Ein Weg zu E-Demokratie

      1. Einleitung
      2. Die Internet-Technologie verändert die politische Szene
      3. Themen des aktuellen Wandels in Wirtschaft und Politik
      4. Thesen zu den Veränderungen für Politik
      5. Lernende Parteien
      6. E-Demokratie realisieren
      7. Handlungsbedarf in Politik & Wirtschaft
      8. Innovationsvorschläge zur Implementierung direkter Demokratie
1. Einleitung

"Wir leben in Netzen grenzenlosen geistigen Betruges, oft auch des Selbstbetruges. Mit ein wenig ehrlicher Anstrengung können wir uns aber daraus befreien. Wenn wir dies schaffen, sehen wir eine Welt, die uns von äußerst wirkungsvollen ideologischen Systemen gezeigt wird, eine viel hässlichere Welt, oft eine erschreckende. Wir sehen dann auch, dass unsere eigenen Taten oder unsere eigene Zustimmung wesentlich zu Elend und Unterdrückung beitragen, vielleicht auch zur globalen Vernichtung." Noam Chomsky (1988, 7).

In erster Linie ist die Wissenschaft gefordert sich mit den veränderten Bedingungen und Anforderungen für praktische Politik zu beschäftigen. Im Rahmen der nachfolgend aufgelisteten Veränderungen ergeben sich neue Regeln für das gesellschaftliche Zusammenleben.

Der gesellschaftliche Wandel von der Agrar- zur Informations- und Wissensgesellschaft (in Anlehnung an: Hohn, 1997, pg. 17 & Vahs, 1999, pg. 35):

Figure 01: Im Wandel zur Informations- und Wissensgesellschaft

Im Zeitraum von 1800 bis etwa den 1960 hat sich der Anteil in der Landwirtschaft Beschäftigter von über 70 auf unter 20 Prozent verringert, derzeit dominieren darin Dienstleistungsbereiche und Wissensarbeit. Der rasch wachsende Wirtschaftszweig Informationstechnologien hat schon den Produktionsbereich überholt. In der offenen Informations- und Wissensgesellschaft verschiebt sich die Produktion von den verbrauchenden Faktoren Rohstoffe, Energie und Transportmöglichkeiten zu Kompetenz und Wissen, als auch zu 'Veränderungsbereitschaft' und Humankapital.

Mit der demografischen Veränderung zur ergrauenden Gesellschaft ist tiefgreifender, weitgehend irreversibler Wandel verbunden. Die Politisierung des Alters, insgesamt ein verstärktes Gewicht älterer Wähler und deren Wahlverhalten, zwingen künftig alle Parteien vermehrt "graue" - sprich seniorenspezifische - Themen zu artikulieren (z. B. materielle Sicherung im Alter, Pflege- und Betreuungssituation, Bildung und Weiterbildung im dritten Lebensabschnitt, altersgerechtes Bauen und Stadtplanung) (Fassmann/Münz in: Pelinka/Plasser/Meixner, 2000, 13 - 30).

Nachfolgend die Altersstruktur der Bevölkerung zum Zeitpunkt 1998 und eine Vorausschau für das Jahr 2030 (Pelinka/Plasser/Meixner, 2000, pg. 19 & auch: Esser, 1993, 266fff):

Figure 02: Der Trend zur ergrauenden Gesellschaft

Neben soziologischen Aspekten prägen vermehrt Elemente der 'Tele- und Mediokratie', als auch das Thema 'Politainment' die Politikpraxis. Innovationen wie 'Web Campaigning' (Filzmaier/Plasser, 2001, 157fff) sind Ausdruck weiterer Computerisierung und des explosionsartigen Bedeutungszuwachs von Informations- und Kommunikationstechnologien (Information- and Communication Technologies - ICTs) und internetbasierte Technologien (Internet Based Technologies - IBTs) in Gesellschaft und Politik.

Aus aktueller Sicht prägen folgende fünf Bereiche das künftige Politikgeschehen:

  1. Wenn auch in der Wirtschaft die ICTs und IBTs eine entscheidende Rolle innehaben, prägen auch weiterhin die Themen Eventmarketing und Personalisierung die Politik-Praxis. Mittels Politainment-Strategien und Personalityshows ist Langeweile, als größter Aufmerksamkeits-Killer in der Mediokratie, zu bekämpfen.

     

  2. Nach wie vor haben in politischen Wahlkämpfen die TV-Medien zentralen Einfluss auf deren Ergebnisse. Mit wachsender Verbreitung von Breitbandanbindungen zu vielen Haushalten, eröffnen sich zusätzliche Möglichkeiten für Internet-TV. Das Thema Internet-TV ist durch geeignete Angebote vorzubereiten (z. B. durch 'Video-Such- und -Management-Systeme').

     

  3. Aktuell (2002) besteht eine große Verbreitung von Mobile Computing in Österreich bei Jugendlichen (von zehn Jugendlichen verfügen neun über ein Handy). Damit besteht eine breite Basis zur individuellen Bürgeransprache mittels Politik Marketing. Diese Potentiale gilt es künftig auch für Politikerfolge zu realisieren (z. B. per 'Icon zum Vertrauenspolitiker').

     

  4. Darauf aufbauend bedarf es Call-Center für den Aufbau und den Betrieb von virtuellen Parteizentralen und -Gemeinschaften. Aus der dabei zu erstellenden Datenbank sind Politik-Initiativen und -Prioritäten, als auch Bürger-/Wähler-/Interessenten-Profile und Unterstützer-Informationen zu gewinnen (z. B. für: 'Politik-Aufgaben optimiertes CRM' - Customer Relationship Management).

     

  5. Erst an letzter Stelle - auch der Bedeutung nach - sind Internetportale als spezielle Themenportale (z. B. www.korruption.at) einzuordnen. In dem Zusammenhang eröffnen Content-Management-Systeme (CMS) für den Betrieb von Internetangeboten zusätzliche Möglichkeiten (z. B. für aktuelle Seiten, für einfaches Publizieren).

    Ein plakatives Problem: Wie die aktuelle Politikpraxis zeigt, konzentrieren die traditionellen Parteien ihre Aktivitäten noch fast ausschließlich auf nationale Politik, für überregionale Politik werden nur reduzierte Ressourcen eingesetzt. Damit überlassen die heute herrschenden Politiker dieses wichtige Feld zukünftiger Politik (oft außerparlamentarischen) Randgruppen und undemokratischen Kräften, die diese Chancen schon erkannt haben und sich dafür zu organisieren beginnen. Als eine Folge daraus könnte beispielsweise extremistischer Gruppierungen in europäischen Entscheidungsgremien ein Übergewicht erhalten.

2. Die Internet-Technologie verändert die politische Szene

    • Die Regeln des E-Business sind für E-Demokratie gültig,
    • Amateur Democrats haben dann eine ähnlich große Macht wie Berufspolitiker,
    • Der Erstarrung traditioneller politischer Organisationen wird hier durch die Alternative einer offenen Politik begegnet,
    • Parteien müssen auf die großen Veränderungen in den "Wählermärkten" reagieren,
    • Zukunftsfähigkeit und Wettbewerb sind nicht nur in der Wirtschaft, sondern auch für Politik bedeutsam,
    • Ethik und Moral bieten die Grundlage für nachhaltige Entwicklung.

Die Regeln des E-Business verändern die Wirtschaft und (etwas zeitverzögert) auch die gesamte Politikpraxis. Davon ausgehend werden die von Ravi Kalakota und Marcia Robinson im "Praxishandbuch E-Business" gelisteten zehn Punkte von Veränderungen traditioneller Geschäfte (Kalakota/Robinson, 2001, 35fff) für 'E-Demokratie' adaptiert:

  1. Technologie treibt Veränderungen auch im Politikbereich voran. Neben Internet verändern Internet-TV und Mobile Computing die Bedingungen für Politik radikal. Doch die Technologie liefert nur die Werkzeuge für Veränderung.

     

  2. Die Struktur von Informationen anpassen und den Informationsfluss zu beeinflussen und zu kontrollieren, werden zu den wichtigsten Fähigkeiten auch in der Politik. Dazu ist auf die erweiterten Möglichkeiten von Content-Management-Systemen (CMS) zu verweisen.

     

  3. Die Unfähigkeit zur Anpassung an veränderte Bedingungen ist mit Verlusten verbunden - mit Verlusten an Zustimmung - und mit Abwahl. Interdisziplinäre Zusammenarbeit (z. B. zwischen Soziologie, Politikwissenschaft, Informationswissenschaften, Politikwissenschaft und Marketing) hat die Basis zu E-Demokratie für modernes Regieren zu schaffen.

     

  4. Ähnlich wie E-Commerce Unternehmen die Möglichkeit bietet, auf ihre Kunden einzugehen und die >>Besten<<, >>Bekanntesten<< oder >>Effektivsten<< zu werden, eröffnet das Potential von E-Demokratie diese Perspektive auch für Parteien.

     

  5. Der Einsatz von Technik beschränkt sich nicht alleine auf bessere Kommunikation mit Bürgern. Mit Technik ist der gesamte Politikprozess zu erneuern und zu verbessern. Dabei helfen beispielsweise Wissensmanagement und effektive Beteiligungssysteme (z. B. CMS).

     

  6. Künftige Politikmodelle bieten mehr Flexibilität zum Erfüllen der Bürgererwartungen. Dazu werden höhere Erwartungen der Bürger unterstützt. Hierarchische Politik kann dabei nicht mehr mithalten. Gegen eine Politik am Bürger vorbei - für mehr Wettbewerb.

     

  7. Vorrangig die Anliegen der Bürger sammeln und moderieren, als auch deren Erfüllung managen (z. B. per flexibler Outsourcing-Allianzen kostengünstig und den hohen Erwartungen entsprechend zu erfüllen), ist darin die zentrale Politikaufgabe.

     

  8. Wenn die Umstände ein schnelles Einführen moderner Systeme erzwingen, wird fehlende Infrastruktur und Erfahrung zum größten Hindernis darin. Diese Defizite sind in vielerlei Hinsicht teuer zu korrigieren. Dabei werden viele gewählte Spitzenkandidaten untergehen.

     

  9. Der Schlüssel zum Erfolg besteht in der Fähigkeit, rasch eine E-Demokratie-Infrastruktur zu planen und ohne Rücksicht auf Verluste zu implementieren. Die rücksichtslose Durchführung ist die Norm. In der Regel lässt die Realität keine Auswege mehr offen.

     

  10. Für das Management des Politikwandels bedarf es einer starken Führung. Einerseits sind beharrende Kräfte zu bewegen, andererseits sind die Kräfte für Veränderung rasch und korrekt auf eine Linie zu bringen.

Technologisch sind elektronischer Handel und digitale Politik realisierbar. Offene Fragen bestehen in deren organisatorischen Integration. Die Integration von Systemen für digital unterstützte Bürgerpartizipation in die Politikprozesse ist zu realisieren.

Offene Fragen dabei sind: Bedarf es dazu neuer Organisationen (die nur mehr wenig Ähnlichkeiten mit den bisherigen Parteien haben), oder besitzen die bestehenden Parteien ausreichende Veränderungsfähigkeit zum Wandel für E-Demokratie?

Als Orientierung für die gewandelten Erfordernisse für Politik in der offenen Informations- und Wissensgesellschaft wird anschließend ein Konzept zu Amateur Democrats gelistet. Für veränderte Politik in der offenen informations- und Wissensgesellschaft werden 'Amateur Democrats' (Filzmaier/Plasser, 2001, 200) als verbreiteter Wählertyp erwartet. Ihnen kommt die treibende Schlüsselposition im Wandel zu.

Folgende Typologie sind mit Amateur Democrats zu verbinden:

    • Selektionskriterien sind wettbewerbsorientiert,
    • vom Staat werden nur mehr ordnende Rahmen akzeptiert,
    • orientieren sich an veränderten Werten wie persönliche Freiheit und Toleranz; sind gegen Gruppennormen,
    • bevorzugen dynamische Veränderung und Selbstentfaltung; sind skeptisch gegenüber Bürokratie, Hierarchien und Konventionen, unzufrieden mit der repräsentativen Demokratie,
    • besitzen umfassende Ausbildung; üben qualifizierte Berufstätigkeit aus, in der privaten Wirtschaft oder als eigener Unternehmer,
    • sind als häufig als Protestwähler einzuordnen; bevorzugen eher die Grünen, sind offen für neue Initiativen und Ideen,
    • besitzen hohe Mobilität im Wahlverhalten, sind sichere, aber kritische Wähler.

Diese alternativen Wähler sind risikobereite Pioniere, die eine selbstorganisierte, selbstregulierte und offene Verantwortungsgesellschaft anstreben. Aktiv die Zukunft (speziell die Politik darin) mitgestalten ist deren Ziel. In dieser Arbeit werden Amateur Democrats als dominierender Typus in künftiger Politik vorausgesetzt.

Der Lösungsvorschlag für die heutigen politischen Probleme ist eine 'offene Politik', das heißt (Klemmer/Becker-Soest/Wink, 1998, 29):

  • "anstelle einer Abschottung von Erfahrungen anderer Länder zu lernen,

     

  • anstelle von lähmenden Umverteilungskämpfen für alle Bürger eigene Handlungsspielräume durch neue Ideen und Organisationsformen zu erweitern,

     

  • anstelle staatlicher Sicherungslücken zu neuen Elementen eines gesellschaftlich breit gestreuten Sozialkapitals zu gelangen,

     

  • anstelle einer undurchschaubaren Verbands- und Expertenmacht größere Freiräume zur Durchsetzung eigener Werte zu schaffen sowie

     

  • anstelle eines ängstlichen Verharrens vor notwendigen Veränderungen die individuelle Souveränität bei der flexiblen Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen zu stärken."

Als "Antworten der Parteien auf Veränderungen in den Wählermärkten in Westeuropa" haben Peter Mair, Wolfgang C. Müller und Fritz Plasser folgende Fakten aus der Studie "Parteien auf komplexen Wählermärkten" (1999, pg. 11-29) zusammengefasst:

  1. Die Stabilität und Berechenbarkeit der Wählermärkte, die solange typisch für die meisten westeuropäischen Systeme waren, ist nicht mehr gegeben.

     

  2. Diese Veränderungen basieren auf sozialstrukturellen und soziokulturellen Entwicklungen, aber auch auf einer neuen Heterogenität der Wählerschaft.

     

  3. Die Unsicherheit für Parteistrategien wächst: Sind "catch-all-Strategien" (alle sprechen die ähnliche Wählerschichten an) als "Ad-hoc-Issue-Allianzen" besonders unter der Anleitung der Massenmedien geeigneter?

     

  4. Eine wachsende Ungewissheit. Alternativ stellt sich auch die Frage: Ist es zielführender sich (wieder) mehr auf die traditionellen Kerngruppen und ihre "klassischen" Politikpositionen zu konzentrieren?

     

  5. Insgesamt ist eine starke Konvergenz zwischen den Parteien desselben Systems als auch über verschiedene Systeme hinweg zu beobachten.

     

  6. Als Folge dieser Konvergenz werden Parteien zunehmend zu zentralisierten Wahlkampforganisationen, in denen Parteiführungen über einen hohen Autonomiegrad verfügen. Sie funktionieren vermehrt nach dem 'top-down-Modell'.

     

  7. Die Präsentation der Parteien übernehmen immer mehr professionelle Medienberater. Parteien nähern sich immer mehr einem von Panebianco (1988) beschriebenen Modell der "electoral-professional party" (zitiert in: Mair/Müller/Plasser, 1999, 400) an.

Politische Parteien die dem Druck der Wählermärkte ausgesetzt sind, können als Reaktion versuchen den Unsicherheiten aus den Veränderungen der Wählermärkte durch indirekte Maßnahmen aus dem Weg zu gehen, wie beispielsweise durch verändern der Regeln für staatliche Parteienfinanzierung (siehe zum Thema Kartellparteien auch: Katz/Mair, 1995) und den Zugang von politischen Parteien zu öffentlich-rechtlichen Medien. Alternativ können Parteien z. B. durch weitere Demokratisierung ihrer politischen Systeme reagieren (siehe Tony Blair in Großbritannien).

Die fünf Thesen von Ernst Ulrich von Weizsäcker, für 'Zukunftsfähigkeit und Wettbewerb' in einer globalisierten Demokratie und Wirtschaft (Weizsäcker in: Renner/Hinterberger, 1998, 30f):

  1. Wettbewerb ist eindeutig das überlegene gesellschaftliche Ordnungsprinzip. Wettbewerbsfähigkeit ist darin die universelle Ideologie auch für die Politik geworden.

     

  2. Wettbewerb alleine führt zu einer Beschleunigung der Naturzerstörung und zur Ellenbogengesellschaft.

     

  3. Eine rapide Erhöhung der Ressourcenproduktivität ist Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft. Wichtigste Ressource darin ist Wissen und die damit verbundene hohe Kompetenz bei vielen Bürgern.

     

  4. Die Globalisierung hebelt die Demokratie aus. Internationale Arbeitsteilung und als Folge weitere Globalisierung fördern offene Räume. Zu den offenen Räumen stellt sich die Frage orientieren sich diese an neoliberalen (an den Bedingungen des Marktes) oder sozialdemokratischen (an Solidarität und Gerechtigkeit) Grundsätzen.

     

  5. Lösungsperspektiven sind vorwärts, nicht rückwärts zu finden. Fakten wie Bevölkerungswachstum, demografisch Veränderung, zwingen zu Zukunftsorientierung, zur Basis Ethik und Moral bei allen Entscheidungen und zur Einbeziehung aller Kräfte bei der Lösungssuche.

Geschlossene Politik wird (und deren Systeme werden) nicht mehr akzeptiert, sie müssen kurzfristig offenen, an Wettbewerb orientierten Systemen weichen. Jedoch auch auf Wettbewerb begründete Politik ist unfähig die Welt auf Dauer zu regieren. Für die neuen Bedingungen offener Räume sind veränderte Formen kooperativer Koexistenz und Steuerung zu entwickeln. Als einzige Macht kann auf Dauer die aktive Beteiligung möglichst vieler Bürger an der Politik diese dramatische Entwicklung hintanhalten. Dazu sind breite Motivation und Befähigung bei Bürgern aufzubauen, als auch die systemischen Voraussetzungen zu schaffen.

"Ethik und Moral" bietet darin eine Orientierung für nachhaltige Entwicklung, ansonsten könnten die erweiterten technischen Möglichkeiten zur Destruktivmacht werden. Besonders in der Politik besteht ständig die Versuchung dazu. Als typisches Beispiel ist die Atomkriegsrüstung zu nennen.

Die Mitwirkung der technischen Intelligenz und der angewandten Wissenschaften an strategischen Punkten unserer Publizitätsgesellschaft (z. B. im Fernsehen, bei Diskussionen über Umwelt- und Energieprobleme oder bei Bürgerinitiativen), zeigt deren Einflussmöglichkeiten (Lenk, 1994, 13f).

"Was jedoch die Möglichkeit der Technik im allgemeinen und besonders der Mikroelektronik betrifft, so sollte man auch deren Möglichkeiten für die Humanisierung nicht vergessen. Die systemtechnokratischen Gefahren müssen jedoch durch politische und gesellschaftliche Achtsamkeit, durch demokratisches Engagement, durch Beteiligung der Betroffenen und durch eine wirklich menschliche und verantwortliche Kontrolle aufgewogen werden." (Lenk, 1994, 60).

Zehn Punkte zur Verantwortung der Techniker (Lenk, 1994, 141fff):

  1. Macht und Wissen verpflichten deren Besitzer - gilt auch für technische Macht.
  2. Mit neuen Abhängigkeiten entstehen neue moralische Verantwortungen.
  3. Nicht nur auf das Wohl des Nächsten und ein humanes Überleben der Menschheit, auch auf das Erhalten und Hegen der Natur ist diese Verantwortlichkeit zu richten.
  4. Die erweiterte Verantwortlichkeit richtet sich auch auf die Zukunft, auf die künftige Existenz der Menschheit.
  5. Typen unterschiedlicher Verantwortlichkeit sind zu unterscheiden (z. B. auf der moralischen, rechtlichen und rollengebundenen Ebene, und die allgemeine Handlungsverantwortung).
  6. Neue Formen der institutionellen Verantwortung in Institutionen (z. B. wie Verbänden, Staaten, Unternehmen) sind aufzuzeigen und zu entwickeln.
  7. Die Spezialisten-, Verursacher- und Vorsorgeverantwortung, das gilt besonders auch für die Techniker und anwendenden Wissenschaften, ist ständig zu aktualisieren.
  8. Für Weisheit im Umgehen mit technischer Macht: "Der Mensch darf nicht alles herstellen und anwenden, was er technisch kann".
  9. Ethisches Nachdenken muss dynamisch und praxisnah den jeweiligen geschichtlichen Situationen Rechnung tragen.
  10. Erweitertes ethisches Verantwortungsbewusstsein erfordert spezielle Bewusstmachung und die Entwicklung und Verbreitung von Berufsethiken (z. B. als Wächterdisziplin).

    "Wie haben keine andere Wahl, als die erweiterte Verantwortung zu übernehmen, einen vernünftig geregelten technischen Fortschritt zu wagen. Die Würde des Menschen besteht u. a. auch darin, für andere, für abhängige Wesen, verantwortlich zu sein - und weise mit seiner technischen Macht umzugehen."(Lenk, 1994, 144).

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3. Themen des aktuellen Wandels in Wirtschaft und Politik

    • Die treibende Kraft in Gesellschaft und Wirtschaft ist die New Economy. Sie beeinflusst künftige auch massiv die Politik in der offenen Informations- und Wissensgesellschaft,
    • Der aktuelle Strukturwandel (z. B. die "Internetrevolution" oder die Bedingungen der Internet-Ökonomie) verändert den Politik-Markt und die Aufgaben der Akteure darin,
    • Der damit verbundene Wertewandel zu Eigeninitiative, Flexibilität, Selbstverantwortung, -organisation und -regulation, löst bisherige soziale Sicherheiten und Traditionen ab,
    • Die Vertrauenskrise zwischen Parteien/Politikern und Bürgern ist mit offenen Politikprozessen zu begegnen, mit weniger Politiker und mehr Bürgerbeteiligung.

Die treibenden Kräfte in Gesellschaft und Wirtschaft (und damit als Folge auch für Politik) hat Roland Berger unter dem Titel "Deutschland auf dem Weg in die New Economy" in mehreren Punkten gelistet (Berger, Industriemanagement 17 (2001), 46-49):

  1. Neue Technologien, wie ICTs, IBTs und zunehmend 'Mobile Computing', treiben den Wandel voran (weitere massive Veränderung ist demnächst auch von Internet-TV zu erwarten).

     

  2. Im Wandel zur Wissens- und Dienstleistungsökonomie: sie ist als wissensgetrieben zu bezeichnen, in gleicher Weise auch als innovationsgetrieben, als auch kunden- und marktanteilsgetrieben.

     

  3. Wirtschaftliche und politische Schwerpunkte verschieben sich, der Wandel ist unternehmergetrieben, als auch kapitalmarktgetrieben.

     

  4. Darin werden virtuelle Organisations- und Wertschöpfungsformen begünstigt.

     

  5. Aktuell sind schon massive Veränderungen in der Arbeitswelt zu erkennen.

     

  6. Der Wandel ist global zu beobachten und zu bewerten.

Die "Internetrevolution" (wie der aktuelle Strukturwandel oftmals genannt wird) ist erst in der Frühphase. Bei rechtzeitigen Einstieg kann Europa, trotz aller Vorsprünge der USA, auf gleichem Niveau mithalten. Dafür ist jedoch einschneidende Veränderung erforderlich. Dazu die zehn Thesen des European Communication Council Report zur Internet-Ökonomie (Zerdick, 2001, 16fff):

    1. "Die Digitalisierung der Wertschöpfung erfasst alle Bereiche der Wirtschaft,
    2. Kritische Masse wird zum Schlüsselfaktor der vernetzten Wirtschaft,
    3. Traditionelle Wertschöpfungsketten erodieren,
    4. Der Kampf um die Aufmerksamkeit wird zur entscheidenden Wettbewerbsarena,
    5. Neue komplexe Wertschöpfungsnetze erfordern Wettbewerb und Kooperation,
    6. Massenmärkte lassen sich durch Gleichzeitigkeit von Kostensenkungs- und Differenzierungsstrategie individualisieren,
    7. Electronic Commerce wird zum Normalfall,
    8. Digitalisierung erleichtert Produkt- und Preisdifferenzierung,
    9. Bisherige Regulierungsmodelle werden obsolet,
    10. Normalisierung bei der Börsenkapitalisierung führt zur Auslese bei den Internet-Firmen."

Wenn auch etwas zeitverzögert, aber unaufhaltbar realisieren sich die Bedingungen der Internet-Ökonomie auch für den Politik-Markt und deren Akteure - in Europa jedoch noch etwas zeitverzögert.

Der aktuelle Wertewandel zu Eigeninitiative, Flexibilität, Selbstverantwortung, Selbstorganisation und -regulation, löst bisherige soziale Sicherheiten und Traditionen ab. Dieser Prozess ist auch als Werteverfall oder Mentalitätsveränderung zu bezeichnen (In Anlehnung an Klages in: Weidenfeld, 1996, 233fff):

  1. Individualisierung - nicht mehr ein homogenes Volk sondern individuelle Persönlichkeiten prägen Gesellschaft und Politik.

     

  2. Wachsender Hedonismus - Menschen wenden sich zunehmend Dingen zu, die sie 'persönlich angehen' und selbst entscheiden können. Sie wollen 'Subjekt ihres Handelns' sein.

     

  3. Der Bereich der Betroffenheit wird weiter - der Kreis dessen, was einem 'persönlich angeht' wird heute viel weiter gesteckt als früher.

     

  4. Im Trend zur Erlebnisgesellschaft - gesucht wird darin, das Lockere, das Informelle, das 'Interessante', das 'Spaß' macht.

     

  5. Gegen Formalismus - formale Autorität und formal-autoritative Ansprüche wie die eigene Folgsamkeit, Fügsamkeit und Hinnahmebereitschaft werden abgewehrt. Genauso auch 'formalistisch' gestaltete Führungs- und Vorgesetztenrollen.

     

  6. Gegen Autoritäten und Dogmen - Hierarchien und Respektspersonen und Prinzipien werden nicht mehr akzeptiert. Dies betrifft neben dem Staat, besonders auch Religionen/Kirchen.

     

  7. Gegen Pflicht- und Akzeptanzwerte - Neigungen und Pflichten werden nur mehr akzeptiert, wenn sie einen persönlich motivieren oder unvermeidlich sind. Moralistisch begründete Handlungsverpflichtungen werden abgelehnt.

Der gesamtgesellschaftliche Vorgang des Wertewandels ist wenig zu beeinflussen, daher ist (auch für Politik) zu empfehlen, den Veränderungen permanent zu entsprechen. Mehr noch, wer diesen Trend fördert, beispielsweise mit dem Verändern bestehender Hindernisse (z. B. durch das Entfernen von Hierarchien), sichert sich Vorteile gegenüber passiven Akteuren, deren Unterstützer stetig weniger werden. Nicht der Wertewandel ist das Problem, Werteänderungen auf individueller Basis sind Teil menschlicher Entwicklung. Der gewaltige und tiefgreifende, alle Lebensgebiete umwälzende Wertewandel betrifft einen überwiegenden Teil aller Werte. Dieser Wandel wurde von niemanden geplant und in der Art bewusst eingeleitet, es ist ein spontaner Prozess des individuellen Wollens, Fühlens, Bewertens und Wertempfindens (Klages in: Schlotter, 1997, 171-198).

Wichtige Aspekte der Vertrauenskrise im Verhältnis von Parteien und Politikern einerseits und dem Bürger auf der anderen Seite sind (Gebert/Boerner, 1995, 143fff):

    • Sinkende Mitgliederzahlen bei Parteien,
    • rückläufige Werte bei der Wahlbeteiligung,
    • wachsende Gleichgültigkeit gegenüber politischen Fragen,
    • die weiter sich verstärkende Tendenz zur politischen Entfremdung,
    • zunehmende Feudalisierung innerhalb der Parteien (z. B. mit Treue und Loyalität nach oben),
    • Politik- und Parteienverdrossenheit wirkt unter spezifischen Bedingungen (z. B. Krisensituationen) negativ auf die Akzeptanz des demokratischen Systems,
    • steigende Protestwählerzahlen.

In lange dauernden Phasen ohne Krisen delegiert das Volk stetig mehr Bürgeraufgaben und -pflichten an die Politik und deren Repräsentanten. Diese handeln vorwiegend selbstsüchtig und nach rationaler Nützlichkeit und Konkurrenz (siehe auch: Die Entwicklung zu Kartellparteien). Umgekehrt liefert die "Mediokratie" (Meyer) ständig teilnahmsloser werdenden Bürgern immer perfekteres "Politainment".

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4. Thesen zu den Veränderungen für Politik

Wählerschwund, Politik(er) Verdrossenheit und vermehrte Wechselwählerschaft, wie auch das von Anton Pelinka als "Parteienkrise" bezeichnete 'Ende des österreichischen Urvertrauens in die Politik', zwingen zum Politik- und Parteienwandel.

Diese Thesen bilden die Basis auf der offene Politik zu entwickeln und ein schlanker und effizienter Staat aufzubauen ist. Als Ergebnis ist eine breitere Bürgerbeteiligung in der Politik anzustreben (als Rückkehr zum Konkurrenzprinzip):

  1. Im Trend zu mehr Bürgerbeteiligung wandeln sich die Aufgaben der Politik zur Moderation individueller Bürgermeinungen für die politische Entscheidungsfindung:
    Politikmoderatoren (Personen oder elektronische Informationssysteme) entwickeln aus vielen Bürgerinteressen, in mehreren Interaktionen mit Bürgern, konsensfähige Gesetzesvorlagen und Bestimmungen. Empfehlenswert ist es jeweils mehrere professionelle Politikmoderatoren parallel bei der Konsenssuche zu einem Thema wirken zu lassen. Einige verbleibende repräsentative Politikaufgaben übernehmen die Medien.

     

  2. Mehr Bürgerbeteiligung setzt viele wissende, kompetente und selbstverantwortlich handelnde Bürger voraus:
    Benutzerfreundliche Informations- und Kommunikationsangebote, die ständig aktuell Informationsbedürfnisse der Menschen erfüllen, sind Voraussetzung für ein breiteres Engagement möglichst vieler Individuen in direktdemokratischen Systemen. Spezielle Trainingsangebote und vermehrte Diskussionen zu politischen Themen können den Aufbau höherer Medienkompetenz bei Bürgern fördern. Insgesamt bedarf es zusätzlicher Bildungs- und Informationsschwerpunkte, für mehr Selbstverantwortung und ethischen Denkens in Politik und Gesellschaft. Dafür sind die Rollen in der aktiven Politik neu zu verteilen.

     

  3. Für die starken Verquickungen von Parteipolitikern mit Verwaltung, Justiz, Medien, Wissenschaft, Schule und Verbänden bleibt künftig kein Raum mehr:
    Damit schwindet ein Stein des Anstoßes, der zum wachsenden Misstrauen zwischen Politik/Verwaltung und Bürger beitrug. Gleichzeitig gewinnt der Wettbewerb auch in den weitgehend noch vor Wettbewerb geschützten Bereichen an bestimmenden Einfluss. "Der Wettbewerb erhöht die Effizienz, die Arbeitsteilung, das Wachstum und damit die zur Verteilung verfügbare Menge Wohlstand" (Weizsäcker, 1998, 30).

     

  4. Die Parteien - und damit die Politik - sind heute noch als geschlossene Systeme zu bezeichnen. Diese starren Strukturen und Hierarchien erodieren kurzfristig:
    Der Kreis der Politikanbieter erweitert sich. Neben zusätzlichen Politikanbietern aus dem Kreis traditioneller Parteien übernehmen Medien aktivere Pollen in der Politikgestaltung. Als weiterer Faktor erhalten 'Amateur Democrats' mehr Möglichkeiten ihre Angebote (z. B. mittels Interessensnetzwerke) zu kommunizieren und zu diskutieren. Entscheidend im Politikwettbewerb ist es, besser wahrgenommen zu werden und überzeugen zu können.

     

  5. Die noch in der Politik vorherrschenden 'Apparatschiks' werden ersetzt. An ihre Stelle treten politische Quereinsteiger, die sich über ihr Charisma, Medienkompetenz und Leistung definieren:
    Der sich weiter beschleunigende Wandel in Gesellschaft, Wirtschaft und Politik entmachtet sämtliche Hierarchien und stellt Vorrechte und Machtpositionen zur Disposition. Erfolg und Einfluss sind nur mehr über besseres Marketing zu erlangen. Politische Karrieren verlieren an Stellenwert. Insgesamt reduziert sich die Zahl derer die ihr Einkommen durch die Politik und durch Politikmachen verdienen. Im Gegensatz dazu wächst die Zahl der System-Berater, -Entwickler und -Administratoren. Demnächst werden viele Verwalter des Staates und seiner Politik (z. B. Beamte) überflüssig.

     

  6. Parteiarbeit wird gleichfalls zur Moderation des politischen Meinungsbildungsprozesses, zur Sammlung und Aufbereitung der Bürgermeinungen. Vorrangige Aufgabe von Politikmoderatoren ist das 'Suchen und Finden konsensfähiger Politik-Entscheidungen':
    Dazu bedarf es möglichst vieler Menschen die über hohe Medienkompetenz verfügen. Den Bürgern müssen sämtliche Informationen geboten werden, um sie entscheidungsfähig zu machen. Politikinformationen gilt es jeweils für das Niveau möglichst vieler Bürger aufzubereiten. Nach Art einer 'Content Factory' (siehe www.digitaltv.at) sind Informationssysteme als offene Verzeichnisse aufzubauen. Darin kommunizieren Betroffene (z. B. die Bürger) ihre Anliegen mit Gleichgesinnten, politischen Repräsentanten und Politikmoderatoren.

     

  7. Die wachsenden Reichweiten interaktiver Medien erzwingen ein Öffnen der Parteien. Bürgerbeteiligungssysteme dominieren danach die Politik. Darin arbeiten Laien, Experten und Politiker gleichrangig zusammen:
    Mit Zunahme der Bürgerbeteiligung an der Politikproduktion werden traditionelle Politiker in großer Zahl entbehrlich. Politik gewinnt an Wert für den Einzelnen - bei sinkenden Politikkosten. In Staaten mit direkter Demokratie sind Staatsausgaben und Steuern im Verhältnis zum Sozialprodukt geringer als in Staaten mit repräsentativer Demokratie. Diese Gesellschaften gewinnen Vorteile im globalen Innovations- und Systemwettbewerb.

     

  8. Lean Politics/offene Politik und ein schlanker und effizienter Staat bedürfen nur mehr eines schlanken professionell agierenden Eliteapparates (z. B. als Präsentatoren). Der globale Innovations- und Systemwettbewerb lässt keine andere Wahl:
    Eine immer schwächer werdende traditionelle Politik verliert an Akzeptanz und Einfluss, sie wird zum Spielball der Medien- und Wirtschaftsinteressen. Bei ungebremster Weiterentwicklung dieses Trends werden die Bürger zu den eindeutigen Verlierern. Bürgerpolitik würde darin zunehmend zur "Politik über Bürger" (z. B. durch Wirtschaft und Medien). Als Alternative wird hier Bürgerbeteiligung in der Politikgestaltung unterstützt.

     

  9. Mit dem Abbau von Reglementierungen und Hierarchien werden zunehmend Politik Marketing und Medienkompetenz zu den politikentscheidenden Faktoren:
    Bisher gültige Aufstiegs- und Karrierewege in der Parteipolitik verschwinden, sämtliche Privilegien entfallen. Als einzig bestimmend, nicht nur in der Wirtschaft, wird (Politik) Marketing zum entscheidenden Faktor - auch im internationalen Innovations- und Systemwettbewerb. Nur mehr effiziente und schlanke Systeme (vor allem: leistungsfähige Politik-Systeme) werden akzeptiert. Hohe Beteiligungs- und Medienkompetenz bei möglichst vielen Individuen wird zum vorrangigen Wettbewerbsfaktor für Gemeinschaften und Interessensgruppen innerhalb der Weltgesellschaft.

     

  10. Das Schwinden von Hierarchien und Autorität erfordert neue Orientierungen für Bürger und Staat. Mit zunehmender Verletzlichkeit moderner Systeme wächst die Nachfrage für mehr Verantwortung beim Einzelnen. "Nicht die Lösung der technischen, sondern der ethischen Probleme wird unsere Zukunft bestimmen" schreibt Hans Sachsse in Lenk (1993). Techniker an den entscheidenden Schaltstellen müssen früher (möglichst schon in den Planungsphasen) die Folgen ihrer Entscheidungen bedenken.
    Der 'kantsche Imperativ' erlangt darin als allgemeines Gebot Gültigkeit (handle ständig so, als ob dein Tun zum Gesetz würde), dem sich die Menschen ohne Rücksicht auf Neigung und Glück zu unterwerfen haben. Parallel mit den wachsenden Möglichkeiten und Freiheiten für den Einzelnen gewinnen Folgen- oder Verantwortungsethik an Bedeutung. Weitere Individualisierung in der Gesellschaft ist nur mittels "maßvoller Lebensführung" (Demokrit) zu verwirklichen. Spätestens seit Hiroshima und Tschernobyl ist allgemein anerkannt, dass technisches Handeln nicht alles verwirklichen soll, was es kann. Gleiches gilt für die Politik: Sie darf nicht alle verfügbaren Mittel für ihre politischen und auch persönlichen Ziele einsetzen (z. B. Populismus, 'negativ campaigning'). Ansonsten verliert der gesamte (besonders jedoch der traditionelle) Politikbereich an Akzeptanz.

Dazu müssen sich vor allem Großparteien, über zusätzliche Leistungsangebote, breitere Partizipationschancen und höhere Servicedichte, neu positionieren. Mit der Globalisierung wandelt sich klassische Politik für die nationale Ebene zu "offener Politik", die sich zunehmend transnationalen Themen zuwenden muss, für eine Weltgesellschaft. Die Prinzipien 'unserer' Demokratie müssen sich unter den Bedingungen wirtschaftlicher Globalisierung und gesellschaftlicher Individualisierung weiterentwickeln. "... Großparteien sind mittlerweile Relikte aus einer anderen Zeit, die mit homogenen Weltanschauungen, Gruppenloyalität, ganzheitlichen Lebensperspektiven und der Suche nach Beheimatung verbunden werden" (Voglmayr in: Forum Politische Bildung, Nr.: 16, 1999, 40).

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5. Lernende Parteien

Ausgehend von der Beschreibung des "Lernenden Unternehmens" von Mike Pedler, John Burgoyne und Tom Boydell (1994, 11) ist diese Darstellung zu erweitern:

'Eine >>lernende Partei<< ist eine Organisation, die den Lernprozess aller ihrer Mitglieder fördert und sich gleichzeitig selbst fortwährend wandelt.' Organisationen, die in der Lage sind, sich im Wechselspiel mit den Bedürfnissen, Wünschen und Sehnsüchten der Menschen, die mit ihnen zu tun haben, anzupassen, zu verändern, zu entwickeln und zu wandeln, werden ihre Erfolge immer ohne räuberische Aneignung erzielen. Lernende Parteien müssen sich von innen heraus verwirklichen, z. B. mittels durchgreifender Veränderung bestehender Formen und dessen Charakters (Pedler/Burgoyne/Boydell, 1994, 11fff).

Der Lebenszyklus von Organisationen (z. B. in 'Lernenden Parteien' oder Lernenden Unternehmen):

  1. Am Anfang von Institutionen, Unternehmen oder Parteien steht jeweils die Gründung einer 'Pionierorganisation', mit einer oder wenigen Personen, die ein Produkt oder Dienstleistung anbieten. Jegliche Energie, der ganze Antrieb, geht dabei vom Pionier aus, er gibt die Richtung vor und steht im ständigen Kontakt mit Mitwirkenden und Bürgern/Kunden. Interne Systeme und Verfahren für Entwicklung, Kommunikation, Verkauf und Verwaltung sind auf ein Minimum beschränkt und meist sehr informell organisiert. Die Struktur dieser Organisationen ist entweder extrem flach, oder netzartig, gehalten. Darin befindet sich der Pionier jeweils in der Mitte des Netzes, so dass er alles was passiert, sofort mitbekommt. In der Pionierphase bestimmt das Potential des Pioniers Bestand und Entwicklung der Organisation.

     

  2. Mit weiterer Entwicklung bricht die zwanglose, tatkräftige Arbeitsweise zusammen. Nun werden Arbeitsvorgänge und -abläufe analysiert, schriftlich fixiert, systematisch verbessert und Neueinsteiger entsprechend geschult. Daraus entsteht mehr Ordnung, Rationalität, Formalität, Spezialisierung und Professionalität, die zupackenden Dilettantismus und Chaos ersetzt. Mit der Umstellung zu formaler und hierarchischer Struktur sinkt das Interesse am Ganzen. Es entstehen interne Spannungen, Konkurrenz und Konflikte; Kommunikation wird schwieriger oder unmöglich; die Identifikation der Mitglieder zu ihrer Organisation sinkt oder sie werden abhängig von der Organisation. Die Aufmerksamkeit für Bürger/Kunden und deren Interessen sinkt, sie wird vom selbstgespannten Netz erdrückt und zur Bürokratie mit sinkenden Bezug nach außen. Die Organisation steckt in einer existentiellen Krise.

     

  3. Nun werden starre Regeln gelockert, Formalitäten entfernt, gewohnte Hierarchien aufgebrochen und interne als auch externe Kommunikation verbessert, insgesamt wird die Aufmerksamkeit wieder nach außen gelenkt. Ursprüngliche vertikale Autoritätsbeziehungen werden von horizontalen temporären Projektgruppen ergänzt und ersetzt. Weitere Merkmale in dieser Phase sind Gruppentraining und der Aufbau von Matrixmanagement (jede Abteilung ist mit mehreren Bezugsbereichen verbunden), bisher von Spezialisten ausgeübte Funktionen werden ausgelagert. In dieser Konsolidierungsphase gelingt es oftmals die Krise für einige Zeit zu mildern, aber nicht zu lösen.

     

  4. Als nächste Entwicklungsstufe bedarf es neuer Ideen und Visionen als Ziele. Doch nach einiger Zeit werden diese Ideen allmählich entstellt und verzerrt: Der dynamische Anreiz der Exzellenz und des Gewinnens gleitet ins Chaos ab, Ordnung und Struktur werden zu Starre und Abgrenzung. Ähnlich dem physikalischen Konzept der Entropie, sind auch Ideen ständig von Zerfall und Verzerrung bedroht. Damit werden jeweils nach immer kürzerer Zeit neue Ideen erforderlich. Daraus wird ersichtlich, in als lernende Organisationen zu bezeichnenden Systemen gibt es keine endgültigen Lösungen. Als niemals endender Prozess werden schon nach kurzer Zeit weitere Lösungen für neue Probleme erforderlich. Dazu bedarf es permanenten Lernens und großer Flexibilität, es bedarf einer Lernenden Organisation (auch: einer lernenden Partei). Eigener Stillstand verschafft innerhalb kurzer Zeit lernenden Mitbewerbern alle Vorteile.

Als Beispiel für eine permanent lernende Organisation wurde das bei SEMCO realisierte Modell einer weitgehenden Demokratie am Arbeitsplatz für einen schlanken und effektiven Staat adaptiert. Hier das 'Organigramm' des schlanken und effektiven Staates, nach SEMCO:

Figure 03: Das Organigramm des schlanken und effizienten Staates

Nicht mehr archaische Mentalitäten und strikte Hierarchien bestimmen die künftige Politik, sondern Politik wird zum direkten Dienstleister für Bürgeranliegen. Bürger in selbstorganisierten Gemeinschaften machen Politiker 'alten' Stils (des hierarchischen Systems) überflüssig. Nur noch Bürger, Fachreferenten und Medienrepräsentanten, prägen Gemeinschaften. Darin arbeiten Bürger als selbstverantwortliche und selbstorganisierte Teams, unterstützt durch Politikkoordinatoren und Politikmoderatoren, direkt zusammen. Die Fachreferenten werden regelmäßig in Abstimmungen mit den Bürgern (den "Politik-Kunden") bewertet. Alle Politikkosten (z. B. Steuern und Entlohnung der Politiker) werden offengelegt. Ausgehend vom Untertitel zu Semlers Buch "SEMCO Management System" (1993): "Management ohne Manager", sind auf diese Weise eine 'Politik ohne Politiker' und auch Konzepte zu einer 'Universität nur mehr wenigen Professoren' zu realisieren.

Als Folge des Übergangs vom ausklingenden industriellen Zeitalter zur postindustriellen Dienstleistungsära werden sich einige Parteien verändern, einige reagieren auf Veränderungen und einige wundern sich was passiert ist (auch: Pedler/Burgoyne/Boydell, 1994, 66).

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6. E-Demokratie realisieren

Die wachsende Abhängigkeit traditioneller Politik vom Markt zwingt zum Politikwandel. Die allen verfügbaren Informations- und Kommunikationstechnologien (Information- and Communication Technologies - ICTs) und internetbasierte Technologien (Internet Based Technologies - IBTs), deren Interaktivität, die Mediengesellschaft, ermöglichen erneuerte Formen und Strukturen für elektronische Demokratie. Darin ist mittels erweiterter technisch unterstützter Partizipationsangebote für Bürger, auf Basis offener Politik direkte Bürgerbeteiligung in der Politik zu realisieren.

Neben den Medien als sogenannte vierte Gewalt in modernen Demokratien sind die Wirtschaft - und besonders die Finanzmärkte - als die fünfte Gewalt im Staat zu bezeichnen. Etwas provokant formuliert Rolf-E. Breuer seine Frage: "Ist die Politik im Schlepptau der Finanzmärkte?" unter "Die fünfte Gewalt" in "DIE ZEIT Nr. 18 27. April 2000 pg. 21f". Die Finanzmärkte als wichtige Sensoren für die Qualität der Wirtschaftspolitik reagieren besonders sensibel auf Fehlentwicklungen durch die Politik (z. B. Haushaltsdefizite, Inflation). Besonders die Kosten und der Nutzen staatlicher Leistungen sind Auslöser von Wanderungen mobiler Faktoren (z. B. Kapital und vermehrt auch für Humankapital). Darum ist der Staat immer mehr gezwungen seine Politik an den wirtschaftlichen Vorgaben auszurichten (die Freiräume des Staates, damit auch für die Politik werden geringer). Im Gegensatz zu Wahlentscheidungen alle vier bis fünf Jahre, treffen auf den Finanzmärkten Hunderttausende ihre autonomen Entscheidungen. Die Staaten müssen sich nach den Anlegerwünschen richten, oder anders formuliert: Offene Finanzmärkte erinnern Politiker etwas häufiger an die Zielsetzungen (z. B. Rechtssicherheit und Stabilität), als dies die Wähler vermögen. Damit erhalten diese Zielsetzungen mehr Gewicht gegenüber den vorrangigen Bürgerinteressen Wohlstand und Wachstum. Der wachsenden Medien- und Finanzgewalt ist mittels verbesserter Angebote zu mehr Bürgerbeteiligung für eine aktive Bürgerschaft und einer effektiveren Demokratie zu begegnen. Im Gegensatz zur Politik unterliegen die Finanzmärkte keiner demokratischen Legitimation.

Die Staatsquote als Anteil der Staatsausgaben am Sozialprodukt/am BIP (in Prozent) ist ein Indikator für die relative Staatsgröße (die Kosten der Politik) eines Landes (Linder, 1999, 149):

Land
1960
1970
1980
1990
1994
USA 27,2 32,3 31,8 32,8 33,0
Japan 17,5 19,4 32,0 31,3 34,4
Schweiz 17,2 21,3 29,3 30,9 36,9
Irland 28,0 39,6 47,4 38,9 40,5
Großbritannien 32,2 39,3 43,0 39,9 43,1
Deutschland 32,4 38,7 47,9 45,1 48,9
Norwegen 29,9 41,0 47,5 49,7 49,8
Österreich 35,7 39,2 48,1 48,6 51,8
Niederlande 33,7 46,0 55,2 54,1 53,0
Frankreich 34,6 38,9 46,1 49,8 54,0
Italien 30,1 34,2 41,9 53,4 54,8
Belgien 34,6 36,5 58,6 54,3 55,7
Finnland 26,6 31,3 38,1 45,3 59,3
Dänemark 24,8 40,2 56,2 58,6 64,0
Schweden 31,0 43,7 60,1 59,1 68,3

Tabelle 01: Staatsquoten von 15 OECD-Länder im Vergleich

Daraus ist auch ersichtlich: "Bescheidener Staat, geringe Zentralisierung" (Linder, 1999, 149). Wenn auch diese Zahlen in obiger Tabelle eine gewisse Unschärfe enthalten, so weisen sie doch für USA und Japan (neben der Schweiz) eine relativ bescheidene Staatsquote aus.

In nächster Zeit wird sich der wirtschaftliche Wettbewerb zwischen der Triade (USA, Japan und EU) weiter verschärfen. Danach haben sich alle Wettbewerber an den niedrigen Vorgabewerten (des BIP) der USA und von Japan zu orientieren, dazu sind deutliche Ausgabenbeschränkungen in vielen westlichen Staaten erforderlich. Die heute noch sehr hohe Staatsquote in mehreren europäischen Ländern ist aus Wettbewerbsgründen nur noch wenige Jahre haltbar. Dazu müssen einige Länder ihre Staatsausgaben halbieren, eine schmerzliche Aufgabe (für traditionelle Politik eine schier unlösbare Aufgabe). Die heute in einigen Ländern sehr hohen BIP-Werte weiterhin auf dem Niveau zu belassen ist künftig direkt mit Wohlstandsverlusten für das jeweilige Land verbunden - durch sinkende Wettbewerbsfähigkeit. Letztendlich werden die erforderlichen radikalen Einschnitte unter Krisenbedingungen realisiert (z. B. in Neuseeland ab 1984).

Die Transformation verschiedener Institutionen und Hierarchien durch elektronische Demokratie (Ideengeber: Baumann/Kistner, 1999, 219f):

Figure 04: Möglichkeiten effizienter Modernisierung von Politik & Staat

Ähnlich wie mittels Electronic Business viele Zwischenhändler überflüssig werden, sind mittels elektronisch unterstützter Politik Kosten einzusparen (z. B. Bundesrat & Landesregierungen), mit gleichzeitiger Qualitätsverbesserung bei den Politikergebnissen, aus Sicht der Bürger.

Figure 05: Einsparen an Politikern & bei Parteien

Wie Erfahrungswerte zeigen, sind Verwaltungsangestellte zu 80 Prozent mit Aktenbewegungen ausgelastet, nur 20 Prozent verbleiben für Bürgergespräche. Unter Nutzung von E-Government ist eine Umkehrung dieses Verhältnisses zu erreichen. Gleiche Einsparungen sind auf Seite der Bürger zu erzielen: Amtstermine bestehen üblicherweise aus 80 Prozent Zeitaufwand für Warten auf Einlass, hier bietet E-Government radikale Ersparnis. Sobald die Politiker das Potential effizienter Verwaltungen für den Wahlwettbewerb entdecken, wird die bessere und bürgerfreundliche Verwaltung auch zum Thema breiter Diskussion.

Weitere Globalisierung und Lokalisierung ist mit stark schrumpfenden Gestaltungsspielräumen für nationale Politik verbunden. Daraus sind zwei Schwerpunkte künftiger Politik zu erkennen:

  1. Zunehmend werden Politik-Entscheidungen lokal von Bürgern direkt - mit professioneller Unterstützung von Politik- und Bürgerberatern - entwickelt. In der entstehenden Weltgesellschaft gestalten hochinformierte Bürger als Gleichmächtige (ihre Politik).

     

  2. Mit wachsender internationaler Verflechtung wandern vermehrt nationale Politikaufgaben zu überregionalen Verbünden und Institutionen. Der dort herrschende Wettbewerb verlangt von den Akteuren hohe Medien- und Sachkompetenz, als auch wirkungsvolle Vernetzung.

In gleicher Weise wie sich die Voraussetzungen für die aus dem 19. Jahrhundert stammende repräsentative Politik in der Informations- und Wissensgesellschaft verändern, gilt dies auch für das gesamte Bildungssystem. Diese zwei Schlüsselbereiche bestimmen die "knowledge-based Economy" des 21. Jahrhunderts. Sie sind für die sich verändernden Herausforderungen zu erneuern. Das bisher am "rational uninformierten Wähler" orientierte Bild traditioneller Politik ist zu offener Politik des "mündigen und aufgeklärten Bürgers" (Nienhaus in: Klemmer/Becker-Soest/Wink, 1998, 235) zu wandeln. Der Weg zu einer Weltgesellschaft als "Demokratisierung Europas kann nur als Selbstdemokratisierung der Union voranschreiten" (Wimmer, 2000, 107), mittels 'Amateur Democrats' in einer Beteiligungsdemokratie, unter aktiver Moderation kompetenter 'Bürgerberater'.

Die daraus abzuleitenden veränderten Bedingungen für Politik bedingen deutliche Veränderungen in der "Politischen Wissenschaft", mehr noch: sie hat durch vorauseilende Forschung den Wandel wissenschaftlich zu begleiten. Das breite Spektrum der Themen erfordert Fachkompetenz aus: 'Informationswissenschaften, Soziologie, Philosophie und Politikwissenschaft'. Die sich aus dem vielfältigen Themenspektrum ergebende neue Disziplin wird in dieser Arbeit als "E-Demokratie" bezeichnet. Darin gilt es per interdisziplinärer Zusammenarbeit permanent wissenschaftliche Ergebnisse für die Politikpraxis aufzubereiten und (vorerst) prototypisch zu realisieren.

Für das generelle Ziel einer weitgehenden Erneuerung von Politik und begleitender Institutionen, werden (prototypisch) am Internet mehrere Fachportale eröffnet (auf österreichischer Ebene - eine ähnliche Zusammenstellung wird für europäische Politik vorbereitet):

  • in 'www.politikwissenschaft.at' werden die Erfahrungen aktueller Forschungen aufbereitet;

     

  • das Portal 'www.volksbegehren.at' dient der Verfügbarmachung von Bürgerwissen für Politik;

     

  • in 'www.internetpartei.at' wird offene Politik für die Praxis in einer Beteiligungsdemokratie realisiert;

     

  • speziell für betroffene Bürger (und deren Anliegen) wird 'www.volksanwalt.at' erstellt;

     

  • für eine nachhaltige Entwicklung und für Vorteile im globalen System- und Innovationswettbewerb ist 'www.ideenagentur.at' konzipiert;

     

  • in 'www.e-demokratie.at' als zentrales Portal fließen alle disziplinübergreifenden Einzelinformationen und Forschungsergebnisse zusammen;

     

  • Portale wie 'www.manipulation.at' und 'www.korruption.at' ermöglichen ein Weiterentwickeln der Themen 'negative campaigning' und 'permanent campaigning', als auch 'web campaigning'.

Damit ist auch zu erklären, warum die Initiative zu "E-Demokratie" von der Informationswissenschaft kommt: Aufbauend auf den Grundlagen zu Beginn der Arbeit, unter Nutzung der Ergebnisse aus Studien zu praktischen Beispielen in den nachfolgenden Seiten, wird abschließend der Einsatz eines Content-Management-Systems - CMS (vorerst nur prototypisch) für offene Politik zur Unterstützung von Bürgerbeteiligung implementiert. Für weiterführende Vorhaben ist die Erweiterung dieses Systems für mehr Bürgerbeteiligung auf europäischer Ebene vorgesehen (z. B. unter www.internetpartei.com & www.politikwissenschaft.com). Zur Entwicklung und Realisierung wird ein Network of excellence (EN), für die Zusammenarbeit von Kapazitäten aus Informationswissenschaften, Soziologie, Philosophie und Politikwissenschaft, im 6. EU-Forschungsrahmenprogramm vorbereitet.

Praktische Beispiele die in der Literatur beschrieben werden, lieferten die Basis für Systeme zu mehr Bürgerbeteiligung:

  1. Das auf weitgehender Mitarbeiter-Partizipation basierende 'SEMCO Management System' dient als Ausgangsbasis für eine weitgehend von den Bürgern bestimmte Politik. Mehr Details wurden schon am Ende des vorausgehenden Kapitels aufgezeigt.

     

  2. Die 'Prinzipien aus Open-Source' motivieren im Software-Bereich viele Entwickler und Benutzer zur Beteiligung an der Entwicklung 'Freier Software', diese Prinzipien sind für offene Politik zu adaptieren. Mittels offener Politik ist eine weitgehende Selbstregierung gleich Mächtiger unter Gleichen vorzubereiten. Ähnlich der Softwarekrise, wie sie in den 80er Jahren erkannt wurde, wird heute auch in der Politik vermehrt von der sich verschärfenden Demokratie-, Parteien- und Politikkrise beschrieben, die es zu beheben gilt. Auf der Basis freien Informationsaustausches und kollaborativer Mitgestaltung ist Politik zu erweitern.

     

  3. Am Beispiel der 'Beteiligungsdemokratie Porto Alegre' orientieren sich die in der Arbeit entwickelten Vorschläge für offene Politik. Kern des Erfolgs in Porto Alegre ist das Mitbestimmungsbudget 'Orçamento Participativo' (OP). Darin bestimmen konkret und demokratisch die Bürger über die Verwendung der Gemeindegelder (z. B. in regionalen Versammlungen). Sie entscheiden, welche Bereiche der Infrastruktur geschaffen oder verbessert werden. Die Einwohner können aus nächster Nähe den Fortgang der Arbeiten und die Finanzierung beobachten. Das politische Experiment des Bürgerbeteiligungsmodells Porto Alegre findet unter Bedingungen demokratischer Freiheit statt. Das in Porto Alegre praktizierte Beteiligungsmodell hilft mit die Normen und Verfahrenweisen der Globalisierung demokratischer zu gestalten.

     

  4. Als reales Modell besitzt die 'Schweiz als leistungsfähiger Staat' (Linder 1999) ein seit Jahrzehnten bewährtes Politiksystem aus Konkordanz und direkter Demokratie. In Anlehnung daran werden praktische Lösungsvorschläge für von Demokratiekrisen bedrohte Länder entwickelt. Das vorrangige Interesse gilt dabei den Volksrechten, die Bürgern zusätzliche Formen gleicher, unverfälschter und wirksamer Teilnahme anbieten. Aufschlussreich sind die Informationen dazu, wie die Bürger mit ihren Rechten erweiterter Teilnahme real umgehen, als auch wo Grenzen einer Demokratie der Partizipation liegen. Besonders Aspekte der Konkordanz und der direkten Demokratie wurden in dieser Arbeit für die Entwicklung von offener Politik für eine Beteiligungsdemokratie eingearbeitet. Dazu einige Fakten: Die Schweizer bezahlen weniger Steuern als die meisten Europäer, vor allem wenig im Vergleich zu den Leistungen, die sie vom Staat in Anspruch nehmen. "Das Bildungswesen weist in einigen Bereichen wie der Berufsbildung hohes Niveau aus; in einzelnen Forschungsbereichen genießt die ETH Weltruf." (Linder, 1999, 19).

     

  5. Als Globalisierungskritiker ist, spätestens seit dem G8-Gipfel in Genua vergangenen Jahres (2001) im Juli, das aus Frankreich stammende 'Netzwerk ATTAC' bekannt geworden. Unter Nutzung der Möglichkeiten der Medien (z. B. für Eskalation und Dramatisierung) schafft ATTAC jeweils zu einzelnen Fehlentwicklungen der Globalisierung globale Öffentlichkeiten und sensibilisiert dadurch vermehrt das Denken vieler Menschen für diese bisher scheinbar unlösbar geltende Problematik. "ATTAC deckt die Machenschaften der Weltorganisationen und Weltkonzerne auf und tritt für eine sozial gerechte Form der Globalisierung ein." (Ehlers, raum & zeit 118/2002, pg. 5-17). Die Erfolge von ATTAC bieten Erfahrungen an, auf denen offene Politik durch Amateur Democrats für mehr Bürgerbeteiligung, auch gegen den Widerstand etablierter Strukturen, zu realisieren ist. Die von ATTAC angestrebte Tobin-Steuer würde Erstarrung in der Wirtschaft fördern, darum ist dessen globale Einführung abzulehnen.

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7. Handlungsbedarf in Politik & Wirtschaft

In der Wirtschaft wie in der Politik verleiten, Ausführung und Kontrolle in einer Hand, wegen der menschlichen Schwächen, zu Klüngelei und Korruption.

Meine Arbeit unter www.e-demokratie.at bietet an: Die Anwendung der Techniken des Internets zum Aufbau einer außerparlamentarischen kybernetischen Kontrolle:

  • Zur rechtzeitigen Entdeckung von Korruption) (z. B. www.korruption.at & www.warroom.at),
  • Zur medialen Aufmerksamkeitsentwicklung auf meinem Portal www.digitaltv.at, wenn die Medien sich sträuben, die Korruption zu bekämpfen,
  • Zur Dokumentation des Lernprozesses politischer Macht am Übergang, unter den Vorzeichen von Mediokratie und Politainment (siehe auch: Meyer, 2001 & Dörner, 2001), unter www.politikberater.at.

Zur Lösung der erkannten Ineffizienz wird für die Politikpraxis folgender kybernetische Zyklus vorgeschlagen:

Figure 06: Veränderte Politikprozesse

Gewaltenteilung & Demokratieeffektivität: In der offenen Informations- und Wissensgesellschaft ist die seit Jahrhunderten bewährte Gewaltenteilung in der Demokratie zu aktualisieren. Wie die aktuellen Probleme (z. B. Bilanzbetrügereien, Börsenkrisen und daraus folgend: Politikverdrossenheit) zeigen, ist eine veränderte Kontrolle der Gewaltenteilung zu realisieren.

Ähnlich wie durch Technologieeinsatz die Ergebnisse der Unternehmen verbessert wurden (z. B. durch Business Reengineering), sind durch Technologieeinsatz (z. B. Politics Reengineering) die Politik-Ergebnisse permanent zu verbessern.

Hier die erforderlichen Schritte für eine Erneuerung der Gewaltenteilung und daraus resultierend: für höhere Demokratieeffektivität:

  1. Die aktuelle Form der Gewaltenteilung im Staate ist ständig auf ihre Funktion zu überprüfen
      • Das Parlament - Gesetze machen = Legislative,
      • Die Gerichte - Gesetze auslegen = Judikatur,
      • Die Verwaltung - Gesetze Überwachen und Anwenden = Exekutive.

Figure 07: Gewaltenteilung

  1. Probleme in der Privat-Wirtschaft, wie beispielsweise von einem Anbieter durchgeführte Buchhaltung und gleichzeitig auch Consulting von der gleichen Firma, förderten Manipulation und Korruptionsfälle (siehe z. B. Enron, WorldCom, Global Crossing, Tyco, Quest, Inclone Systems, Xerox, Vivendi Universal, als auch deren Berater: z. B. Arthur Andersen).

     

  2. Verifikation der Gewaltenteilung (Schwachstellen entstehen in der Politik durch "große Koalitionen", worin Kontrolle und Kontrollierte aus der gleichen Partei/Koalition kommen. Hier ist auf Unabhängigkeit zu achten (z. B. durch beste Qualifikationsauswahl, auch per Assessmentcenter für Politiker).

     

  3. Mittels Technologieeinsatz (z. B. Politics Reengineering) ist die Demokratieeffizienz zu steigern.

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8. Innovationsvorschläge zur Implementierung direkter Demokratie

Hier werden die in dieser Arbeit aufgezeigten Innovationen für offene Politik zusammengefasst. Zusätzlich werden mehrere weiterführende Forschungs- und Entwicklungsaufgaben skizziert:

  1. Politik Marketing und direkt damit verbunden kampagnenorientierte Politik, sind mit einer grundlegenden Umgestaltung der Prioritäten in der Politikgestaltung verbunden (z. B. zu Personalisierung, Politainment, Eventmarketing und Personalityshows).

     

  2. Die heute noch bestimmende Funktion des Fernsehens in der medialen Erlebnisgesellschaft steht vor radikaler Veränderung: als zusätzliche Konkurrenz wachsen die Potenziale für Internet-TV. Danach bestimmt die Qualität der TV-Produktionskapazitäten in den Parteien über künftige Politikerfolge. Auch ist heute schon mit der Entwicklung geeigneter Video-Such- und Organisationsportale für individuelle Zusehererwartungen zu beginnen.

     

  3. Internetportale als spezielle Themenportale (z. B. www.korruption.at) sind für die Gewinnung des Bürgerwissens vorzubereiten. In gleicher Weise ist per offener Informationsportale der Trend zu mehr informierte Bürger zu unterstützen. Für diese Ziele eröffnen Content-Management-Systeme (CMS) erweiterte Möglichkeiten für einfacheres Publizieren und für aktuellere Seiten. Als Innovation werden für diese Internetportale jeweils aussagekräftige Namen als Adressen genutzt.

     

  4. Mit der aktuell (2002) zu beobachtenden sehr großen Verbreitung von Handys rückt Mobile Computing ins Zentrum des Interesses künftiger Wahlkampagnen. Neben Regionalisierung und weiterer Individualisierung, Web Campaigning sehen die Filzmaier und Plasser (2001, 209fff) eine Entwicklung in Richtung dialogische Wahlkampfführung. Mit der in den nächsten Jahren zu erwartenden UMTS-Einführung sind Entwicklungssprünge erforderlich.

     

  5. Im Zusammenhang mit permanenter und dialogischer Wahlkampfführung und weiterer Individualisierung in der Politik wird hier ein Konzept für Call-Center vorgeschlagen. Als besonderer Aspekt ist dabei die Gewinnung vieler und genauer Bürgerprofile anzuführen.

     

  6. Die veränderten Bedingungen erfordern eine neue wissenschaftliche Disziplin: Themen aus 'Informationswissenschaften, Soziologie, Philosophie und Politikwissenschaft' sind darin zu bearbeiten. Hierfür wir die Bezeichnung E-Demokratie vorgeschlagen.

Innovationen auf der Basis Mobile Computing für direkte Politik-Bürger Kontakte (Ideengeber: Max Watzenboeck): Als Entwicklungsthema zum Bereich 'Pervasive Computing' wird hier für das Handy eine zusätzliche Funktion vorgeschlagen: ein 'Icon zum Vertrauenspolitiker'. Dazu wird für einzelne Handys eine Erweiterung entwickelt, deren Aktivierung eine direkte Verbindung zum Call-Center des Vertrauenspolitikers schafft. Als 'pervasive computing' & 'embedded systems' werden Softwaresysteme bezeichnet, die Teil von Kommunikationsgeräten, Autos und medizinischer Technik, aber auch von Maschinen, Industrieanlagen und anderen intelligenten Objekten sind. Die erforderliche Informationstechnologie ist in die Objekte integriert, sie wird nicht mehr explizit wahrgenommen, sie ist jeweils untrennbarer Bestandteil dieser Geräte.

Mittels Call-Center sind virtuelle Parteizentralen und -Gemeinschaften zu aufzubauen und zu betreiben. Vorerst zur Bearbeitung von Bürgeranliegen, in weiterer Folge sind darin Innovationen (z. B. 'Icon zum Vertrauenspolitiker') zu realisieren (als Forschungs- und Entwicklungsaufgaben):

  • Verbesserungsvorschlag I: 'Icon an den Vertrauenspolitiker' auf dem Handy, als direkte Verbindung vom Bürger zur Politik (& von der Politik zum Bürger, auch für Politik Marketing).

     

  • Verbesserungsvorschlag II: Errichtung eines Call-Centers zur Bearbeitung der einlangenden Anliegen und deren Aufbereitung für Lösungen (und für Wissensmanagement).

     

  • Verbesserungsvorschlag III: Statistische Auswertung der Datenbank der Anfragen im Call-Center für Neuorientierung des Parteiprogramms (auch für den Aufbau von War-rooms).

     

  • Verbesserungsvorschlag IV: Toolset für den Betrieb virtueller Gemeinschaften zu politischen Anliegen (z. B. für Informationsportale - darin auch Diskussionsforen zu Bürgerinteressen - auch für Abstimmen per Handy).

Entsprechend den Zielsetzungen sind beim Call-Center Datenbanken mit statistischen Auswertemöglichkeiten (z. B. nach Benutzerprofilen, individueller Interessenslage und Situierung) einzurichten. Sämtliche Kontakte der Bürger, der jeweiligen Anrufthemen und weiterer spezieller Anliegen der Nutzer sind in der Datenbank abzulegen und für weitere Anrufe aufzubereiten. Speziell für die individuelle Bürgeransprache liefert diese Informationssammlung Bürgerprofile für die individualisierte Werbekampagnen (z. B. für Politik Marketing).

 Franz Aigner ,           E-Mail: aigner@publicist.com            Offene Politik

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