Die traditionellen Parteien werden von Jahr zu Jahr älter. Dies gilt vor allem für ihre Mitgliederstruktur, da es immer schwieriger wird, Jugendliche zur parteiinternen Mitarbeit zu motivieren. Resultat dieses Prozesses ist die schleichende Erosion der Mitgliederzahl und damit der Durchschlagskraft einer Partei.

Verstärkte Arbeit im Internet, einem durchaus von Jugendlichen dominierten Medium, hilft gerade solch eine Herausforderung erfolgreich zu bewältigen. Die allgemeine Tendenz zur Individualisierung trifft jedoch beinahe alle sozialen Bereiche und damit Organisationen wie Kirche, Gewerkschaft, etc., wird aber auch, so wie der ökonomische Zwang zum Abbau von Mitarbeitern, der nach immer effizienteren Instrumentarien verlangt, als mögliche Ursache für den Erfolg und die rasche Expansion des Netzes gesehen. Neue Technologien werden zur modernen Form der Selbstentfaltung, um der die Individualsierung begleitenden sozialen Isolierung entgegenzuwirken. Die Politik hat daher gerade im Internet eine neue Chance, sich als Mittel der eigenen persönlichen Verwirklichung zu präsentieren.

  1. Kurzzeit-Engagement: Die etablierten Parteien haben Konkurrenz von Ein-Themen-Organisationen, den neuen sozialen Bewegungen, bekommen. Nicht mehr die langfristige Mitarbeit steht bei Jugendlichen im Vordergrund, sondern das kurzzeitige Engagement zur Erreichung einzelner, für wichtig erachteter Ziele. Sind diese verwirklicht, wendet sich das Interesse schnell einem anderen dringlichen Thema zu.

Nicht nur, daß es auch bei dieser Herausforderung gilt, verstärkt die am Netz präsente Gruppe der Jugendlichen anzusprechen, auch eine andere Charaktereigenschaft des Internets hilft zur Bewältigung dieses sozialen Phänomens. Neue Informations- und Kommunikationstechnologie überwindet geographische Barrieren und führt zur Bildung von Interessensgemeinschaften im eigentlichen Sinn, dem Zusammenschluß von Personen aufgrund gemeinsamer Ziele. Politische Kommunikation am Internet heißt daher, in solchen Gruppen aktiv zur Problemlösung beizutragen und die eigene Parteiorganisation zum Nutzen aller einzubringen. Lassen sich bestimmte Themen erfolgreich besetzen, ergibt das eine neue loyale Wählerschicht, die klarerweise jedoch auch der nötigen Pflege bedarf.

  1. Flucht ins Private: „Bezeichnend ist, daß viele Menschen trotz eines beträchtlichen Gewinns an freier Zeit persönlich einen großen Zeitmangel empfinden, so daß für Politik kaum noch Zeit übrig bleibt." Dieser „neue Biedermeier" erschwert natürlich die Arbeit von Organisationen, die der Mitarbeit vieler Helfer in der Öffentlichkeit bedürfen.

Das Internet hilft, den Bürger zu Hause zu erreichen. Die Ausbildung eines „professionellen Heimanwender" Benutzertypus, wie er in den Vereinigten Staaten bereits verstärkt im Entstehen ist, würde das noch erleichtern. Aber wie schon am Beginn dieses Kapitels bei der Charakterisierung des Internet Benutzerkreises angeführt, sind Netzteilnehmer prinzipiell offene, kommunikative und hilfsbereite Personen, die sich durchaus auch in der Arbeit oder an den Universitäten mobilisieren lassen.

Politische Kommunikation am Internet ist also nicht nur reine Diskurstechnologie, sondern verändert durch ihren Charakter die Wettbewerbsbedingungen auf dem Politmarkt und schafft neue Möglichkeiten und Chancen für ein effektiveres und damit erfolgreicheres Parteimanagement. Es impliziert daher Änderungen auf drei Ebenen: Der Kommunikation, dem Markt und der politischen Führung.

Das Netz ist aber auch ein Informations- und Kommunikationsinstrumentarium, das zur verbesserten Marktbearbeitung im politischen Marketing herangezogen werden kann. Die Verbesserung des Kontaktes mit potentiellen Transaktionspartnern erhöht zweifelsohne die Chancen für einen Markterfolg. Zu diesem Zweck soll im folgenden Abschnitt politische Kommunikation am Netz in seinen verschiedenen Formen aus der Sichtweise des Marketing vorgestellt werden.

  1. POLITSCHES MARKETING AM INTERNET

Die größte Leistung des Netzes im Bereich des Marketing liegt in der Verringerung der Distanz zwischen Produzenten und Konsumenten. Das Internet ist ein x zu x Kommunikationsmedium. Einerseits erhöht es das Wissen politischer Organisationen über die Wünsche und Bedürfnisse ihrer potentiellen Klienten, andererseits wird aber auch der Informationsstand der Wahlbürger und Betroffenen deutlich gesteigert. Bessere Information steigert das gegenseitige Verständnis. Gute Politik wird daher honoriert werden, schlechte wird sich hingegen kaum mehr verheimlichen lassen.

Darüber hinaus beeinflußt das Internet den Marketing Mix auf allen vier Ebenen seiner Instrumente:

  • Produktpolitik: Das politische Produkt ist eine Dienstleistung, deren informativer klar über den physischen Charakter dominiert. Der Konsument, der Bürger, ist nicht unmittelbar in die Leistungserstellung involviert, muß daher erst über Qualität und Quantität unterrichtet werden, um Politik beurteilen zu können. Das Internet hilft einerseits diese Informationen auch tatsächlich zu kommunizieren, ohne daß externe Gruppen wie die institutionalisierten Massenmedien filternd eingreifen können, andererseits bietet es für das Individuum neue Möglichkeiten der politischen Partizipation und involviert es so direkter in die Politikproduktion.
  • Preispolitik: Durch mehr Information effizienter gewordene politische Märkte erhöhen die Konkurrenz. Der Bürger erkennt immer besser die Opportunitätskosten seiner Entscheidung. Das Netz hilft, sich von anderen Gruppen zu differenzieren und über die wirtschaftlichen Folgekosten einer Entscheidung zu informieren. Der Wähler ist nun in der Lage, jenes politische Leistungsangebot herauszufiltern, das seinen Vorstellungen über staatliche Aktivität und Kostenbelastung am ähnlichsten scheint.
  • Distributionspolitik: Das Internet bietet neue Möglichkeiten, das politische Produkt vom Parlament zum Individuum zu bringen. Die Parteien gewinnen durch das Netz an Einfluß über die verwendeten Vertriebskanäle. Hier liegt die eigentliche Stärke politischen Marketings am Internet. Die zu übermittelnde Nachricht mittels Push, Pull oder Guerilla Marketing zu transportieren, ist Hauptaufgabe politischer Kommunikation am Netz. Dieser Einteilung soll auch des weiteren gefolgt werden.
  • Kommunikationspolitik: Information und Kommunikation sind der eigentliche Grund politischer Aktivität im Netz. Obwohl der Schwerpunkt aller Tätigkeiten im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit und der Werbung zu finden ist, sind prinzipiell auch andere Formen wie persönlicher Verkauf oder Verkaufsförderung denkbar. Doch das Instrument selbst tritt gegenüber dem Medium Internet immer mehr in den Hintergrund. Politische Kommunikationspolitik dominiert zwar den politischen Marketingprozeß, verliert dadurch aber auch an Identität und Charakteristik. Die Beantwortung des „wie was warum" kommuniziert wird, ist wichtiger als die Frage nach der Form, ob es sich um Werbung, Public Relations Aktivität, persönlichen Verkauf oder Sales Promotion handelt.

Das Internet ist ein Informations- und Kommunikationsmedium und hilft daher die politische Botschaft vom Produzenten zum Konsumenten zu transportieren. So vielfältig wie das Spektrum des Netzes sind dabei die Möglichkeiten für einen politischen Einsatz. Jeder einzelne Dienst, von Telnet bis zum World Wide Web, hat seine charakteristischen Vorzüge und Nachteile. Es ist jedoch sinnvoll, politische Kommunikation auf drei unterschiedlichen Ebenen zu analysieren. Je nach vorrangigem Ziel der Aktivität lassen sich unterscheiden:

  • Push Marketing
  • Pull Marketing
  • Guerilla Marketing
  1. Push Marketing

Politisches Push Marketing ist sehr eng mit dem englischen Terminus der „grassroots politics" verwandt. Es handelt sich dabei um jene Basisarbeit die geleistet werden muß, um Anhänger zu akquirieren, zu organisieren und zu mobilisieren. Es ist eine Form von politischer Überzeugungsarbeit, der vor allem in den USA enorme Wichtigkeit zukommt. Das Fehlen straffer Parteibindungen und -organisationen macht es für jeden Kandidaten zur Notwendigkeit, auf lokaler sowie auf nationaler Basis, sich zuerst eine Wahlkampfinfrastruktur mit Unterstützungsbüros und jede Menge freiwilliger Helfer aufzubauen, um auch nur daran denken zu können, in seinem Streben nach einem politischen Amt erfolgreich zu sein.

Dieser Vorgang ist vergleichbar mit dem Formierungsprozeß von neuen sozialen Bewegungen, Bürgerinitiativen oder dergleichen. In Europa mit seinen alteingesessenen Großparteien, die bis auf lokale Ebene mit Büros durchorganisiert sind, nimmt Push Marketing zu Wahlkampfzwecken aus verständlichen Gründen nur einen mitunter geringeren Stellenwert ein. Dies heißt jedoch nicht, daß es angesichts ausbleibender Jugend unter den Parteimitgliedern nicht angebracht wäre, sich ernsthafte Gedanken darüber zu machen, wie Mitarbeit auf operativer Ebene wieder interessant und attraktiv gestaltet werden kann.

Der Vorteil des Internets ist, daß in der Kommunikation soziale Barrieren überwunden werden. Die technischen Möglichkeiten des Netzes erlauben (noch) keinen Kontakt von Angesicht zu Angesicht. Jedem Teilnehmer wird vorurteilslos gegenübergetreten und er wird nur nach der Qualität seiner Aussagen beurteilt. Die semi-anonyme Umgebung macht es für Außenstehende auch leicht, in eine derartige Interessengemeinschaft einzutreten, ohne die Folgen von Ablehnung und Abneigung direkt fürchten zu müssen. Es entsteht eine virtuelle Gemeinschaft, die einer neuen sozialen Bewegung ähnlich, meist nur von einem oder wenigen gemeinsamen Interessen getragen wird, die durchaus politischer Natur sein können.

Der Grund für vereinfachte Bedingungen für effektives Push Marketing am Netz ist darin zu suchen, daß Computer vermittelte Kommunikation, das Internet also, die Transaktionskosten dieser Art politischer Basisaktivität vermindert und die Gruppenbildung erleichtert.

Das Internet reduziert die Organisationskosten hinsichtlich Kommunikation, Koordination und Information durch höhere Geschwindigkeit und niedrigeren monetären Aufwand, der Möglichkeit sowohl asynchroner als auch x zu x Kontakte, sowie den Vorteilen der Automation bestimmter Prozesse.

Dies beeinflußt kollektive Aktivitäten in der Weise, als daß es leichter ist, Interessensgruppen zu bilden, neben den verringerten Kosten kann das Problem von Trittbrettfahrern durch verbesserte Kommunikation gezielter in den Griff bekommen werden, daß die Effizienz der Gruppenarbeit durch beschleunigte interne Prozesse gesteigert wird und daß Mitglieder durch optimierte Informationsvorgänge einerseits verstärkt rekrutiert, andererseits mittels genauerer Abstimmung zwischen den allgemeinen und individuellen Wünschen und Bedürfnissen in höherem Ausmaß zufriedengestellt werden.

Diesen potentiellen Einsparungen stehen nur geringe Kosten der Verwendung von Internet Technologie gegenüber. Zwar initiiert Computer vermittelte Kommunikation Probleme im Zugang zu Netzwerken und Schwierigkeiten hinsichtlich kognitiver Komplexität, dem sogenannten „information overload", doch stehen diese in keiner Relation zu den gewonnenen Vorteilen. Manche der kolportierten Nachteile, wie die bereits beschriebene Verzerrung der Internetpopulation in Richtung junger, gebildeter Menschen, können darüber hinaus im Sinne des Zielgruppengedankens von Fall zu Fall umgekehrt und für eigene Zwecke ausgenützt werden.

Neben den Vorteilen des Push Marketing, erleichtert das Netz auch unterschiedliche Formen des Pull Marketing. Als Massenmedium verspricht das Internet neue Einsatzmöglichkeiten politischer Kommunikationsmaßnahmen, die in Folge vorgestellt werden sollen.

  1. Pull Marketing

Pull Marketing konzentriert sich auf die Verwendung von Massenmedien, um die Botschaft eines Kandidaten zum Wähler zu transportieren, und stellt somit den zweiten Informations- und Vertriebskanal zwischen Politikproduktion und -Konsumption dar.

Grundsätzlich kann dies auf zwei mögliche Arten geschehen:

Im indirekten Pull Marketing bedient sich die Politorganisation eines Mittlers, um ihre Nachricht zu kommunizieren. Der tatsächliche Transport der Botschaft erfolgt üblicherweise durch Journalisten, die in Agenturen, Zeitungen, Radio, Fernsehen, etc., aus einer Unzahl an Informationen jene auswählen, die sie einer Berichterstattung für wichtig genug empfinden. Der Vorteil dieser Art des Vorgehens liegt für die politische Seite im Nutzen von Multiplikatoreffekten und der höheren Glaubwürdigkeit bei der Bevölkerung, da ein scheinbar objektiver Filter zwischengeschaltet ist. Der Nachteil liegt evidenterweise in der geringen Kontrollmöglichkeit über den Vermittlungsprozeß. Journalisten stehen üblicherweise nicht in Parteidiensten, verfolgen unterschiedliche Ziele und Ansichten und müssen, zumindest um nach außen wirklich unabhängig zu erscheinen, auch über die Aktivitäten, Ansichten und Meinungen der Gegenseite berichten.

Eine Möglichkeit der besseren Einflußnahme ist daher die oft geforderte redaktionelle Wahlkampfführung in den Kandidatenbüros. Einerseits erhöht professionelle Nachrichtengestaltung die Kontrolle über die indirekte Kommunikation, andererseits schafft dies erst die Basis für die Form des direkten Pull Marketing.

Der unmittelbare Weg zum Bürger war auch schon früher, zum Beispiel durch Flugzettel oder dergleichen, möglich. Doch erst die Entwicklung neuer Informations- und Kommunikationstechnologien garantiert einen effizienten und effektiven Einsatz. Direktes Pull Marketing bedient sich moderner Massenmedien, um die politische Botschaft ohne journalistische Umwege unmittelbar zum potentiellen Rezipienten zu transportieren. Dies kann durch Parteizeitungen, Belangssendungen im nationalen Fernsehen, den „Infomercials" von Ross Perot, oder durch andere, neue innovative Wege geschehen. Unter anderem durch das Internet, dessen breites Angebot an Diensten auch ein weites Spektrum an Anwendungsmöglichkeiten bietet.

E-Mails, zum Beispiel, können bei Vorhandensein entsprechender Datenbanken für gezielte Massenaussendungen verwendet werden und durch die Möglichkeiten der Automation darüber hinaus mit einem bisher unbekannten Ausmaß an personalisierten Inhaltselementen.

Durch Mailing Listen lassen sich interessierte Netzteilnehmer kostengünstig und blitzschnell informieren und im Anwendungsfall auch mobilisieren. Geschieht dies in einer moderierten Form, kann damit auch garantiert werden, daß die Verbreitung unerwünschter Kommentare und Kritik unterbunden wird. Darüber hinaus bilden sie eine attraktive Zusatzleistung zu vorhandenen World Wide Web Präsentationen, indem der Abonnement einer Mailing List regelmäßig über die Neuigkeiten im Internet Angebot einer Organisation informiert wird, ohne seine Bequemlichkeit aufgeben und selbst nachforschen zu müssen.

Etwas schwieriger unter Kontrolle zu halten ist die Verwendung von NetNews. In diesen Diskussionsforen, den Newsgroups, findet das eigentliche politische Leben des Netzes statt. Man kann davon ausgehen, daß zu jedem beliebigen politischen Thema bereits eine Gruppe existiert, in der heftigst, oft jedoch nur auf Stammtischniveau, alle möglichen Facetten eines Problems beleuchtet werden.

Eine Kontrolle über Meinungen und Ansichten auszuüben ist bei NetNews beinahe unmöglich. Für den politischen Marketer besteht aber die Chance, sich durch kompetente und durchdachte Beiträge ein entsprechendes Image aufzubauen und Diskussionen gleich einem „spin doctor" in die richtige Richtung zu lenken. Das Ergebnis ist Unterstützung in wichtigen Kernbereichen, deren Umsetzung in einen Wahlerfolg jedoch genauso schwierig ist, wie dies bei der Verwendung indirekter Marketing Techniken der Fall ist.

NetNews bietet jedoch auch die Möglichkeit, Teilnehmer direkter in den politischen Prozeß einzubinden. So wurde zum Beispiel in Österreich ein Gesetzesvorschlag von der Sozialdemokratischen Partei über Impressumspflicht für das World Wide Web in den dafür relevanten Newsgruppen vorgestellt und diskutiert. Daß die Bürger diese Form der scheinbaren Mitsprache dankbar annehmen, zeigt die Fülle an, größtenteils positiven und konstruktiven Beiträgen. Und dies trotz der evidenten Mängel des Gesetzesvorschlages und der vorgeschlagenen, unter normalen Umständen unbeliebten, Eingriffe in die persönliche Netzfreiheit.

Kern eines jeden Informationsangebots am Internet sind die Heimatseiten einer politischen Organisation im World Wide Web. Hier kann alles Material zur Verfügung gestellt werden, das tatsächlich kommuniziert werden soll. Die Verwendung von anonymen ftp macht es in diesem Zusammenhang sogar möglich, große Dateiarchive anzulegen, die für jeden Benutzer leicht zu handhaben sind.

Die Existenz von WWW Seiten alleine stellt jedoch noch nicht das Vorhandensein tatsächlicher Kommunikation sicher. Ein derartiges Angebot muß für den Internet Nutzer attraktiv gestaltet sein, da es einzig und alleine am Individuum liegt, ob es die gebotenen Möglichkeiten nutzen will oder nicht. Politische Texte, Parteiprogramme oder Reden werden daher kaum in der Lage sein, einen Stammbesucherkreis aufzubauen. Es ist unbedingt nötig, interessante Zusatzfunktionen, wie feed back Optionen, attraktive Informationspools, online talk oder auch Gewinnspiele und Sonderaktionen anzubieten. Gemeinsam mit einem ständig auf den letzten Stand gebrachten Nachrichtenteil erhält der Netz Nutzer was er will, neueste Information und Unterhaltung - Infotainment. Die Webadresse schafft es in die bookmarks, den elektronischen Lesezeichen für Internet Bewanderte, und wird so immer wieder besucht.

Daß ein Verstoß gegen die Regeln der Aktualität aber auch seinen Nachrichtenwert haben kann, zeigt das Beispiel der steirischen ÖVP. Ihre Ignoranz, die (bitteren) Änderungen nach den Wahlen im Dezember 1995 auch in ihrem WWW Angebot aufzunehmen, verhalf ihr Ende Jänner des neuen Jahres als Kuriosum sogar auf die Titelseite der österreichischen Tageszeitung „Der Standard".

Eigentlich auch eine Form des Pull Marketing, aber am Internet in einer spezifisch ausgeprägten Form und in einem ganz speziellen Umfeld vorhanden, ist das Guerilla Marketing. Seine Besonderheiten sollen daher im folgenden Abschnitt kurz dargelegt werden.

  1. Guerilla Marketing

Unter Guerilla Marketing lassen sich alle jene Aktivitäten subsumieren, die als ethisch nicht ganz rein angesehen werden können. In irgendeiner Weise verstoßen sie also gegen gängige Normen und Konventionen, stellen den organisatorischen Erfolg vor die guten Sitten. Prinzipiell widersprechen sie daher dem Marketinggedanken, da sie eher auf einer Verkaufsstrategie, als auf dem Streben nach bilateral vorteilhaften Transaktionen basieren.

Das Internet als gesetzesfreier, internationaler Kommunikationsraum, der durch soziale Normen und Zwänge reguliert wird, findet sich dabei im Widerspruch zu seiner eigenen, amerikanisch geprägten Mentalität. Der Sinn des „business", dem Ausnutzen von geschäftlichen Möglichkeiten, wo auch immer die sich bieten, verträgt sich nicht mit dem Pioniergeist der ersten Internet Nutzer.

Der Terminus „Guerilla Marketing" wurde am Netz als erstes von den US amerikanischen Anwälten für Immigrationsfragen Canter und Siegel geprägt, die, mit ihren Versuchen die Möglichkeiten das Internet kommerziell auszunutzen, heftige Kontroversen auslösten und später über ihre Erfahrungen ein vieldiskutiertes Buch veröffentlicht haben.

Canter und Siegel erfuhren vom Internet und seinen international weitreichenden Benutzerkreis und versuchten, in verschiedensten Newsgruppen des NetNews System durch massives Werben für ihre Dienste, Hilfe bezüglich der amerikanischen Green Card Lottery, die Möglichkeiten des Netzes zu ihrem Vorteil zu gebrauchen. Was sie nicht wußten ist, daß sie damit den Startpunkt für die, an früherer Stelle vorgestellte, kommerzielle Expansionsphase des Internets setzten.

Bis zu diesem Zeitpunkt stand das Netz in einer rein akademisch-professionellen Tradition, die jede geschäftliche Tätigkeit als störend empfand und untersagte. Schließlich war die Netzinfrastruktur größtenteils durch öffentliche Mittel zu Zwecken wissenschaftlichen Gebrauchs finanziert worden.

Die Relevanz dieses Vorfalles für die politische Kommunikation am Internet läßt sich darin ableiten, daß auch im modernen Parteimanagement aggressive Marketingmethoden wie direct mailing und Telefonschneeballsysteme gefordert werden. Diese Art von Aktivität läßt sich ohne größere Probleme auch auf das Internet übertragen.

Gibt es in der realen Welt jedoch Gesetze, die selbst von politischen Organisationen eingehalten werden müssen, fehlt ein solcher Mechanismus im grenzüberschreitenden, künstlich geschaffenen Kommunikationsraum des Internet. Die Versuchung, nicht ganz saubere „Marketingmethoden" am Netz anzuwenden, ist genauso groß wie die Anzahl der Möglichkeiten die dazu geboten werden.

Nicht nur daß ein beträchtlicher Teil der vorzufindenden papierlosen Kommunikation ohnehin aus Massenartikel und E-Mail Schrott besteht, so gibt es noch eine Reihe anderer, denkbarer aber bedenklicher Aktivitäten am Internet.

Allgemein störend sind ungebetene E-Mails und für die jeweilige Newsgroup unpassende NetNews Beiträge in Kettenbrief oder Massenform. Etwas subtiler ist die kommerzielle Verwendung freiwillig überlassener Benutzerdaten, wie sie zum Beispiel bei anonymen ftp oder bei manchen Web Adressen als Zugangskennung erhoben werden. In die gleiche Richtung geht die Auswertung der in der Client-Server Architektur automatisch übersendeten Information, die zum Beispiel eine Vorselektion angebotener Inhalte durch breite Segmentierung anhand der Internetadresse des Zielsystems ermöglicht. Der Vorteil des Benutzers, das Webservice in der für ihn richtigen Sprache präsentiert zu bekommen, erscheint in einem anderen Licht, wenn man daran denkt, daß er damit vielleicht auch gleich ein auf ihn abgestimmtes Marketingmenü erhält.

Ein grober Verstoß gegen den Datenschutz ist hingegen der Einsatz entsprechender Programme zum geheimen und unerlaubten Ausfindigmachen von E-Mail Adressen oder die Auswertung von in sogenannten „cookies" gesammelten Verhaltensmuster einzelner Benutzer.

Für den politischen Bereich überaus interessant ist ein Internet Abkömmling des „negative advertising", den Negativkampagnen oder Schlammschlachten. So ist es zum Beispiel möglich, ein Korn falscher Information über einen Kandidaten ins Netz zu pflanzen, das sich in Folge durch die systeminhärente Kommunikationsdynamik rasend schnell ausbreitet und so den guten Ruf eines politischen Gegners ruiniert.

Dies ist ebenso durch geschicktes Ausnützen des sogenannten „innuendo Effektes" möglich. Ein extrem negativ besetztes Objekt, zum Beispiel die Mafia, in unmittelbare Nähe zu einer Person gebracht, führt zu unbewußten Ausstrahlungseffekten. Die Schlagzeile „Keine Verbindung zwischen Mayer und Schmiergeldskandal" hätte demnach trotzdem negative Konsequenzen für das Ansehen der betroffenen Person, ohne daß eine eigentlich kriminelle Handlung gesetzt worden wäre.

Prinzipiell ist es im Internet aber möglich, ohne Schwierigkeiten Lügen, Verleumdungen, etc., zu verbreiten. Einerseits fehlt eine zuständige Gerichtsbarkeit, andererseits ist vollständige Anonymität durchaus kein Problem.

Daß das Leben im Netz trotzdem in halbwegs geordneten Bahnen abläuft, dafür sorgt die „Internet Community", die Gemeinschaft aller Nutzer. Das Netz entwickelte sich zu einem auto-regulativen sozialen Organismus mit festgesetzten Regeln. Die heterogene Gruppe der Internet Teilnehmer anerkennt das öffentliche Gut des „social network capital", das „Kapital eines sozialen Netzwerkes", als schützenswert und wird dadurch zum Kollektiv, das sich in seiner charakteristischen Art und Weise gegen dessen Zerstörung stellt.

Ein Regelungsmechanismus wird geschaffen, den Canter und Siegel verächtlich aber treffend als „above the law", über dem Gesetz stehend, bezeichnen. Aus den englischen Wörtern für Netz und Etikette leitet sich der für diese formalisierten Regeln abgeleitete Terminus ab: Die „Netiquette".

Eine genauere Beschreibung der geltenden Richtlinien würde den Rahmen dieses Abschnittes sprengen. Es läßt sich aber sagen, daß es sich bei der Netiquette um anerkannte Normen und Regeln handelt, die nach einem dynamischen Prozeß sozialer Interaktion letztendlich formalisiert und schriftlich festgehalten wurden. Die Einhaltung erfolgt freiwillig. Das Fehlen konkreter Sanktionsmöglichkeiten bedeutet aber nicht die Hilflosigkeit gegenüber etwaigen Verstößen. Kollektives Handeln einer Vielzahl beteiligter Internet Nutzer bringt oder zwingt die Verwalter der Netzinfrastruktur, Systemadministratoren, Postmaster, etc., zu konkreten Maßnahmen.

Canter und Siegel, zum Beispiel, mußten neben persönlichen Angriffen, wüsten Beschimpfungen und dergleichen, auch mehrmals den Verlust ihres Netzanbieters und damit ihrer Präsenz am Internet in Kauf nehmen. Die jeweils verantwortlichen Betreiber sahen sich nicht länger in der Lage, das ihnen anvertraute Computersystem gegen die wütenden Massenproteste ohne den Ausschluß der Anwälte am Laufen zu halten. Derartige kollektive Sanktionen ersetzen somit die Anwendung und Exekution untreffender, nationaler Gesetze.

Ein interessanter Aspekt solcher Aktionen ist das Auftreten eines Gemeinschaftssinnes. Trotz der Heterogenität der involvierten Netzteilnehmer kommt es zur Bildung eines Kollektives, das durch ein und dasselbe Interesse geleitet wird. Das Auftreten virtueller Gemeinschaften ist jedoch auch der erste Schritt zu neuen politischen Formen. Die Demokratie heutiger Prägung mag daher durch die Möglichkeiten der elektronischen Kommunikation bald überholt sein.

Macht die Informationsgesellschaft die Welt zum Dorf und bringt sie mehr direkte Machtbeteiligung der Bürger? Aspekte, die in einem kurzen Ausflug über die Zukunft politischer Kommunikation am Internet, der möglichen Form einer elektronischen Demokratie, beleuchtet werden sollen.

  1. Politische Zukunft am Internet - Elektronische Demokratie?

 

Ein interessanter Aspekt im Umgang mit dem Internet ist die Tatsache, daß es in der breiten Öffentlichkeit euphorisch umjubelt wird. Dies eigentlich deswegen, da meist darüber diskutiert wird, was die Infobahn für Möglichkeiten und Chancen für die Zukunft bieten würde. Kaum einmal steht die Frage im Mittelpunkt, was es gegenwärtig leistet und wo es bereits jetzt Vorteile verschaffen kann.

Das gleiche Verhalten ist beim Thema „politische Kommunikation und Internet" zu beobachten. Neben den immer wieder verwendeten Beispielen, die zeigen sollen, welche neue Dimension politische Partizipation im Netz erreichen kann, steht dabei ein Begriff im Vordergrund: Die Elektronische Demokratie.

Schlimm genug, daß die meisten zitierten Anwendungsfälle bereits erfolgreicher Versuche politischer Kommunikation eigentlich nur wenig mit dem Internet in seiner heutigen Form zu tun haben, wird bei den Überlegungen über die Zukunft der Informationsgesellschaft auch noch polarisiert: Technophile Utopisten mit der Vision eines „Athen ohne Sklaven" treffen auf unverbesserliche Pessimisten, die eine Zwei-Klassengesellschaft der Info- und Aninfobeten kommen sehen.

Die Wahrheit wird wie immer irgendwo in der Mitte liegen. Tatsache ist jedoch, daß der gegenwärtige politische Prozeß in einer durch die Massenmedien wie Fernsehen oder Radio dominierten und geschaffenen öffentlichen Sphäre stattfindet. Der Wechsel von den herkömmlichen 1 zu x Medien in Richtung x zu x Kommunikation wird darauf nicht ohne Einfluß bleiben.

Die jetzt führenden politischen Marketing Experten wie Roger Ailes, die als Kinder des Medienzeitalters gelten und wissen, wie man Fernsehen „zu machen" hat, werden sich anpassen oder jenen Platz machen müssen, die die neuen Wege erkennen, wie die Wählerschaft erreicht und unterhalten werden kann.

Zum Abschluß dieses Kapitels theoretischer Betrachtungen über politische Kommunikation am Internet eine kurze Reflexion darüber, was unter dem Begriff der „elektronischen Demokratie" allgemein verstanden wird und worin die wichtigsten Kritikpunkte gegen eine Technologie dominierte Herrschaftsform liegen.

  1. WAS IST „ELEKTRONISCHE DEMOKRATIE"?

Die Frage nach Form und Ausgestaltung einer elektronischen Demokratie ist nicht ohne weiteres zu beantworten. Es gibt bislang noch keine ernstzunehmenden Vorschläge darüber, wie sie tatsächlich aussehen wird, sondern nur philosophische Betrachtungen über ihre allgemeine Charakteristik. Ausführlichster Beitrag zu diesem Thema ist das von Grossman verfaßte Buch der „elektronischen Republik", in dem die wichtigsten Überlegungen und Annahmen des gegenwärtigen Diskussionstandes zusammengefaßt und präsentiert werden.

Als Ausgangspunkt für die schrittweise Annäherung an das theoretische Konstrukt einer elektronischen Demokratie steht die Frage, warum überhaupt eine Änderung der gegenwärtigen Herrschaftsform westlicher Industriestaaten? Dies kann nur wünschenswert sein, wenn die momentanen politischen Institutionen, insbesondere die Legislative, nicht mehr oder noch nie den Willen der Bevölkerung vertreten haben.

Ist man solcher Auffassung, muß man nach besseren Alternativen suchen und beantworten, warum sich diese noch nicht durchgesetzt haben. Lanphier, zum Beispiel, führt die direkte Demokratie als bessere Lösung an und nennt drei Gründe, warum es sie (noch) nicht gibt:

  1. Wahlen sind teuer und zeitraubend. Aus diesem Grund kann nicht über jedes Thema einzeln abgestimmt werden.
  2. Es ist unmöglich, die gesamte Wählerschaft über alle Entscheidungshintergründe informiert zu halten.
  3. Der Wähler ist gar nicht daran interessiert, über alle möglichen Dinge selbst abstimmen zu müssen.

Zumindest die ersten beiden angeführten Argumente für eine repräsentative Demokratie sind bei Vorhandensein einer voll ausgebauten Informationsinfrastruktur, die Vorstellung des Internets als Infobahn, in Zukunft nicht mehr stichhaltig genug.

Abstimmungen im digitalen Zeitalter sind einfach, billig und kosten kaum noch Zeit. Nach einer elektronischen Identifikationsprozedur erfolgt einfach ein Knopfdruck oder Mausklick am Terminal zu Hause, in der Arbeit oder an öffentlichen Plätzen, und die Wahl ist vollzogen. Die Hintergrundinformationen bezüglich der abzustimmenden Themen sind ebenso schnell abrufbar, wie alles andere, Fahrpläne, Einkaufsangebote, Romane, Musik, etc.

Ist die Weitergabe des Stimmrechts an andere Personen erlaubt, so sind auch diejenigen zufrieden gestellt, die unter den letzten angeführten Punkt subsumiert werden können. Gibt es die Möglichkeit seine Entscheidungsbefugnis abzugeben oder nicht ausüben zu müssen, bedeutet das eine zumindest partielle Einbeziehung repräsentativer Strukturen.

Über die technische Machbarkeit solch eines Systems herrscht kein Zweifel. Wahlgeheimnis, Stimmenfälschung und andere Dinge sind nur Kleinigkeiten, für die sichere Lösungen gefunden werden können.

Eine Kernfrage bleibt jedoch offen: Ist direkte im Gegensatz zu repräsentativer Demokratie wirklich die bessere Regierungsform?

Überlegungen dazu sind schon fast so alt wie Politik selbst. Die Befürworter einer elektronischen und damit direkten Demokratie gehen von einer zunehmenden Politikverdrossenheit in der Bevölkerung aus, die sie als Beweis dafür werten, daß die Volksvertreter nicht mehr den Willen ihrer Wählerschaft repräsentieren.

Eine 1992 in den USA dazu durchgeführte Umfrage ergibt, daß 72 Prozent aller Befragten der Meinung sind, die politischen Führer seien ohne Kontakt zum Volk. Genau zwei Drittel geben an, ein Gefühl der Machtlosigkeit zu haben und noch ganze 61 Prozent behaupten, daß sich Politiker nicht um sie kümmern würden.

Befürworter elektronischer Demokratie fordern daher das eingangs erwähnte „Athen ohne Sklaven", die Einrichtung eines elektronischen Marktplatzes, einer politischen Bühne gleich der antiken „Agora", die zumindest die Macht von den Medien zurück zu den „kleinen" Leuten bringt.

Doch schon die altgriechischen Philosophen waren sich der Vorteile direkter Herrschaftsformen nicht sicher. Platon meint in seinem Werk „Republik", daß Demokratie einer regierenden Elite bedarf, die besser als die Allgemeinheit informiert ist.

Die gleiche Auffassung vertraten die politischen Denker des ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhunderts, in der Zeit also, in der sich die Wurzeln eines großen Teils heutiger Verfassungen wiederfinden. Bezeichnend ist der Ausspruch des Engländers Sir Edmund Burke, der im November 1774 anläßlich seiner „Speech to the Electors of Bristol" meinte: „....your representative owes you, not his industry only, but his judgement; and he betrays instead of serving you if he sacrifices it to your opinion.".

In die gleiche Kerbe schlagen die Väter der amerikanischen Verfassung. Der Föderalist Hamilton war davon überzeugt, daß eine politische Elite besser sei, als das wankelmütige Urteil der Bevölkerung. Madison hingegen glaubte an die unterschiedlichen Fähigkeiten von Menschen und leitete daraus ab, daß Wahlen Plebisziten vorzuziehen wären.

Ist dieses elitäre Argument aber auch durch empirische Befunde belegt? Page und Shapiro von der Columbia Universität in New York veröffentlichten 1992 eine großangelegte Studie „The Rational Public", in der sie darlegen, daß das öffentliche Kollektiv durchaus vernünftige, kohärente und konsistente Entscheidungen trifft. Individuen sind dagegen instabil und unsicher.

Dies würde bedeuten, daß die öffentliche Meinung langfristig die besseren Urteile fällt. Genauer betrachtet ist es jedoch eher ein Argument für Demokratie im generellen, nicht aber für eine bestimmte Form im besonderen. Entscheidungen zu treffen ist eine Sache, Politik zu machen eine andere.

Wahrscheinlich ist, daß keine der beiden Seiten die Diskussion für sich alleine entscheiden wird können. Ein Kompromißvorschlag wäre daher eine Reform derzeitiger repräsentativer Demokratien unter Einbeziehung vermehrter direkter Elemente. Gerade im Bereich der Information und des Abstimmungsprozedere könnten dabei die neuen Kommunikationstechnologien von großen Nutzen sein.

Es bedarf daher Änderungen auf vier unterschiedlichen Ebenen:

  1. Verbesserung der Bildung: Mehr direkte Demokratie braucht eine mündige, interessierte Bürgerschaft.
  2. Verbesserung der Information: Für öffentliche politische Entscheidungen müssen die Hintergrunddaten allgemein zugänglich gemacht werden.
  3. Institutionelle Reform: Die Kommunikation zwischen dem Volk und seinen Repräsentanten muß unter Beachtung neuer Technologien verbessert werden.
  4. Politische Reform: Der Prozeß der Politikgestaltung und -durchsetzung muß für die Öffentlichkeit transparenter gestaltet werden.

Neben den eher allgemeinen Abwägungen zwischen direkter und repräsentativer Demokratie gibt es noch weitere, grundsätzliche Kritikpunkte an der elektronischen Republik. Diese sollen im folgenden, letzten Abschnitt der Theorie der politischen Kommunikation vorgestellt werden.

  1. KRITIK AN DER ELEKTRONISCHEN DEMOKRATIE

Die elektronische Republik weist eine Reihe weiterer Kritikpunkte auf. Angefangen bei allgemeinen Argumenten gegen Demokratie als Herrschaftsform, bis hin zu spezifischeren Themen wie die Rolle der Gewaltenteilung oder ihr Unterhaltungswert für die Bevölkerung. Im folgenden soll ein kurzer Überblick über die wichtigsten Überlegungen gegeben werden.

Sich für eine elektronische Demokratie zu entscheiden, heißt gleichzeitig gegen eine andere Herrschaftsform zu sein. Es existiert aber eine Reihe von Argumenten, die gegen solch eine Entscheidung sprechen. Demokratie ist falsch, da sie den Übergang in eine post-demokratische Welt blockiert, Nationalismus fördert, sich ständig intensiviert, einen Monopolanspruch auf die Weltordnung erhebt, Minderheiten unterdrückt, von einem kontra-ethischen Vorgehen geprägt ist und eine ungerechte Gemeinschaft in sich noch verstärkt.

Für jeden einzelnen dieser Punkte ließe sich nun die Rolle neuer Informations- und Kommunikationstechnologien diskutieren. Unter der Annahme, daß eine elektronische Demokratie den Willen der Bevölkerung besser repräsentieren würde, als es durch gewählte Volksvertreter der Fall wäre, zeigt sich, daß beinahe allen oben angeführten Kritikpunkten zuzustimmen ist. Die Einführung einer elektronischen Demokratie bedeutet die Einführung einer konsequenteren Demokratie, mit allen ihren Vorteilen aber auch Gefahren.

Eine zweite Gruppe an Argumenten behandelt weniger die Demokratie selbst, als die vermehrte Verwendung Computer vermittelter Kommunikation. Der Einsatz der Elektronik hat nicht nur positive Auswirkungen auf den politischen Prozeß. Vor allem drei theoretische Ansätze zur Kritik neuer Informations- und Kommunikationstechnologien in der Politik lassen sich unterscheiden:

  • Kommodifikation der öffentlichen Sphäre: Unter diesem Titel wird ein vielschichtiger politischer Prozeß subsumiert, der bereits heute zu beobachten ist. Das von den Massenmedien wie Fernsehen inszenierte Kopf an Kopf Rennen politischer Kandidaten geht auf Kosten tatsächlicher Sachinhalte. Der eigentliche Verlierer ist daher die Öffentlichkeit, die keine Informationen über wirkliche Reformvorschläge mehr erhält.

Der öffentliche Raum, der früher dem politischen Diskurs diente, wird mehr und mehr von einer künstlichen „Ersatz-Öffentlichkeit" verdrängt, die weniger dem Disput, als der eigenen Selbstdarstellung dient. Eigentliche Inhalte werden durch verstärkte Werbung substituiert. Geld wird zum zentralen Faktor, da es einerseits die Medien selbst, andererseits dadurch auch öffentliche Präsenz zu kaufen vermag. Publizität wird zum handelbaren Gut.

Die Kritik richtet sich daher auch gegen die professionellen Praktiken des politischen Marketings, der Generierung von Pseudo-Ereignissen, der publikumswirksamen Darstellung eines Kandidaten. Zusätzlicher Einsatz neuer Informations- und Kommunikationstechnologien bedeutet eine Verstärkung dieses Prozesses, da die Parteien auch den Filter des Journalismus partiell umgehen könnten.

Solcher Art an Argumentation ist nur entgegenzuhalten, daß gerade die große Chance einer Informationsgesellschaft in der Wiederbelebung der öffentlichen Sphäre liegt. Ein Abbau der Medienmacht bringt eine Demokratisierung der Kommunikationsmittel und bessere Verfügbarkeit an Informationen. Dies müßte politische Kandidaten dazu bringen, sich mehr dem eigentlichen Marketinggedanken zu widmen: Der Erfüllung der Wünsche und Bedürfnisse ihrer Wähler.

  • Das Panopticum: Der Begriff des Panopitcum geht auf Bentham zurück, der ein Gefängnis konstruierte, das die jederzeitige Überwachung aller Gefangenen erlaubt. Da diese nie sicher sein können, nicht gerade überprüft zu werden, müssen sie sich zwangsläufig immer regelkonform verhalten.

Das Argument gegen eine elektronische Demokratie ist deshalb vergleichbar mit einer generellen Technologiekritik. Neue Möglichkeiten der Information und Kommunikation sind auch zur Überwachung des Individuums einsetzbar und würden daher seine Freiheit einengen. Datenschutz im Netz wird daher zum obersten Gebot, um den gläsernen, manipulierbaren Menschen zu verhindern.

  • Hyper-Realisten: Diese philosophische Schule beklagt, daß neue Informations- und Kommunikationstechnologien Realität in eine Hyper-Realität transformieren würden. Diese ist durch die Medien vorselektiert und konstruiert. Das Individuum nimmt nur noch war, was ihm an Wahrheit vorgesetzt wird und nicht, was tatsächlich passiert.

Stellt sich die Frage, nach der besseren Alternative: Eine künstlich geschaffene Welt, die wie heute von den Machern der Massenmedien konstruiert wird, oder eine, die man sich selbst aus einer Unmenge an Information gestalten kann.

Die dritte und letzte Gruppe an Argumenten gegen eine elektronische Demokratie bezieht sich auf ganz spezifische Schwachpunkte. So ist es zum Beispiel schwer vorstellbar, wie das System der Gewaltenteilung, den „checks and balances, in einer elektronischen Republik Rechnung getragen werden könnte. Zweifelsohne müßte den Gerichten mehr Machtbefugnisse eingeräumt werden, um das Volk vor sich selbst zu schützen. Demokratie bedeutet die Herrschaft mittels Mehrheitsentscheidung und produziert daher immer Minderheiten, die einem besonderen Schutz anderer Institutionen bedürfen.

Vergleichbare Kritikpunkte sind die Schwachpunkte elektronischer Versammlungen, sogenannten „electronic town hall meetings", mit direkt anschließenden Plebisziten. Solche Formen der Politik führen zu einer Polarisation der Meinungen, Populismus und autoritärem Führungsstil. Politik wird zum Abstimmungsspiel, das mehr dem Bedürfnis nach Unterhaltung, als dem nach Entscheidung gerecht wird.

Dies sind nur einige spezifische Schwachpunkte unter vielen, deren weitere, detailliertere Erläuterung an dieser Stelle nicht zielführend sein würde. Es gibt eine Reihe von Argumenten, die alle für oder wider die Einführung einer Form von elektronischer Demokratie auslegbar sind. Eine einzige richtige Lösung erscheint daher unwahrscheinlich. Zu sehr hängt die Beurteilung vom persönlichen Standpunkt ab. Generell ist jedoch anzunehmen, daß Politiker eher gegen, während ihre Wähler eher für mehr direkte Elemente in der Demokratie sein werden.

  1. Praxis der politischen Kommunikation am Internet

Nachdem im vorhergehenden Kapitel dieser Arbeit die theoretischen Aspekte politischer Kommunikation am Internet näher beleuchtet wurden, sollen nun zum Abschluß gegenwärtige Beispiele aus der Praxis vorgestellt werden.

Gerade hier zeigt es sich jedoch wieder, daß es leichter ist, am und mit dem Netz zu arbeiten, als anschließend darüber zu diskutieren. Der Vorteil des World Wide Webs, dem bekanntesten und umfassendsten Internet Dienst, ist seine intuitive Verständlichkeit und seine Vielfältigkeit an Erscheinungsformen. Genau das verhilft neuen Benutzern dazu, schon von Anfang an ohne Schwierigkeiten erfolgreich durch ein breites Spektrum an Informationsangeboten navigieren zu können. Praxis am Internet bedeutet, sie selbst zu erleben. Eine Deskription aus zweiter Hand ist im Vergleich dazu wieder nur reine Theorie.

Im Internet selbst findet sich eine unüberschaubar große Menge an politischer Information und Kommunikation. Um dieses Überangebot an Möglichkeiten in den Griff zu bekommen, ist es deshalb zuerst nötig, Kategorien zu bilden, um einen Überblick über die tatsächliche Leistungsvielfalt zu gewinnen. Nachdem dies geschehen ist, kann mit einer exemplarischen Betrachtung begonnen werden.

Jede Kategorie für sich weist wiederum eine Unzahl an unterschiedlichen Erscheinungsformen auf. Im folgenden soll daher versucht werden, auch Diskrepanzen hinsichtlich politischer Kommunikation und Information im nordamerikanischen und europäischen Teil des Netzes aufzudecken.

Dies erfolgt durchaus in Berücksichtigung der im vorhergegangenen Kapitel dargelegten Unterschiede sowohl im Entwicklungsstand, als auch der Benutzerstruktur zwischen dem alten und dem neuen Kontinent. Existiert tatsächlich ein zeitliches Nachhinken in Europa gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika, so sollte dies beobachtbare Spuren im Dienstleistungsangebot am Internet hinterlassen. Es wird daher ein besonderes Augenmerk darauf gelegt werden, diese These durch empirische Beobachtungen zu bestätigen oder zu entkräften.

Im folgenden Abschnitt deshalb zuerst eine Kategorisierung politischer Inhalte am Netz, bevor eine genauere exemplarische Untersuchung der Praxis politischer Kommunikation am Internet erfolgt.

  1. Kategorisierung politischer Inhalte am Internet

 

Für ein einzelnes Indiviuum ist es unmöglich, das gesamte Spektrum an politischer Aktivität im Internet kennenzulernen. Zu groß ist die Vielfalt und das Angebot. In NetNews Gruppen und in Mailing Listen wird über alle möglichen Themen diskutiert und gestritten, Kandidaten und Parteien stellen ihr Programm im World Wide Web vor, Politiker sind via E-Mail genauso ereichbar, wie sie sich in online chat Foren der Öffentlichkeit zum Disput stellen, und öffentliche Institutionen machen eine Unmenge von Datenmaterial über gopher oder ftp einem breiten Benutzerkreis zugänglich.

Aus verständlichen Gründen ist es daher mit dem Rahmen dieser Arbeit nicht vereinbar, alle politischen Inhalte am Internet vorzustellen oder gar zu analysieren. Erste Eindrücke sollten ohne größere Schwierigkeiten durch eigenständiges Navigieren im World Wide Web unter Zuhilfenahme einschlägiger Netzadressen oder Verzeichnisse gewonnen werden können.

Für die Übersichtlichkeit dieses Kapitels erfolgt eine grobe Kategorisierung der politischen Inhalte am Internet in drei große Bereiche:

  • Politische Basisarbeit
  • Politische Öffentlichkeitsarbeit
  • Öffentliche Information

Eine Einteilung erfolgt gemäß der prädominanten Charakteristik der politischen Aktivität. Das Internet ist ein Kommunikations- und Informationsmedium. Dementsprechend lassen sich in jeder Tätigkeit am Netz beide Elemente, jedoch in unterschiedlicher Intensität, feststellen. Dies gilt auch für den politischen Bereich.

Politische Basisarbeit wird daher folgerichtig vom Element der politischen Kommunikation beherrscht. Es steht die Bildung von Gemeinschaften im Vordergrund, die die neuen Möglichkeiten des Netzes vorwiegend dazu nutzen, um ihre Wünsche und Vorstellungen besser aufeinander abzustimmen und durchzusetzen.

Politische Öffentlichkeitsarbeit weist hingegen im gleichen Ausmaß Elemente der politischen Kommunikation als auch Information auf. Zum einen erfolgt eine Koordination der Anhängerschaft und eine Intensivierung der Bürgerkontakte, eine kommunikativ zu bewältigende Aufgabe, zum anderen gilt es aber auch, über das angebotene politische Produkt selbst zu informieren.

Öffentliche Information hingegen weist, wie der Name schon andeutet, ein vorherrschend informatives Element auf. Institutionen wie Regierungen, Parlamente, Verwaltungen, Verbände, etc., wollen aus objektiver Sicht über ihre Tätigkeit informieren. Dies erfolgt jedoch weniger aus einem politischen Marketinggedanken heraus, Ziel ist nicht der Austausch eines Produktes gegen eine Stimme, sondern zu Zwecken objektiver Information und als Dienstleistung am Bürger.

Je nach Absicht der politischen Aktivität, Kommunikation oder Information, existieren auch Diskrepanzen in der Anwendung der zur Verfügung stehenden Internetdienste. Während zur Pflege eines bi- oder mulitlateralen Kontaktes eher die dynamischen und schnellebigen Instrumente des Netzes wie E-Mail, Internet Relay Chat (IRC), NetNews oder Mailing Listen im Vordergrund stehen, werden zu einseitigen, informativen Zwecken eher das World Wide Web, gopher oder (anonymous) ftp verwendet.

Evidenterweise entziehen sich aufgrund ihres dynamischen Charakters und der mangelnden Einsehmöglichkeit für externe Beobachter Aktivitäten zur vorwiegend politischen Kommunikation in weiten Bereichen einer genaueren Analyse. Politische Information weist hingegen als primäres Ziel den (einseitigen) Kontakt mit externen Interessensgruppen auf, dementsprechend einfacher ist es, einen Einblick in dies Form politscher Inhalte zu bekommen.

Im folgenden sollen die Ausprägungen aller drei Kategorien politischer Aktivität am Internet näher vorgestellt werden.

  1. Politische Basisarbeit am Internet

Politische Basisarbeit, oder mit dem englischen terminus der „grassroot politics" bezeichnet, wird durch das Element der Kommunikation beherrscht. Sie ist außerdem die wahrscheinlich älteste Form politischer Aktivität im Netz.

Ihre Wurzeln liegen nicht im Internet selbst, sondern in kleinen, lokalen oder nationalen Computernetzwerken, die meist noch auf primitive Art und Weise erste Kommunikationsmöglichkeiten für ihre Benutzer offerierten. Diese waren geprägt von relativ schwierig zu handhabenden und starren Programmen, die anfangs nur wenig individuellen Spielraum ließen und meist nur durch Computerprofis und -interessierte bedienbar waren.

Mit einem Ausbau der kommunikativen Fähigkeiten solcher Systeme, Formen elektronischer Post wurden durch erste Ansätze der Entwicklung von Diskussionsforen und online chat ergänzt, stieg nicht nur ihr Benutzerkreis, sondern auch die Verbundenheit der Teilnehmer untereinander. Soziale, geographische und andere Barrieren wurden überwunden, um neuartige, durch ähnliche Interessen geprägte Gruppen entstehen zu lassen - virtuelle Gemeinschaften.

Sehr schnell wurden in diesen lokalen Gruppierungen auch politische Themen behandelt und Ressourcen gebündelt, um tatsächliche Lösungsvorschläge für gemeinsame Probleme zu erarbeiten. Die Hilfsmittel Computer vermittelter Kommunikation spielten in allen diesen Prozessen eine wesentliche Rolle zur Steigerung der Effizienz und Effektivität der politischen Arbeit.

Dieser grundsätzliche Pioniergeist hat sich auch erhalten, als die Netze immer größer wurden, um schlußendlich im Internet aufzugehen. Politische, Computer vermittelte Kommunikation der ersten Stunde war daher geprägt durch den Versuch beteiligter Bürger, gemeinsame Probleme aufzuarbeiten und mit vereinten Kräften zu versuchen, Lösungen herbeizuführen.

Das Netz als Kommunikationsmedium zu Zwecken des politischen Marketings für Organisationen, Parteien und Kandidaten zu nützen, war erst ein späterer Entwicklungsschritt. Als immer mehr Beispiele und Erfolge des online Aktivismus publik wurden, trat auch die institutionalisierte Politik auf den Plan, die neuen technologischen Möglichkeiten für sich zu nützen. Gemeinsam mit innovativen Entwicklungen wie dem World Wide Web veränderte sich damit das Bild politischer Aktivität im Netz mit einer klar ersichtlichen Tendenz zu mehr formalen, aber dafür informativeren Inhalten.

Als Beispiele erfolgreicher politischer Basisarbeit wird exemplarisch meist auf einen engen Kreis von Anwendungsfällen verwiesen. Interessanterweise haben aber gerade diese Projekte oft nur am Rande mit dem Internet selbst zu tun.

Als erfolgreiche Applikationen wären dabei zu nennen:

  • Das vor allem durch Rheingolds Buch über virtuelle Gemeinschaften berühmt gewordene Whole Earth 'Lectronic Link (WELL), dessen Wurzeln zeitlich bis an den Anfang der 80er Jahre zurückzuverfolgen und geographisch in der San Francisco Bay Area, in unmittelbarer Nähe von Silicon Valley, dem Herzen der Computerindustrie, zu finden sind. Es steht sicherlich stellvertretend für viele andere (zuerst lokale) Netzwerke, die meist nur via Telefon und Modem erreicht werden konnten.
  • Das immer wieder zitierte Public Electronic Network (PEN) in Santa Monica (ebenfalls Kalifornien), das als erstes interaktives, öffentliche Computernetz in einer US amerikanischen Stadt gilt. Beteiligte Bürger organisierten, mit dem Problem der Obdachlosigkeit konfrontiert, ein gemeinsames Hilfsprojekt.
  • Das Institute for Global Communications (IGC), ein Mitglied der Association for Progressive Communications (APC), das Computernetzwerke in der ganzen Welt miteinander verbindet, gilt mit seinen Subnetzen PeaceNet, EcoNet, ConflictNet und LaborNet als Beispiel für länderübergreifende Diskussionsforen und einer erfolgreichen Zusammenarbeit Nicht Governmentaler Organisationen (NGOs).
  • Und schlußendlich ein online Aktivist der ersten Stunde, Jim Warren, dessen Verdienst in der Organisation eines erfolgreichen Lobbyingversuches liegt, um den Staat Kalifornien zu zwingen, umfassenden elektronischen Zugriff mittels öffentlicher Computernetze auf Informationen bereits bestehender und in Entstehung begriffener Gesetze und Verordnungen zu gewähren.

Diese vier erwähnten Beispiele sollen nur exemplarisch für alle anderen Versuche politischer Basisarbeit stehen, deren Intention es ist, durch Bündeln ihrer Fähigkeiten und Ressourcen Veränderungen im öffentlichen Leben zu bewirken und dabei ihre eigenen Vorstellungen einzubringen.

Da sich das Internet als freies Informations- und Kommunikationsmedium versteht, bleibt dabei auch kein Bereich des politischen Lebens ausgespart. Dies gilt insbesondere für extremistische Aktivitäten aller Richtungen, egal ob rechts oder links, oder aber für Initiativen, die mit dem eigentlichen Politikprozeß nur mehr wenig zu tun haben, wie beispielsweise der Kampf gegen die Zigarettenindustrie. Gerade letzteres ist aber ein Indiz dafür, wie die gemeinsamen Anstrengungen vieler sich auch gegen große mulitnationale Konzerne durchsetzen können.

Was aber haben die Beispiele erfolgreicher politischer Basisarbeit gemeinsam? Bonchek führt vier Charakteristika an, die Computer vermittelte Kommunikation zum Erfolgsfaktor gemeinsamer Aktivitäten werden lassen:

  1. Breite geographische Verteilung der Mitglieder: Computernetze machen die Welt zum Dorf. Aus diesem Grund ist es möglich, auf Interessen aufbauende Gemeinschaften auch über größere physische Entfernung hinweg zu bilden.
  2. Hoher Umfang intra-organisatorischer Kommunikation: Um einen hohen Abstimmungsgrad unter den Mitgliedern einer Gruppe zu erreichen, ist effiziente und effektive Kommunikation unabdinglich. Computernetzwerke helfen diese notwendige Ressource bereitzustellen.
  3. Information über Gruppenziele ist von hohem Wert: Partizipation in einer Gemeinschaft bedeutet Übereinstimmung mit deren Vorstellungen und Zielen. Computernetze helfen diese Information zu verbreiten, um einerseits neue Mitglieder mit gleichen Wünschen und Bedürfnissen zu gewinnen und andererseits bereits aktive Teilnehmer weiter zu motivieren.
  4. Erschwerter Zugang zu anderen Massenmedien: Computernetze sind noch lange nicht die am weitest verbreitete Form von Kommunikationsmittel. Sollte jedoch der Zugang zu anderen Massenmedien aus finanziellen, institutionellen oder anderen Gründen versperrt sein, können sie substituierend eingesetzt werden und das Forum für einen Zusammenschluß von Individuen bieten.

Diese vier Punkte sind generelle Erfolgsfaktoren für den Einsatz Computer vermittelter Kommunikation in der politischen Basisarbeit. Grundsätzlich sind sie allgemein gültig, das heißt, unabhängig von anderen Dingen wie zum Beispiel dem geographischen Ort. Interessant genug, daß es kaum bekannte Anwendungsfälle virtueller Gemeinschaften in Europa oder Österreich gibt.

Die Gründe hierfür dürften mannigfaltig sein. Zum einen sind die institutionellen Unterschiede zwischen dem angelsächsischen und europäischen Raum zu beachten. Lobbying wird im großen Maßstab in den USA betrieben, wo Abgeordnete sich durch das System der Mehrheitswahl ihren Wählern stärker verspflichtet fühlen, als dies zum Beispiel in Österreich mit seiner parteien- und verbändedominierten politischen Landschaft der Fall ist.

Andererseits wurde bereits angeführt, daß die eigentliche Hochzeit virtueller Gemeinschaften in einer Vor-Internet oder zumindest sehr frühen Entwicklungsperiode anzusiedeln ist. Die rasche Expansion der Benutzerbasis führte in weiterer Folge zu einer Erosion der Kooperationswilligkeit, deren Ursache unter anderem in der erhöhten Gefahr des Trittbrettfahrerverhaltens Außenstehender zu suchen sind.

Wie von Bonchek angeführt, verringert Computer vermittelte Kommunikation nicht nur die mit der Gruppenbildung und -erhaltung verbundenen Transaktionskosten, sondern verursacht ihrerseits einen persönlichen Aufwand. Gemeinschaften mit erleichtertem Zugang zu Computer und -netzwerken, die darüberhinaus die nötigen technischen Fähigkeiten besitzen, sind demnach durch niedrigere Zugangskosten im Vorteil.

Genauso wie es kein Zufall sein dürfte, daß die erfolgreichsten Anwendungsfälle in der Technologiehochburg Kalifornien ihre Wurzeln haben, so ist es nicht verwunderlich, keine oder nur wenig Aktivitäten in Mitteleuropa vorzufinden. Einerseits erhöht sich hier die Computerakzeptanz nur graduell und schafft damit nur langsam das notwendige Benutzerwissen in der Bevölkerung, andererseits fehlt noch immer der an früherer Stelle angeführte Typus des professionellen Heimanwenders. Gemeinsam mit den hohen Telekommunikationskosten ist dieser Umstand dafür verantwortlich, daß es weder eine Tradition freier, lokaler Computernetze, noch erfolgreiche Dienstleistungsanbieter gibt, wie es in den USA beispielsweise Prodigy, Compuserve oder America Online sind.

Es bleibt also festzuhalten, daß es in Europa im Gegensatz zu den USA kaum nachweisbare politische Basisarbeit im Netz gibt. Dies steht durchaus im Einklang mit den Differenzen in der jeweiligen Benutzercharakteristik.

Im nächsten Abschnitt soll das Element der Kommunikation um das der Information erweitert werden, um die Kategorie der politischen Öffentlichkeitsarbeit vorzustellen. Es stehen daher weniger Aktivitäten politischer Basisarbeit, als die Internet Tätigkeit für Unterstützung werbender Gruppierungen im Vordergrund der Betrachtungen.

  1. Politische Öffentlichkeitsarbeit

Der Begriff der politischen Öffentlichkeitsarbeit soll in Verbindung mit der empirisch orientierten Ausrichtung dieses Abschnittes in einem sehr weit gefaßten Zusammenhang gebraucht werden. Es handelt sich dabei um jede politische Aktivität im Netz, die im Sinne des Marketinggedankens darauf gerichtet ist, die Distanz zwischen Politproduzenten und -konsumenten zu verringern, um zur Gestaltung beiderseitiger profitabler Austauschbeziehungen beizutragen.

Mit anderen Worten, in dieser Kategorie finden sich alle Tätigkeiten von Parteien, Organisationen oder Kandidaten, die sich als Nutzen ihrer Arbeit am Netz verstärkte politische Unterstützung erhoffen.

Die Verbreitung politischer Öffentlichkeitsarbeit am Internet findet ihren Ursprung gleichzeitig mit dem Beginn der kommerziellen Expansionsphase des Netzes und ist daher die jüngste aller drei Politkategorien. Ihre rasche Ausdehnung hat sie, wie ein Großteil der auf Kommerz basierenden Aktivitäten, der Entwicklung des World Wide Webs zu verdanken, das es als erster Internet Dienst möglich machte, sich attraktiv, kostengünstig und ohne Verstoß gegen die Netiquette im Netz zu positionieren.

Der offizielle Startschuß dazu fiel am 01. Juni 1993, als der US-amerikanische Präsident Bill Clinton und sein Stellvertreter Al Gore ihre Erreichbarkeit via E-Mail bekanntgaben, dem kurze Zeit später die Eröffnung eines WWW Servers für das Weiße Haus folgen sollte.

Da die dort verfügbaren Inhalte weniger der objektiven Information als der eigenen Selbstdarstellung und Publizität dienen, ist dieses Dienstleistungsangebot auch eher dem Bereich der politischen Öffentlichkeitsarbeit, als der öffentlichen Information zuzuordnen.

Mittlerweile ist in den Vereinigten Staaten das Internet zum unabdingbaren Marketinginstrument avanciert. Für die Präsidentschafts- und Kongreßwahlen 1996 können bereits alle politischen Seiten mit zumindest einem professionell gemanageten World Wide Web Angebot aufwarten.

Die ist ein Indiz dafür, daß die Internet Gemeinde in den USA bereits eine Größe erreicht hat, die für Marketingstrategen profitabel erscheint. Es macht aber gleichzeitig auch deutlich, daß politische Öffenlichkeitsarbeit am Netz einen ambivalenten Platz zwischen Kommunikation und Information einnimmt. Gemäß den theoretischen Überlegungen des vorhergegangenen Kapitels besteht eine erfolgreiche Netzkampagne sowohl aus Elementen des Push-, als auch aus dem Pull Marketing zuordnenbaren Segmenten.

Dementsprechend stehen einmal die kommunikativen Fähigkeiten des Internets im Vordergrund, ein anderes Mal hingegen seine informativen Kapazitäten. Genaugenommen können beide Teile nicht voneinander getrennt werden. Die Attraktivität politischer Informationsangebote zu Wahlkampfzwecken sinkt dramatisch, wenn man sie nicht durch andere Elemente interessanter gestaltet. Für reine politische Kommunikation hingegen gilt, daß sie ohne informative Inhalte für Marketingzwecke belanglos wird.

Es bedarf daher bei der Gestaltung effektiver politischer Öffentlichkeitsarbeit am Internet beider Elemente in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander. Dies ist das vordringlichste Unterscheidungsmerkmal zu politischer Basisarbeit und zu öffentlicher Information.

Die Präsenz am Internet bringt aber auch immer wieder positive Publizitätseffekte in anderen Massenmedien. Zwar hat sich das Netz schon zu einem Alltagsmedium entwickelt, doch im Zusammenhang mit Wahlen dürften Kampagnen im World Wide Web noch immer einen genügend hohen Nachrichtenwert besitzen, um von Zeitungs- und Fernsehjournalisten aufgegriffen zu werden.

Das Interesse gilt insbesondere dem äußeren Erscheinungsbild der Wahlkämpfe im Netz, das im Sinne integrierter Kommunikationsbemühungen durch die zentralen Themen der jeweiligen Kampagne geprägt sein sollte.

Dementsprechend konventionell geben sich die meisten Seiten. Die Unterschiede zu herkömmlichen Werbematerial halten sich in Grenzen. Es hat den Anschein, daß im Gegensatz zu der an den Tag gelegten Professionalität der Public Relations Bemühungen in anderen Bereichen, zum Beispiel dem aktuellen Krisenmanagement oder der Gestaltung der Medienbeziehungen, politische Präsentationen am Internet nicht überzeugen können. Nur selten trifft man auf ein für das Netz genuine Marketingkonzept, das den Unterschieden zu herkömmlichen Medien auch tatsächlich gerecht wird.

Trotz der unumstrittenen höheren Verbreitung des Internets in US-amerikanischen Haushalten und der damit höheren Relevanz für den Ausgang eines Wahlkampfes, zeigen sich keine offensichtlichen kontinentalen Differenzen zum politischen World Wide Web Angebot in Europa. Hier wie da gibt es professionell gestaltete Bemühungen hoher Qualität, wie auch weniger gut durchdachte und entworfene Offerte.

Im Gegensatz zu den beiden anderen Politkategorien der politischen Basisarbeit und der, wie sich noch zeigen wird, öffentlichen Information existiert im Bereich der politischen Öffentlichkeitsarbeit daher kein signifikanter, erkennbarer Unterschied zwischen den Vereinigten Staaten und Europa.

Die Ursache dafür ist in der Ähnlichkeit politischer und kommerzieller Marketingbemühungen am Internet zu suchen. Beide greifen auf die gleichen Konzepte und Programme zurück, stehen im Kampf um Besucherzahlen, den Einschaltziffern des World Wide Web, sogar in direkter Konkurrenz.

Da in beiden Kontinenten jedoch die kommerzielle Expansionsphase des Netzes bereits vollexistent ist, ergeben sich daraus keine signifikanten kontinentalen Differenzen. Die bisher festgestellten Diskrepanzen standen außerdem im Zusammenhang mit unterschiedlichen Benutzerstrukturen und -charakteristika der Nachfrager.

Öffentlichkeitsarbeit am Internet, ob politisch oder kommerziell, ist jedoch angebotsdominiert. Die Organisationen selbst entscheiden über Quantität und Qualität ihrer Netzaktivitäten. Unterscheidbares Merkmal ist daher nicht die Geographie, sondern verfügbare Expertise, die es mittlerweile auch schon in Europa gibt, und vorhandenes Engagement bestimmender Politpersönlichkeiten für die Gestaltung einer Internet Präsenz.

Als letzte zu untersuchende Politkategorie bleibt die öffentliche Information am Internet. Diese kann zwar auch Elemente des politischen Marketings enthalten und weist damit Parallelen zur Öffentlichkeitsarbeit auf, ist jedoch durch vorherrschend objektive Motive und Bemühungen bestimmt.

  1. Öffentliche Information

Öffentliche Dienstleistungsangebote am Internet stellen das bisher noch nicht behandelte zweite Ende des Spektrums von einerseits prädominat kommunikativen zu andererseits vorherrschend informativen politischen Inhalten dar. Öffentliche Information wird in der Regel von supranationalen Organisationen, Verwaltungen, Parlamenten, Ministerien, Verbänden oder dergleichen angeboten und dient dazu, der Bevölkerung den Prozeß der Politikimplementierung transparenter zu gestalten.

Angebote dieser Art bieten daher eine Unmenge von Daten, Gesetzesvorlagen, Statistiken, Beschreibungen der Amtsinhaber und vieles mehr, die nur darauf warten, vom interessierten Bürger abgerufen zu werden.

Seit online Aktivist Jim Warren durch erfolgreiches Lobbying den Staat Kalifornien dazu gebracht hat, bundesstaatliches Informationsmaterial kostenlos auf elektronischem Wege bereitzustellen, folgten diesem Beispiel eine Mehrheit aller größeren politischen Institutionen oder planen zumindest dies zu tun.

Das heißt jedoch auch, daß politische Information schon sehr früh in der Entwicklung des Internet abrufbar war, und zwar schon vor der eigentlichen kommerziellen Expansionsphase, vor der Ära des Informationsmediums per se, dem World Wide Web. Schon in telnet, ftp und gopher Zeiten gingen daher eine Reihe öffentlicher Datensammlungen ans Netz.

So ist es nicht verwunderlich, daß in den Vereinigten Staaten ein paar Tage nach dem Anschluß des Weißen Hauses, das eher präsidentiellen Werbe- als Informationszwecken dient, der Kongreß seine ersten Schritte am Internet bekanntgab.

Dementsprechend gut eingeführt sind bereits die World Wide Web Dienstleistungsangebote des Repräsentantenhauses und des Senats, die beide hervorragende Ausgangspunkte zur Erforschung der US-amerikanischen Politlandschaft darstellen.

Aber auch inter- und supranationale Organisationen haben schon vergleichsweise bald mit dem Aufbau eigener Informationsangebote begonnen. So ist die Weltbank ebenso im Internet vertreten, wie zum Beispiel die Europäische Union.

Letztere bietet zwar Datenmaterial für beinahe alle europäischen Belange an, doch mangelt es in der Netzumsetzung wie in der realen Welt an der Zusammenschau. Können sich die EU Institutionen nicht zwischen Brüssel, Luxemburg, Straßburg oder anderen Lokalitäten entscheiden und besitzt kaum jemand einen vollständigen Überblick über das interne Kompetenzwirrwarr, so gilt gleiches für ihre Internetpräsenz.

Zwar versucht sich die Europäische Union in einer Vielzahl an unterschiedlichen Informationsangeboten in den unterschiedlichsten Sprachen, um dann erst wieder feststellen zu müssen, daß Englisch das einzig wahre Idiom am Netz ist.

Ihrem Sinn nach Reglementierung und Ordnung entsprechend, finden sich die Webadressen in einem strukturellen Umbau. Spätestens seit Einführung ihres Servers mit internationaler Kennung, dessen Titelseite in folgender Abbildung zu bewundern ist, muß man jedoch auch zugeben, daß sich die in Europa geleistet Arbeit durchaus mit ihrer US-amerikanischen Konkurrenz messen kann.

Was für die Europäische Union gilt, kann noch nicht einhundertprozentig auf ihre Mitgliedsstaaten transformiert werden. So fehlt zum Beispiel in Österreich noch immer der öffentliche Zugang zu einem gerüchteweise schon bestehenden Server des Parlaments.

Einen Schritt weiter ist bereits der deutsche Bundestag, dessen Dienstleistungsangebot unter anderem schon im World Wide Web besucht werden kann. Das jüngere Datum seiner Entstehung dürfte auch Grund für sein aufwendigeres Heimatseitendesign sein. Die Tiefe der abrufbaren Information läßt jedoch noch zu wünschen übrig. Neben einem Schwarzen Brett, der Vorstellung der Abgeordneten und der Gremien ist weiters Datenmaterial nur in dürftiger Quantität verfügbar.

Dies ist auch ein Indiz dafür, daß Europa, insbesondere der deutschsprachige Raum, am Internet nicht nur in der Entwicklung seiner Benutzerstruktur und seiner Relevanz für Wahlkampfzwecke, sondern auch in der Fülle und Qualität der angebotenen Datenmengen noch hinterherhinkt.

Ein weiterer interessanter Aspekt eines Vergleichs mit der US-amerikanischen Legislative ist außerdem, daß zumindest in Deutschland die Parteien beziehungsweise Fraktionen einen weitaus wichtigeren Stellenwert einnehmen. So werden sie zum Beispiel schon auf der World Wide Web Heimatseite des deutschen Bundestags angeführt.

Im Gegensatz zu den USA sind die mitteleuropäischen Verwaltungen auch erst relativ spät in das Internet eingestiegen. Zumindest in der Bundesrepublik und in Österreich waren die Parteiorganisationen mit ihren öffentlichen Angeboten schneller. Dies steht offensichtlich im Widerspruch zu den Vereinigten Staaten von Amerika, wo, wie bereits erwähnt, gesetzgebende Versammlungen einzelner Bundesstaaten, zur avant garde politischer Aktivität im Internet gehörten. Der amerikanische Präsident selbst war zum erstenmal als Amtsinhaber in seiner Funktion, nicht als Kandidat via E-Mail erreichbar.

Darüber hinaus findet sich in den Vereinigten Staaten ein im Vergleich verstärktes kommunikatives Element in öffentlichen Informationsseiten. So haben Bundesstaaten wie Michigan oder Utah schon im Jahre 1993 ihre eigenen Diskussionsforen im kommerziellen online Dienst Amerika Online eröffnet.

Dies gibt den Bürger die Möglichkeit, in einem direkteren Kontakt zu seinem gewählten Vertreter zu stehen. Es beweist damit aber auch, daß eine Kategorisierung politischer Aktivität in Computernetzen nie eindeutig erfolgen kann. Die einzelnen Tätigkeitsfelder werden sich auf einem Kontinuum zwischen purer politischer Kommunikation und reiner Information in den Grenzbereichen immer überlappen.

Während die Europäer offensichtlich noch damit beschäftigt sind, ihre Internet Präsenz zu planen und auszubauen, beschäftigen sich ihre Kollegen in den USA bereits mit der medialen Zukunft. So gehen einzelne Bundesstaaten mittlerweile daran, im Verbund mit den großen Telekommunikaitonskonzernen die an einer kommerziellen Nutzung interessiert sind, das Internet in Richtung des vielzitierten „Information Superhighway" umzubauen.

Erst ein Ausbau der Breitbandnetze mit noch einfacher zu handhabenden Bedienungselementen und ausgeweiteten Dienstleistungsangebot würde eine ähnliche Auswirkung auf die Gesellschaft haben, wie es zum Beispiel der Buchdruck oder das Fernsehen hatten. Das Internet in seiner derzeitgen Form ist noch immer ein Minderheiten- beziehungsweise Spartenprogramm. Die Verschmelzung aller elektronischen Medien zu einem einzigen multimedialen Kommunikationsnetz würde das bringen, mit allen ihren Möglichkeiten und Gefahren, was heute noch als Vision gilt: Die Informationsgesellschaft.

Erst dann ist auch die Verbreitung in der Bevölkerung groß genug, um sich an Projekte wie der elektronischen Demokratie heranzuwagen. Dies bedarf jedoch tiefgehender struktureller und sozialer Veränderungen, die zudem einer langen und nicht zu unterschätzenden Anpassungszeit bedürfen.

  1. Zusammenfassung und Ausblick

Am Ende dieser umfassenden Arbeit über politische Kommunikation am Internet, Politmarketing im Zeitalter der Information, steht eine Zusammenfassung der bisherigen Kapitel.

Daran anschließen soll ein Ausblick mit einigen grundsätzlichen, abschließenden Bemerkungen hinsichtlich Medienzukunft und Politik sowie Möglichkeiten und Gefahren des Cyberspace.

  1. Zusammenfassung

Das erste Kapitel, „Politische Kommunikation am Internet - eine Einführung", führte in die Problemstellung und Vorgehensweise der Arbeit ein, um so eine Richtlinie dafür zu geben, wie sich die weiteren Abschnitte gestalten werden.

Politisches Marketing bedient sich immer häufiger neuer Informations- und Kommunikationstechnologien und nutzt verstärkt deren Instrumente. Insbesondere das Internet und sein Paradedienst, das World Wide Web, finden mehr und mehr Beachtung in der Öffentlichkeit und bringen eine täglich wachsende Zahl an politischen Anbietern und Nachfragern. Ein neues Forschungsgebiet ist im Entstehen, das sicherlich wert ist, sich näher mit ihm auseinanderzusetzen.

Das zweite Kapitel, „Das Internet definiert", beleuchtete den technischen Hintergrund der Arbeit. Einer grundlegenden Basisdefinition folgten daraufhin detailliertere Versuche einer genaueren Bestimmung des Begriffes „Internet". So wurde die technologische Grundlage dafür geschaffen, um die weiteren Zusammenhänge auch für mit dem Netz wenig vertraute Personen verständlich zu machen.

Es werden die wichtigsten Dienste am Internet vorgestellt und beschrieben. Telnet, FTP, E-Mail, Mailing Lists und News sind als Grundbegriffe Computer vermittelter Kommunikation nun ebenso bekannt, wie die synchronen Instrumente des Talk oder IRC.

Den großen Durchbruch bedeuten jedoch Gopher und das World Wide Web, deren wesentlicher Unterschied zu den vorher genannten Diensten darin besteht, prädominant zu Informationszwecken eingesetzt zu werden, während alle anderen Instrumente und Anwendungen eher das Element der Kommunikation in den Vordergrund stellen. Mit der umfassenden Integration mehrerer Systeme in das Konzept des Uniform Resource Identifiers (URIs) wird das World Wide Web schließlich selbst zum Synonym für das gesamte Internet.

Abschluß des zweiten Kapitels sind Betrachtungen zu Größe und Wachstum des Netzes, die je nach zugrundegelegter Definition unterschiedlich ausfallen. Einzige mit Sicherheit zu treffende Aussage bleibt, das Netz als dynamisch, groß und noch immer stark wachsend zu bezeichnen.

Das dritte Kapitel, „Vom Marketing zur politischen Kommunikation", beleuchtete den marketingwissenschaftlichen Hintergrund der Arbeit. Die Grundbegriffe hinsichtlich Philosophie, Managementprozeß und Instrumente wurden näher erörtert, um später durch die politische Dimension eine Erweiterung zu finden. Ein besseres Verständnis politischer Kommunikation wurde so zum zweiten Ausgangspunkt der weiteren theoretischen und praktischen Betrachtungen über Politaktivitäten am Internet.

Ausgehend vom Grundgedanken der Marketingphilosophie, die Befriedigung von Bedürfnissen und Wünschen durch beiderseitig vorteilhafte Austauschprozesse, kommt man in Verbindung mit der tatsächlichen organisatorischen Umsetzung zum Begriff des Marketing Management.

Eine Bestimmung von Zielen und potentiellen Märkten definiert das Umfeld für den Marketingmix, der Produkt-, Preis-, Distributions- und Kommunikationspolitik beinhaltet und durch die vier P, „product", „price", „place" und „promotion gekennzeichnet ist.

Mit dem richtigen Marketinghintergrund ausgestattet wird daraufhin das Tätigkeitsfeld der Kommunikation selbst vorgestellt. Eine Unterscheidung in persönliche und Massenkommunikation wird dabei ebenso vorgenommen, wie eine Einführung in die Instrumente Werbung, persönlicher Verkauf, Verkaufsförderung und Öffentlichkeitsarbeit.

Die erfolgreiche Übertragung eines prinzipiell kommerziellen Konzeptes auf den politischen Markt bildet das Hauptaugenmerk des letzten Abschnittes. Neben einer terminologischen Abklärung erfolgt eine Einführung in das aus den drei Stufen Marktsegmentierung, Kandidatenpositionierung und Strategieimplementierung bestehende politische Marketing Management. Die dritte und letzte Phase der Umsetzung umfaßt den politischen Marketing Mix, der vom Element der Kommunikation beherrscht wird und so als zentrales Element der Überlegungen bezeichnet werden kann.

Im vierten Kapitel, der „Theorie der politischen Kommunikation am Internet", wurden die bisher getrennt vorgenommenen Überlegungen zu Computernetzen und politischem Marketing in einem einzigen Themenkomplex zusammengeführt. Einer umfassenden Charakterisierung der Internetteilnehmer folgten Überlegungen zum Thema Netz und Politik, Implikationen neuer Informations- und Kommunikationstechnologien für den politischen Markt, sowie zu den Herausforderungen, die an ein modernes Parteimanagement gestellt werden, bevor politisches Marketing am Internet per se im Zentrum der Ausführungen stand. Den Abschluß bildete ein Ausflug in die Zukunft, prinzipielle und kritische Betrachtungen zur Vision einer elektronischen Demokratie als Politsystem einer Informationsgesellschaft.

Die Population der realen Welt unterscheidet sich signifikant von der im Internet vorfindbaren Charaktere. Um in seinen politischen Kommunikationsbemühungen am Netz erfolgreich sein zu können, ist eine genaue Bestimmung potentieller Zielgruppen notwendig. Am Internet finden sich zwei unterschiedliche Benutzertypen: Der jugendliche Student, der sowohl in den USA als auch in Europa bereits einen hohen Verbreitungsgrad besitzt, und der professionelle Heimanwender, der oft ursprünglich aus der ersten Gruppe stammend, vorwiegend in den Vereinigten Staaten beheimatet ist und den Wechsel in den Privatbereich vollzogen hat.

Das Internet fügt sich als technologische Innovation, die die Möglichkeit der x zu x Kommunikation bringt, lückenlos in die Reihe herkömmlicher Medien ein und wird, wie schon zuvor andere Beispiele gezeigt haben, Art und Form der Politik in bisher noch unbestimmter Weise verändern. Unklar ist dabei jedoch, inwieweit sich das Netz nicht nur als Komplement, sondern auch als Substitut herkömmlicher Medien beweisen wird.

Unbestritten ist, daß der Einsatz von Internettechnologie am politischen Markt die Regeln des Wettbewerbs ändert, Vorteile schafft und neue Potentiale generiert. Es hilft aber auch, die Herausforderungen an ein modernes Parteimanagement - Dominanz des Fernsehens, geändertes Wählerverhalten, Mitgliederstrukturverschiebungen, Kurzzeitengagement und die Flucht ins Private - besser anzunehmen.

Im Bereich des politischen Marketings beeinflußt das Netz den gesamten Marketingmix und unterscheidet, je nach vorrangigem Ziel der Aktivität, drei unterschiedliche Ebenen des Pull, Push und Guerilla Marketing.

Die Zukunft der Politik am Internet ist Gegenstand heftiger Kontroversen. Virtuelle Gemeinschaften und elektronische Demokratie sind die immer wieder benutzen Schlagworte und lassen oft vergessen, daß es zu deren Umsetzung noch großer technischer, sozialer und infrastruktureller Veränderungen bedarf. Grund genug aber, näher in die theoretischen Konzepte und prinzipiellen Überlegungen für und wider elektronischer Demokratie einzuführen.

Das fünfte und diesen Ausführungen vorhergegangene Kapitel, „Praxis der politischen Kommunikation am Internet", gab einen Einblick in bereits beobachtbare politische Inhalte am Netz. Zu diesem Zweck wurden drei Kategorien geschaffen, politische Basisarbeit, politische Öffentlichkeitsarbeit und öffentliche Information, die jeweils getrennt für sich exemplarisch vorgestellt und hinsichtlich europäisch-amerikanisch kontinentaler Differenzen beleuchtet wurden.

Politische Aktivität am Internet findet auf einem Kontinuum zwischen Kommunikation und Information statt. Je nach vorherrschendem Element kann in politische Basisarbeit, durch vorwiegend kommunikative Zwecke geprägt, öffentliche Information, über prädominant informative Inhalte definiert, und politische Öffentlichkeitsarbeit, das beide Konzepte im Sinne des Push und Pull Marketing vereint, unterschieden und analysiert werden.

Die bereits in der Benutzercharakteristik auffallenden Differenzen amerikanischer und europäischer Internet Teilnehmer können zumindest teilweise auch für das politische Dienstleistungsangebot empirisch belegt werden. So sind in Europa noch kaum Beispiele erfolgreicher online Aktivisten bekannt, was auf ein weniger ausgeprägtes System virtueller Gemeinschaften hindeutet. Öffentliche Informationsaktivität am Netz ist hingegen in Amerika bedeutend älter und daher schon viel weiter fortgeschritten, als dies am europäischen Kontinent der Fall ist, obwohl, zugegebenermaßen, die beobachtbaren Unterschiede immer geringer werden.

Einzig und alleine in der politischen Öffentlichkeitsarbeit am Netz, wohl durch seine Ähnlichkeiten zu kommerziellen Aktivitäten bedingt, lassen sich keine signifikanten Differenzen im Leistungsangebot feststellen. Wohl aber in der Relevanz für den Wahlkampf und der Akzeptanz in der Bürgerschaft. Politische Öffentlichkeitsarbeit am Internet nimmt, wie der Präsidial- und Kongreßwahlkampf gezeigt hat, in den Vereinigten Staaten einen bedeutend höheren Stellenwert ein, als dies (noch) in Europa der Fall ist.

Das sechste und abschließende Kapitel, „Zusammenfassung und Ausblick", präsentierte die Ergebnisse der Arbeit noch einmal in komprimierter Form, bevor es mit einigen Bemerkungen über die Medienzukunft und die Rolle des Internets darin abgeschlossen wird.

  1. Ausblick

Es ist unbestritten, wie in dieser Arbeit bereits gezeigt wurde, daß das Internet nicht ohne Einfluß auf die politische Kommunikation bleibt. Es ist auch klar, daß das Netz auch in Zukunft Art und Form der Politik beeinflussen wird. Unklar ist jedoch noch, wie es das tun wird.

Die Frage nach der Zukunft ist aber nicht für sich isoliert zu beantworten. Vieles wird von der Entwicklung der Medienlandschaft abhängen. So wie zur Zeit das Fernsehen den politischen Prozeß westlicher Industriestaaten beeinflußt, indem es den öffentlichen Raum für eine breite Auseinandersetzung schafft, wird diese Rolle möglicherweise einmal das Internet beziehungsweise sein designierter Nachfolger die Infobahn oder der „Information Superhighway" übernehmen.

Bereits heute ist eine Konkurrenz zwischen diesen beiden Medien unbestreitbar. Wie Umfragen unter Internet Nutzern belegen, führt die am Netz verbrachte Zeit vorwiegend zu einem weniger an Fernsehen und Ferngesprächen. Dies läßt darauf schließen, daß das Internet, wie prognostiziert, sowohl Komplement als auch Substitut zu bereits bestehenden Medien ist.

Dies steht durchaus im Einklang mit der Tatsache, daß als wichtigste Charakteristik des Netzes seine Informationseigenschaften gesehen werden. Das angebotene Datenmaterial ist an Quantität und Vielfalt momentan nicht zu überbieten. Eine wenig beachtete Facette ist jedoch der evidente Mangel an Qualität. Das Fehlen von Filtern, wie zum Beispiel des unabhängigen Journalismus, geht Hand in Hand mit einem Verlust an Glaubwürdigkeit. Es wird dem einzelnen Benutzer überlassen, zu prüfen, inwieweit dem präsentierten Datenmaterial im einzelnen Vertrauen entgegengebracht werden kann.

Dies ist jedoch nur durch einen umfassenden Vergleich möglich, den das Individuum durchzuführen nur schwer im Stande sein wird. Die Verlierer werden deswegen nicht dadurch gekennzeichnet sein, daß sie keinen Zutritt zu Information haben, das Netz wird noch einfacher handhabbar werden, als dies heute ein moderner Fernseher ist, sondern durch ihre Unfähigkeit mit einem Informationsüberangebot auch wirklich umgehen zu können.

Trotzdem muß vor unrichtigen Schuldzuweisungen gewarnt werden. So wie die erste industrielle Revolution wird auch die dritte Verlierer und Gewinner kennen. Dies ist jedoch kein Grund, die technologische Entwicklung dafür verantwortlich zu machen. Neo-Ludditen, benannt nach den englischen Maschinenstürmern des frühindustriellen Englands, wie dem Unabomber oder Kirckpatrick Sale ist daher genauso mit Vorsicht zu begegnen, wie den selbsternannten Propheten des Internetzeitalters.

Tatsache ist, daß wahrscheinlich keines der beiden Extreme die Oberhand gewinnen wird. Es wird jedoch interessant zu beobachten sein, wie die weitere Entwicklung vor sich gehen wird.

Die Politik ist dabei gleich in mehrfacher Hinsicht gefordert. Einerseits ist es ihre Aufgabe dafür zu sorgen, daß die technologieinduzierten sozialen Veränderungen in geregelten Bahnen ablaufen können, andererseits wird der politische Prozeß selbst von Innovationen auf dem Gebiet der Kommunikation und Information beeinflußt.

Wer es weiß, die neuen Medien für sich zu nützen, wird, vergleichbar mit den Protagonisten des Fernsehzeitalters, klarer politischer Gewinner in der Zukunft sein. Momentan jedoch spielt das Internet noch eine untergeordnete Rolle. Die Euphorie ist ebenso groß wie die sich auftuenden Potentiale. Einzig und alleine die Umsetzung läßt noch zu wünschen übrig.

Der Grund dafür ist in den noch vorhandenen Unzulänglichkeiten des Netzes zu finden. Es ist ein kaum überblickbares technisches Gebilde, das eigentlich immer nur vermehrt an der Zukunft, als an der Gegenwart gemessen wird.

Aber genau darin liegt seine Chance. Denn nur so ist es möglich, einen immer größer werdenden Anwenderkreis zu erschließen und die Akzeptanz unter der Bevölkerung zu erhöhen. Denn ehrlich gesagt, gemessen an seinen gegenwärtigen Leistungen muß Mark Gibbs zugestimmt werden wenn er schreibt: „Irgendwann muß es doch gesagt werden: Das Internet ist schwach".

 

 

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