- Einleitung
- Die
Internet-Technologie verändert die politische Szene
- Themen
des aktuellen Wandels in Wirtschaft und Politik
- Thesen
zu den Veränderungen für Politik
- Lernende
Parteien
- E-Demokratie
realisieren
- Handlungsbedarf
in Politik & Wirtschaft
- Innovationsvorschläge
zur Implementierung direkter Demokratie
1.
Einleitung
"Wir
leben in Netzen grenzenlosen geistigen Betruges, oft
auch des Selbstbetruges. Mit ein wenig ehrlicher
Anstrengung können wir uns aber daraus befreien. Wenn
wir dies schaffen, sehen wir eine Welt, die uns von äußerst
wirkungsvollen ideologischen Systemen gezeigt wird, eine
viel hässlichere Welt, oft eine erschreckende. Wir
sehen dann auch, dass unsere eigenen Taten oder unsere
eigene Zustimmung wesentlich zu Elend und Unterdrückung
beitragen, vielleicht auch zur globalen
Vernichtung." Noam Chomsky (1988, 7).
In
erster Linie ist die Wissenschaft gefordert sich mit den
veränderten Bedingungen und Anforderungen für praktische
Politik zu beschäftigen. Im Rahmen der nachfolgend
aufgelisteten Veränderungen ergeben sich neue Regeln für
das gesellschaftliche Zusammenleben.
Der
gesellschaftliche Wandel von der Agrar- zur
Informations- und Wissensgesellschaft (in Anlehnung an:
Hohn, 1997, pg. 17 & Vahs, 1999, pg. 35):

Figure
01: Im Wandel zur Informations- und Wissensgesellschaft
Im Zeitraum
von 1800 bis etwa den 1960 hat sich der Anteil in der
Landwirtschaft Beschäftigter von über 70 auf unter 20
Prozent verringert, derzeit dominieren darin
Dienstleistungsbereiche und Wissensarbeit. Der rasch
wachsende Wirtschaftszweig Informationstechnologien hat
schon den Produktionsbereich überholt. In der offenen
Informations- und Wissensgesellschaft verschiebt sich
die Produktion von den verbrauchenden Faktoren
Rohstoffe, Energie und Transportmöglichkeiten zu
Kompetenz und Wissen, als auch zu 'Veränderungsbereitschaft'
und Humankapital.
Mit
der demografischen Veränderung zur ergrauenden
Gesellschaft ist tiefgreifender, weitgehend irreversibler
Wandel verbunden. Die Politisierung des Alters, insgesamt
ein verstärktes Gewicht älterer Wähler und deren
Wahlverhalten, zwingen künftig alle Parteien vermehrt "graue"
- sprich seniorenspezifische - Themen zu artikulieren (z.
B. materielle Sicherung im Alter, Pflege- und
Betreuungssituation, Bildung und Weiterbildung im dritten
Lebensabschnitt, altersgerechtes Bauen und Stadtplanung) (Fassmann/Münz
in: Pelinka/Plasser/Meixner, 2000, 13 - 30).
Nachfolgend
die Altersstruktur der Bevölkerung zum Zeitpunkt 1998 und
eine Vorausschau für das Jahr 2030 (Pelinka/Plasser/Meixner,
2000, pg. 19 & auch: Esser, 1993, 266fff):

Figure
02: Der Trend zur ergrauenden Gesellschaft
Neben
soziologischen Aspekten prägen vermehrt Elemente der 'Tele-
und Mediokratie', als auch das Thema 'Politainment'
die Politikpraxis. Innovationen wie 'Web Campaigning' (Filzmaier/Plasser,
2001, 157fff) sind Ausdruck weiterer Computerisierung
und des explosionsartigen Bedeutungszuwachs von
Informations- und Kommunikationstechnologien (Information-
and Communication Technologies - ICTs) und internetbasierte
Technologien (Internet Based Technologies - IBTs) in
Gesellschaft und Politik.
Aus
aktueller Sicht prägen folgende fünf Bereiche das künftige
Politikgeschehen:
- Wenn auch in
der Wirtschaft die ICTs und IBTs eine entscheidende
Rolle innehaben, prägen auch weiterhin die Themen Eventmarketing
und Personalisierung die Politik-Praxis. Mittels
Politainment-Strategien und Personalityshows ist
Langeweile, als größter Aufmerksamkeits-Killer in der
Mediokratie, zu bekämpfen.
- Nach wie vor
haben in politischen Wahlkämpfen die TV-Medien
zentralen Einfluss auf deren Ergebnisse. Mit wachsender
Verbreitung von Breitbandanbindungen zu vielen
Haushalten, eröffnen sich zusätzliche Möglichkeiten für
Internet-TV. Das Thema Internet-TV ist durch
geeignete Angebote vorzubereiten (z. B. durch 'Video-Such-
und -Management-Systeme').
- Aktuell (2002)
besteht eine große Verbreitung von Mobile
Computing in Österreich bei Jugendlichen (von zehn
Jugendlichen verfügen neun über ein Handy). Damit
besteht eine breite Basis zur individuellen Bürgeransprache
mittels Politik Marketing. Diese Potentiale gilt es künftig
auch für Politikerfolge zu realisieren (z. B. per 'Icon
zum Vertrauenspolitiker').
- Darauf
aufbauend bedarf es Call-Center für den Aufbau
und den Betrieb von virtuellen Parteizentralen und -Gemeinschaften.
Aus der dabei zu erstellenden Datenbank sind
Politik-Initiativen und -Prioritäten, als auch Bürger-/Wähler-/Interessenten-Profile
und Unterstützer-Informationen zu gewinnen (z. B. für:
'Politik-Aufgaben optimiertes CRM' - Customer
Relationship Management).
- Erst an
letzter Stelle - auch der Bedeutung nach - sind Internetportale
als spezielle Themenportale (z. B. www.korruption.at)
einzuordnen. In dem Zusammenhang eröffnen
Content-Management-Systeme (CMS) für den Betrieb von
Internetangeboten zusätzliche Möglichkeiten (z. B. für
aktuelle Seiten, für einfaches Publizieren).
Ein
plakatives Problem: Wie die aktuelle Politikpraxis
zeigt, konzentrieren die traditionellen Parteien ihre
Aktivitäten noch fast ausschließlich auf nationale
Politik, für überregionale Politik werden nur
reduzierte Ressourcen eingesetzt. Damit überlassen
die heute herrschenden Politiker dieses wichtige Feld
zukünftiger Politik (oft außerparlamentarischen)
Randgruppen und undemokratischen Kräften, die diese
Chancen schon erkannt haben und sich dafür zu
organisieren beginnen. Als eine Folge daraus könnte
beispielsweise extremistischer Gruppierungen in europäischen
Entscheidungsgremien ein Übergewicht erhalten.
2.
Die Internet-Technologie verändert die politische Szene
- Die Regeln
des E-Business sind für E-Demokratie gültig,
- Amateur
Democrats haben dann eine ähnlich große Macht
wie Berufspolitiker,
- Der
Erstarrung traditioneller politischer Organisationen
wird hier durch die Alternative einer offenen
Politik begegnet,
- Parteien müssen
auf die großen Veränderungen in den "Wählermärkten"
reagieren,
- Zukunftsfähigkeit
und Wettbewerb sind nicht nur in der Wirtschaft,
sondern auch für Politik bedeutsam,
- Ethik
und Moral bieten die Grundlage für nachhaltige
Entwicklung.
Die Regeln des
E-Business verändern die Wirtschaft und (etwas zeitverzögert)
auch die gesamte Politikpraxis. Davon ausgehend werden die
von Ravi Kalakota und Marcia Robinson im "Praxishandbuch
E-Business" gelisteten zehn Punkte von Veränderungen
traditioneller Geschäfte (Kalakota/Robinson, 2001,
35fff) für 'E-Demokratie' adaptiert:
- Technologie
treibt Veränderungen auch im Politikbereich voran.
Neben Internet verändern Internet-TV und Mobile
Computing die Bedingungen für Politik radikal. Doch die
Technologie liefert nur die Werkzeuge für Veränderung.
- Die Struktur
von Informationen anpassen und den Informationsfluss zu
beeinflussen und zu kontrollieren, werden zu den
wichtigsten Fähigkeiten auch in der Politik. Dazu ist
auf die erweiterten Möglichkeiten von
Content-Management-Systemen (CMS) zu verweisen.
- Die Unfähigkeit
zur Anpassung an veränderte Bedingungen ist mit
Verlusten verbunden - mit Verlusten an Zustimmung - und
mit Abwahl. Interdisziplinäre Zusammenarbeit (z. B.
zwischen Soziologie, Politikwissenschaft,
Informationswissenschaften, Politikwissenschaft und
Marketing) hat die Basis zu E-Demokratie für modernes
Regieren zu schaffen.
- Ähnlich wie
E-Commerce Unternehmen die Möglichkeit bietet, auf ihre
Kunden einzugehen und die >>Besten<<,
>>Bekanntesten<< oder
>>Effektivsten<< zu werden, eröffnet das
Potential von E-Demokratie diese Perspektive auch für
Parteien.
- Der Einsatz
von Technik beschränkt sich nicht alleine auf bessere
Kommunikation mit Bürgern. Mit Technik ist der gesamte
Politikprozess zu erneuern und zu verbessern. Dabei
helfen beispielsweise Wissensmanagement und effektive
Beteiligungssysteme (z. B. CMS).
- Künftige
Politikmodelle bieten mehr Flexibilität zum Erfüllen
der Bürgererwartungen. Dazu werden höhere Erwartungen
der Bürger unterstützt. Hierarchische Politik kann
dabei nicht mehr mithalten. Gegen eine Politik am Bürger
vorbei - für mehr Wettbewerb.
- Vorrangig
die Anliegen der Bürger sammeln und moderieren, als
auch deren Erfüllung managen (z. B. per flexibler
Outsourcing-Allianzen kostengünstig und den hohen
Erwartungen entsprechend zu erfüllen), ist darin die
zentrale Politikaufgabe.
- Wenn die
Umstände ein schnelles Einführen moderner Systeme
erzwingen, wird fehlende Infrastruktur und Erfahrung zum
größten Hindernis darin. Diese Defizite sind in
vielerlei Hinsicht teuer zu korrigieren. Dabei werden
viele gewählte Spitzenkandidaten untergehen.
- Der Schlüssel
zum Erfolg besteht in der Fähigkeit, rasch eine
E-Demokratie-Infrastruktur zu planen und ohne Rücksicht
auf Verluste zu implementieren. Die rücksichtslose
Durchführung ist die Norm. In der Regel lässt die
Realität keine Auswege mehr offen.
- Für das
Management des Politikwandels bedarf es einer starken Führung.
Einerseits sind beharrende Kräfte zu bewegen,
andererseits sind die Kräfte für Veränderung rasch
und korrekt auf eine Linie zu bringen.
Technologisch
sind elektronischer Handel und digitale Politik
realisierbar. Offene Fragen bestehen in deren
organisatorischen Integration. Die Integration von Systemen
für digital unterstützte Bürgerpartizipation in die
Politikprozesse ist zu realisieren.
Offene Fragen
dabei sind: Bedarf es dazu neuer Organisationen (die nur
mehr wenig Ähnlichkeiten mit den bisherigen Parteien
haben), oder besitzen die bestehenden Parteien
ausreichende Veränderungsfähigkeit zum Wandel für
E-Demokratie?
Als
Orientierung für die gewandelten Erfordernisse für
Politik in der offenen Informations- und
Wissensgesellschaft wird anschließend ein Konzept zu
Amateur Democrats gelistet. Für veränderte Politik in der
offenen informations- und Wissensgesellschaft werden 'Amateur
Democrats' (Filzmaier/Plasser, 2001, 200) als
verbreiteter Wählertyp erwartet. Ihnen kommt die treibende
Schlüsselposition im Wandel zu.
Folgende
Typologie sind mit Amateur Democrats zu verbinden:
- Selektionskriterien
sind wettbewerbsorientiert,
- vom Staat
werden nur mehr ordnende Rahmen akzeptiert,
- orientieren
sich an veränderten Werten wie persönliche Freiheit
und Toleranz; sind gegen Gruppennormen,
- bevorzugen
dynamische Veränderung und Selbstentfaltung; sind
skeptisch gegenüber Bürokratie, Hierarchien und
Konventionen, unzufrieden mit der repräsentativen
Demokratie,
- besitzen
umfassende Ausbildung; üben qualifizierte Berufstätigkeit
aus, in der privaten Wirtschaft oder als eigener
Unternehmer,
- sind als häufig
als Protestwähler einzuordnen; bevorzugen eher die Grünen,
sind offen für neue Initiativen und Ideen,
- besitzen
hohe Mobilität im Wahlverhalten, sind sichere, aber
kritische Wähler.
Diese
alternativen Wähler sind risikobereite Pioniere, die eine
selbstorganisierte, selbstregulierte und offene
Verantwortungsgesellschaft anstreben. Aktiv die Zukunft
(speziell die Politik darin) mitgestalten ist deren Ziel.
In dieser Arbeit werden Amateur Democrats als dominierender
Typus in künftiger Politik vorausgesetzt.
Der Lösungsvorschlag
für die heutigen politischen Probleme ist eine 'offene
Politik', das heißt (Klemmer/Becker-Soest/Wink,
1998, 29):
- "anstelle
einer Abschottung von Erfahrungen anderer Länder zu
lernen,
- anstelle
von lähmenden Umverteilungskämpfen für alle Bürger
eigene Handlungsspielräume durch neue Ideen und
Organisationsformen zu erweitern,
- anstelle
staatlicher Sicherungslücken zu neuen Elementen eines
gesellschaftlich breit gestreuten Sozialkapitals zu
gelangen,
- anstelle
einer undurchschaubaren Verbands- und Expertenmacht größere
Freiräume zur Durchsetzung eigener Werte zu schaffen
sowie
- anstelle
eines ängstlichen Verharrens vor notwendigen Veränderungen
die individuelle Souveränität bei der flexiblen
Anpassung an veränderte Rahmenbedingungen zu stärken."
Als "Antworten
der Parteien auf Veränderungen in den Wählermärkten
in Westeuropa" haben Peter Mair, Wolfgang C. Müller
und Fritz Plasser folgende Fakten aus der Studie "Parteien
auf komplexen Wählermärkten" (1999, pg. 11-29)
zusammengefasst:
- Die Stabilität
und Berechenbarkeit der Wählermärkte, die solange
typisch für die meisten westeuropäischen Systeme
waren, ist nicht mehr gegeben.
- Diese Veränderungen
basieren auf sozialstrukturellen und soziokulturellen
Entwicklungen, aber auch auf einer neuen Heterogenität
der Wählerschaft.
- Die
Unsicherheit für Parteistrategien wächst: Sind "catch-all-Strategien"
(alle sprechen die ähnliche Wählerschichten an) als "Ad-hoc-Issue-Allianzen"
besonders unter der Anleitung der Massenmedien
geeigneter?
- Eine
wachsende Ungewissheit. Alternativ stellt sich auch die
Frage: Ist es zielführender sich (wieder) mehr auf die
traditionellen Kerngruppen und ihre "klassischen"
Politikpositionen zu konzentrieren?
- Insgesamt
ist eine starke Konvergenz zwischen den Parteien
desselben Systems als auch über verschiedene Systeme
hinweg zu beobachten.
- Als Folge
dieser Konvergenz werden Parteien zunehmend zu
zentralisierten Wahlkampforganisationen, in denen
Parteiführungen über einen hohen Autonomiegrad verfügen.
Sie funktionieren vermehrt nach dem 'top-down-Modell'.
- Die Präsentation
der Parteien übernehmen immer mehr professionelle
Medienberater. Parteien nähern sich immer mehr einem
von Panebianco (1988) beschriebenen Modell der "electoral-professional
party" (zitiert in: Mair/Müller/Plasser, 1999,
400) an.
Politische
Parteien die dem Druck der Wählermärkte ausgesetzt sind,
können als Reaktion versuchen den Unsicherheiten aus den
Veränderungen der Wählermärkte durch indirekte Maßnahmen
aus dem Weg zu gehen, wie beispielsweise durch verändern
der Regeln für staatliche Parteienfinanzierung (siehe
zum Thema Kartellparteien auch: Katz/Mair, 1995) und
den Zugang von politischen Parteien zu öffentlich-rechtlichen
Medien. Alternativ können Parteien z. B. durch weitere
Demokratisierung ihrer politischen Systeme reagieren (siehe
Tony Blair in Großbritannien).
Die fünf
Thesen von Ernst Ulrich von Weizsäcker, für 'Zukunftsfähigkeit
und Wettbewerb' in einer globalisierten Demokratie
und Wirtschaft (Weizsäcker in: Renner/Hinterberger,
1998, 30f):
- Wettbewerb
ist eindeutig das überlegene gesellschaftliche
Ordnungsprinzip. Wettbewerbsfähigkeit ist darin die
universelle Ideologie auch für die Politik geworden.
- Wettbewerb
alleine führt zu einer Beschleunigung der Naturzerstörung
und zur Ellenbogengesellschaft.
- Eine rapide
Erhöhung der Ressourcenproduktivität ist Voraussetzung
für die Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft. Wichtigste
Ressource darin ist Wissen und die damit verbundene hohe
Kompetenz bei vielen Bürgern.
- Die
Globalisierung hebelt die Demokratie aus. Internationale
Arbeitsteilung und als Folge weitere Globalisierung fördern
offene Räume. Zu den offenen Räumen stellt sich die
Frage orientieren sich diese an neoliberalen (an den
Bedingungen des Marktes) oder sozialdemokratischen (an
Solidarität und Gerechtigkeit) Grundsätzen.
- Lösungsperspektiven
sind vorwärts, nicht rückwärts zu finden. Fakten wie
Bevölkerungswachstum, demografisch Veränderung,
zwingen zu Zukunftsorientierung, zur Basis Ethik und
Moral bei allen Entscheidungen und zur Einbeziehung
aller Kräfte bei der Lösungssuche.
Geschlossene
Politik wird (und deren Systeme werden) nicht mehr
akzeptiert, sie müssen kurzfristig offenen, an Wettbewerb
orientierten Systemen weichen. Jedoch auch auf Wettbewerb
begründete Politik ist unfähig die Welt auf Dauer zu
regieren. Für die neuen Bedingungen offener Räume sind
veränderte Formen kooperativer Koexistenz und Steuerung zu
entwickeln. Als einzige Macht kann auf Dauer die aktive
Beteiligung möglichst vieler Bürger an der Politik diese
dramatische Entwicklung hintanhalten. Dazu sind breite
Motivation und Befähigung bei Bürgern aufzubauen, als
auch die systemischen Voraussetzungen zu schaffen.
"Ethik
und Moral" bietet darin eine Orientierung für
nachhaltige Entwicklung, ansonsten könnten die erweiterten
technischen Möglichkeiten zur Destruktivmacht werden.
Besonders in der Politik besteht ständig die Versuchung
dazu. Als typisches Beispiel ist die Atomkriegsrüstung zu
nennen.
Die Mitwirkung
der technischen Intelligenz und der angewandten
Wissenschaften an strategischen Punkten unserer Publizitätsgesellschaft
(z. B. im Fernsehen, bei Diskussionen über Umwelt- und
Energieprobleme oder bei Bürgerinitiativen), zeigt deren
Einflussmöglichkeiten (Lenk, 1994, 13f).
"Was
jedoch die Möglichkeit der Technik im allgemeinen und
besonders der Mikroelektronik betrifft, so sollte man auch
deren Möglichkeiten für die Humanisierung nicht
vergessen. Die systemtechnokratischen Gefahren müssen
jedoch durch politische und gesellschaftliche Achtsamkeit,
durch demokratisches Engagement, durch Beteiligung der
Betroffenen und durch eine wirklich menschliche und
verantwortliche Kontrolle aufgewogen werden." (Lenk,
1994, 60).
Zehn Punkte
zur Verantwortung der Techniker (Lenk, 1994, 141fff):
- Macht und
Wissen verpflichten deren Besitzer - gilt auch für
technische Macht.
- Mit neuen
Abhängigkeiten entstehen neue moralische
Verantwortungen.
- Nicht nur
auf das Wohl des Nächsten und ein humanes Überleben
der Menschheit, auch auf das Erhalten und Hegen der
Natur ist diese Verantwortlichkeit zu richten.
- Die
erweiterte Verantwortlichkeit richtet sich auch auf die
Zukunft, auf die künftige Existenz der Menschheit.
- Typen
unterschiedlicher Verantwortlichkeit sind zu
unterscheiden (z. B. auf der moralischen, rechtlichen
und rollengebundenen Ebene, und die allgemeine
Handlungsverantwortung).
- Neue Formen
der institutionellen Verantwortung in Institutionen (z.
B. wie Verbänden, Staaten, Unternehmen) sind
aufzuzeigen und zu entwickeln.
- Die
Spezialisten-, Verursacher- und Vorsorgeverantwortung,
das gilt besonders auch für die Techniker und
anwendenden Wissenschaften, ist ständig zu
aktualisieren.
- Für
Weisheit im Umgehen mit technischer Macht: "Der
Mensch darf nicht alles herstellen und anwenden, was er
technisch kann".
- Ethisches
Nachdenken muss dynamisch und praxisnah den jeweiligen
geschichtlichen Situationen Rechnung tragen.
- Erweitertes
ethisches Verantwortungsbewusstsein erfordert spezielle
Bewusstmachung und die Entwicklung und Verbreitung von
Berufsethiken (z. B. als Wächterdisziplin).
"Wie
haben keine andere Wahl, als die erweiterte
Verantwortung zu übernehmen, einen vernünftig
geregelten technischen Fortschritt zu wagen. Die Würde
des Menschen besteht u. a. auch darin, für andere, für
abhängige Wesen, verantwortlich zu sein - und weise mit
seiner technischen Macht umzugehen."(Lenk, 1994,
144).
3.
Themen des aktuellen Wandels in Wirtschaft und Politik
- Die
treibende Kraft in Gesellschaft und Wirtschaft ist die
New Economy. Sie beeinflusst künftige auch
massiv die Politik in der offenen Informations- und
Wissensgesellschaft,
- Der
aktuelle Strukturwandel (z. B. die "Internetrevolution"
oder die Bedingungen der Internet-Ökonomie) verändert
den Politik-Markt und die Aufgaben der Akteure darin,
- Der damit
verbundene Wertewandel zu Eigeninitiative,
Flexibilität, Selbstverantwortung, -organisation und
-regulation, löst bisherige soziale Sicherheiten und
Traditionen ab,
- Die Vertrauenskrise
zwischen Parteien/Politikern und Bürgern ist mit
offenen Politikprozessen zu begegnen, mit weniger
Politiker und mehr Bürgerbeteiligung.
Die treibenden
Kräfte in Gesellschaft und Wirtschaft (und damit als Folge
auch für Politik) hat Roland Berger unter dem Titel "Deutschland
auf dem Weg in die New Economy" in mehreren
Punkten gelistet (Berger, Industriemanagement 17 (2001),
46-49):
- Neue
Technologien, wie ICTs, IBTs und zunehmend 'Mobile
Computing', treiben den Wandel voran (weitere
massive Veränderung ist demnächst auch von Internet-TV
zu erwarten).
- Im Wandel
zur Wissens- und Dienstleistungsökonomie: sie ist als
wissensgetrieben zu bezeichnen, in gleicher Weise auch
als innovationsgetrieben, als auch kunden- und
marktanteilsgetrieben.
- Wirtschaftliche
und politische Schwerpunkte verschieben sich, der Wandel
ist unternehmergetrieben, als auch kapitalmarktgetrieben.
- Darin werden
virtuelle Organisations- und Wertschöpfungsformen begünstigt.
- Aktuell sind
schon massive Veränderungen in der Arbeitswelt zu
erkennen.
- Der Wandel
ist global zu beobachten und zu bewerten.
Die "Internetrevolution"
(wie der aktuelle Strukturwandel oftmals genannt wird) ist
erst in der Frühphase. Bei rechtzeitigen Einstieg kann
Europa, trotz aller Vorsprünge der USA, auf gleichem
Niveau mithalten. Dafür ist jedoch einschneidende Veränderung
erforderlich. Dazu die zehn Thesen des European
Communication Council Report zur Internet-Ökonomie (Zerdick,
2001, 16fff):
- "Die
Digitalisierung der Wertschöpfung erfasst alle
Bereiche der Wirtschaft,
- Kritische
Masse wird zum Schlüsselfaktor der vernetzten
Wirtschaft,
- Traditionelle
Wertschöpfungsketten erodieren,
- Der
Kampf um die Aufmerksamkeit wird zur entscheidenden
Wettbewerbsarena,
- Neue
komplexe Wertschöpfungsnetze erfordern Wettbewerb und
Kooperation,
- Massenmärkte
lassen sich durch Gleichzeitigkeit von Kostensenkungs-
und Differenzierungsstrategie individualisieren,
- Electronic
Commerce wird zum Normalfall,
- Digitalisierung
erleichtert Produkt- und Preisdifferenzierung,
- Bisherige
Regulierungsmodelle werden obsolet,
- Normalisierung
bei der Börsenkapitalisierung führt zur Auslese bei
den Internet-Firmen."
Wenn auch
etwas zeitverzögert, aber unaufhaltbar realisieren sich
die Bedingungen der Internet-Ökonomie auch für den
Politik-Markt und deren Akteure - in Europa jedoch noch
etwas zeitverzögert.
Der aktuelle Wertewandel
zu Eigeninitiative, Flexibilität, Selbstverantwortung,
Selbstorganisation und -regulation, löst bisherige soziale
Sicherheiten und Traditionen ab. Dieser Prozess ist auch
als Werteverfall oder Mentalitätsveränderung zu
bezeichnen (In Anlehnung an Klages in: Weidenfeld, 1996,
233fff):
- Individualisierung
- nicht mehr ein homogenes Volk sondern individuelle
Persönlichkeiten prägen Gesellschaft und Politik.
- Wachsender
Hedonismus - Menschen wenden sich zunehmend Dingen
zu, die sie 'persönlich angehen' und selbst
entscheiden können. Sie wollen 'Subjekt ihres
Handelns' sein.
- Der
Bereich der Betroffenheit wird weiter - der Kreis
dessen, was einem 'persönlich angeht' wird heute
viel weiter gesteckt als früher.
- Im Trend
zur Erlebnisgesellschaft - gesucht wird darin, das
Lockere, das Informelle, das 'Interessante', das
'Spaß' macht.
- Gegen
Formalismus - formale Autorität und
formal-autoritative Ansprüche wie die eigene
Folgsamkeit, Fügsamkeit und Hinnahmebereitschaft werden
abgewehrt. Genauso auch 'formalistisch' gestaltete
Führungs- und Vorgesetztenrollen.
- Gegen
Autoritäten und Dogmen - Hierarchien und
Respektspersonen und Prinzipien werden nicht mehr
akzeptiert. Dies betrifft neben dem Staat, besonders
auch Religionen/Kirchen.
- Gegen
Pflicht- und Akzeptanzwerte - Neigungen und
Pflichten werden nur mehr akzeptiert, wenn sie einen
persönlich motivieren oder unvermeidlich sind.
Moralistisch begründete Handlungsverpflichtungen werden
abgelehnt.
Der
gesamtgesellschaftliche Vorgang des Wertewandels ist wenig
zu beeinflussen, daher ist (auch für Politik) zu
empfehlen, den Veränderungen permanent zu entsprechen.
Mehr noch, wer diesen Trend fördert, beispielsweise mit
dem Verändern bestehender Hindernisse (z. B. durch das
Entfernen von Hierarchien), sichert sich Vorteile gegenüber
passiven Akteuren, deren Unterstützer stetig weniger
werden. Nicht der Wertewandel ist das Problem, Werteänderungen
auf individueller Basis sind Teil menschlicher Entwicklung.
Der gewaltige und tiefgreifende, alle Lebensgebiete umwälzende
Wertewandel betrifft einen überwiegenden Teil aller Werte.
Dieser Wandel wurde von niemanden geplant und in der Art
bewusst eingeleitet, es ist ein spontaner Prozess des
individuellen Wollens, Fühlens, Bewertens und
Wertempfindens (Klages in: Schlotter, 1997, 171-198).
Wichtige Aspekte der Vertrauenskrise im Verhältnis
von Parteien und Politikern einerseits und dem Bürger auf
der anderen Seite sind (Gebert/Boerner, 1995, 143fff):
- Sinkende
Mitgliederzahlen bei Parteien,
- rückläufige
Werte bei der Wahlbeteiligung,
- wachsende
Gleichgültigkeit gegenüber politischen Fragen,
- die weiter
sich verstärkende Tendenz zur politischen
Entfremdung,
- zunehmende
Feudalisierung innerhalb der Parteien (z. B. mit Treue
und Loyalität nach oben),
- Politik-
und Parteienverdrossenheit wirkt unter spezifischen
Bedingungen (z. B. Krisensituationen) negativ auf die
Akzeptanz des demokratischen Systems,
- steigende
Protestwählerzahlen.
In lange
dauernden Phasen ohne Krisen delegiert das Volk stetig mehr
Bürgeraufgaben und -pflichten an die Politik und deren
Repräsentanten. Diese handeln vorwiegend selbstsüchtig
und nach rationaler Nützlichkeit und Konkurrenz (siehe
auch: Die Entwicklung zu Kartellparteien). Umgekehrt
liefert die "Mediokratie" (Meyer) ständig
teilnahmsloser werdenden Bürgern immer perfekteres "Politainment".
4.
Thesen zu den Veränderungen für Politik
Wählerschwund,
Politik(er) Verdrossenheit und vermehrte Wechselwählerschaft,
wie auch das von Anton Pelinka als "Parteienkrise"
bezeichnete 'Ende des österreichischen Urvertrauens in
die Politik', zwingen zum Politik- und Parteienwandel.
Diese Thesen
bilden die Basis auf der offene Politik zu entwickeln und
ein schlanker und effizienter Staat aufzubauen ist. Als
Ergebnis ist eine breitere Bürgerbeteiligung in der
Politik anzustreben (als Rückkehr zum Konkurrenzprinzip):
- Im Trend
zu mehr Bürgerbeteiligung wandeln sich die Aufgaben der
Politik zur Moderation individueller Bürgermeinungen für
die politische Entscheidungsfindung:
Politikmoderatoren (Personen oder elektronische
Informationssysteme) entwickeln aus vielen Bürgerinteressen,
in mehreren Interaktionen mit Bürgern, konsensfähige
Gesetzesvorlagen und Bestimmungen. Empfehlenswert ist es
jeweils mehrere professionelle Politikmoderatoren
parallel bei der Konsenssuche zu einem Thema wirken zu
lassen. Einige verbleibende repräsentative
Politikaufgaben übernehmen die Medien.
- Mehr Bürgerbeteiligung
setzt viele wissende, kompetente und
selbstverantwortlich handelnde Bürger voraus:
Benutzerfreundliche Informations- und
Kommunikationsangebote, die ständig aktuell
Informationsbedürfnisse der Menschen erfüllen, sind
Voraussetzung für ein breiteres Engagement möglichst
vieler Individuen in direktdemokratischen Systemen.
Spezielle Trainingsangebote und vermehrte Diskussionen
zu politischen Themen können den Aufbau höherer
Medienkompetenz bei Bürgern fördern. Insgesamt bedarf
es zusätzlicher Bildungs- und Informationsschwerpunkte,
für mehr Selbstverantwortung und ethischen Denkens in
Politik und Gesellschaft. Dafür sind die Rollen in der
aktiven Politik neu zu verteilen.
- Für die
starken Verquickungen von Parteipolitikern mit
Verwaltung, Justiz, Medien, Wissenschaft, Schule und
Verbänden bleibt künftig kein Raum mehr:
Damit schwindet ein Stein des Anstoßes, der zum
wachsenden Misstrauen zwischen Politik/Verwaltung und Bürger
beitrug. Gleichzeitig gewinnt der Wettbewerb auch in den
weitgehend noch vor Wettbewerb geschützten Bereichen an
bestimmenden Einfluss. "Der Wettbewerb erhöht
die Effizienz, die Arbeitsteilung, das Wachstum und
damit die zur Verteilung verfügbare Menge
Wohlstand" (Weizsäcker, 1998, 30).
- Die
Parteien - und damit die Politik - sind heute noch als
geschlossene Systeme zu bezeichnen. Diese starren
Strukturen und Hierarchien erodieren kurzfristig:
Der Kreis der Politikanbieter erweitert sich. Neben zusätzlichen
Politikanbietern aus dem Kreis traditioneller Parteien
übernehmen Medien aktivere Pollen in der
Politikgestaltung. Als weiterer Faktor erhalten 'Amateur
Democrats' mehr Möglichkeiten ihre Angebote (z.
B. mittels Interessensnetzwerke) zu kommunizieren und zu
diskutieren. Entscheidend im Politikwettbewerb ist es,
besser wahrgenommen zu werden und überzeugen zu können.
- Die noch
in der Politik vorherrschenden 'Apparatschiks'
werden ersetzt. An ihre Stelle treten politische
Quereinsteiger, die sich über ihr Charisma,
Medienkompetenz und Leistung definieren:
Der sich weiter beschleunigende Wandel in Gesellschaft,
Wirtschaft und Politik entmachtet sämtliche Hierarchien
und stellt Vorrechte und Machtpositionen zur
Disposition. Erfolg und Einfluss sind nur mehr über
besseres Marketing zu erlangen. Politische Karrieren
verlieren an Stellenwert. Insgesamt reduziert sich die
Zahl derer die ihr Einkommen durch die Politik und durch
Politikmachen verdienen. Im Gegensatz dazu wächst die
Zahl der System-Berater, -Entwickler und -Administratoren.
Demnächst werden viele Verwalter des Staates und seiner
Politik (z. B. Beamte) überflüssig.
- Parteiarbeit
wird gleichfalls zur Moderation des politischen
Meinungsbildungsprozesses, zur Sammlung und Aufbereitung
der Bürgermeinungen. Vorrangige Aufgabe von
Politikmoderatoren ist das 'Suchen und Finden konsensfähiger
Politik-Entscheidungen':
Dazu bedarf es möglichst vieler Menschen die über hohe
Medienkompetenz verfügen. Den Bürgern müssen sämtliche
Informationen geboten werden, um sie entscheidungsfähig
zu machen. Politikinformationen gilt es jeweils für das
Niveau möglichst vieler Bürger aufzubereiten. Nach Art
einer 'Content Factory' (siehe www.digitaltv.at)
sind Informationssysteme als offene Verzeichnisse
aufzubauen. Darin kommunizieren Betroffene (z. B. die Bürger)
ihre Anliegen mit Gleichgesinnten, politischen Repräsentanten
und Politikmoderatoren.
- Die
wachsenden Reichweiten interaktiver Medien erzwingen ein
Öffnen der Parteien. Bürgerbeteiligungssysteme
dominieren danach die Politik. Darin arbeiten Laien,
Experten und Politiker gleichrangig zusammen:
Mit Zunahme der Bürgerbeteiligung an der
Politikproduktion werden traditionelle Politiker in großer
Zahl entbehrlich. Politik gewinnt an Wert für den
Einzelnen - bei sinkenden Politikkosten. In Staaten mit
direkter Demokratie sind Staatsausgaben und Steuern im
Verhältnis zum Sozialprodukt geringer als in Staaten
mit repräsentativer Demokratie. Diese Gesellschaften
gewinnen Vorteile im globalen Innovations- und
Systemwettbewerb.
- Lean
Politics/offene Politik und ein schlanker und
effizienter Staat bedürfen nur mehr eines schlanken
professionell agierenden Eliteapparates (z. B. als Präsentatoren).
Der globale Innovations- und Systemwettbewerb lässt
keine andere Wahl:
Eine immer schwächer werdende traditionelle Politik
verliert an Akzeptanz und Einfluss, sie wird zum
Spielball der Medien- und Wirtschaftsinteressen. Bei
ungebremster Weiterentwicklung dieses Trends werden die
Bürger zu den eindeutigen Verlierern. Bürgerpolitik würde
darin zunehmend zur "Politik über Bürger"
(z. B. durch Wirtschaft und Medien). Als Alternative
wird hier Bürgerbeteiligung in der Politikgestaltung
unterstützt.
- Mit dem
Abbau von Reglementierungen und Hierarchien werden
zunehmend Politik Marketing und Medienkompetenz zu den
politikentscheidenden Faktoren:
Bisher gültige Aufstiegs- und Karrierewege in der
Parteipolitik verschwinden, sämtliche Privilegien
entfallen. Als einzig bestimmend, nicht nur in der
Wirtschaft, wird (Politik) Marketing zum entscheidenden
Faktor - auch im internationalen Innovations- und
Systemwettbewerb. Nur mehr effiziente und schlanke
Systeme (vor allem: leistungsfähige Politik-Systeme)
werden akzeptiert. Hohe Beteiligungs- und
Medienkompetenz bei möglichst vielen Individuen wird
zum vorrangigen Wettbewerbsfaktor für Gemeinschaften
und Interessensgruppen innerhalb der Weltgesellschaft.
- Das
Schwinden von Hierarchien und Autorität erfordert neue
Orientierungen für Bürger und Staat. Mit zunehmender
Verletzlichkeit moderner Systeme wächst die Nachfrage für
mehr Verantwortung beim Einzelnen. "Nicht die Lösung
der technischen, sondern der ethischen Probleme wird
unsere Zukunft bestimmen" schreibt Hans Sachsse in
Lenk (1993). Techniker an den entscheidenden
Schaltstellen müssen früher (möglichst schon in den
Planungsphasen) die Folgen ihrer Entscheidungen
bedenken.
Der 'kantsche Imperativ' erlangt darin als
allgemeines Gebot Gültigkeit (handle ständig so, als
ob dein Tun zum Gesetz würde), dem sich die Menschen
ohne Rücksicht auf Neigung und Glück zu unterwerfen
haben. Parallel mit den wachsenden Möglichkeiten und
Freiheiten für den Einzelnen gewinnen Folgen- oder
Verantwortungsethik an Bedeutung. Weitere
Individualisierung in der Gesellschaft ist nur mittels "maßvoller
Lebensführung" (Demokrit) zu verwirklichen. Spätestens
seit Hiroshima und Tschernobyl ist allgemein anerkannt,
dass technisches Handeln nicht alles verwirklichen soll,
was es kann. Gleiches gilt für die Politik: Sie darf
nicht alle verfügbaren Mittel für ihre politischen und
auch persönlichen Ziele einsetzen (z. B. Populismus, 'negativ
campaigning'). Ansonsten verliert der gesamte
(besonders jedoch der traditionelle) Politikbereich an
Akzeptanz.
Dazu müssen
sich vor allem Großparteien, über zusätzliche
Leistungsangebote, breitere Partizipationschancen und höhere
Servicedichte, neu positionieren. Mit der Globalisierung
wandelt sich klassische Politik für die nationale Ebene zu
"offener Politik", die sich zunehmend
transnationalen Themen zuwenden muss, für eine
Weltgesellschaft. Die Prinzipien 'unserer'
Demokratie müssen sich unter den Bedingungen
wirtschaftlicher Globalisierung und gesellschaftlicher
Individualisierung weiterentwickeln. "... Großparteien
sind mittlerweile Relikte aus einer anderen Zeit, die mit
homogenen Weltanschauungen, Gruppenloyalität,
ganzheitlichen Lebensperspektiven und der Suche nach
Beheimatung verbunden werden" (Voglmayr in: Forum
Politische Bildung, Nr.: 16, 1999, 40).
zum
Anfang
5.
Lernende Parteien
Ausgehend von
der Beschreibung des "Lernenden
Unternehmens" von Mike Pedler, John Burgoyne
und Tom Boydell (1994, 11) ist diese Darstellung zu
erweitern:
'Eine
>>lernende Partei<< ist eine Organisation, die
den Lernprozess aller ihrer Mitglieder fördert und sich
gleichzeitig selbst fortwährend wandelt.' Organisationen,
die in der Lage sind, sich im Wechselspiel mit den Bedürfnissen,
Wünschen und Sehnsüchten der Menschen, die mit ihnen zu
tun haben, anzupassen, zu verändern, zu entwickeln und zu
wandeln, werden ihre Erfolge immer ohne räuberische
Aneignung erzielen. Lernende Parteien müssen sich von
innen heraus verwirklichen, z. B. mittels durchgreifender
Veränderung bestehender Formen und dessen Charakters (Pedler/Burgoyne/Boydell,
1994, 11fff).
Der
Lebenszyklus von Organisationen (z. B. in 'Lernenden
Parteien' oder Lernenden Unternehmen):
- Am Anfang
von Institutionen, Unternehmen oder Parteien steht
jeweils die Gründung einer 'Pionierorganisation', mit
einer oder wenigen Personen, die ein Produkt oder
Dienstleistung anbieten. Jegliche Energie, der ganze
Antrieb, geht dabei vom Pionier aus, er gibt die
Richtung vor und steht im ständigen Kontakt mit
Mitwirkenden und Bürgern/Kunden. Interne Systeme und
Verfahren für Entwicklung, Kommunikation, Verkauf und
Verwaltung sind auf ein Minimum beschränkt und meist
sehr informell organisiert. Die Struktur dieser
Organisationen ist entweder extrem flach, oder netzartig,
gehalten. Darin befindet sich der Pionier jeweils in der
Mitte des Netzes, so dass er alles was passiert, sofort
mitbekommt. In der Pionierphase bestimmt das Potential
des Pioniers Bestand und Entwicklung der Organisation.
- Mit weiterer
Entwicklung bricht die zwanglose, tatkräftige
Arbeitsweise zusammen. Nun werden Arbeitsvorgänge und
-abläufe analysiert, schriftlich fixiert, systematisch
verbessert und Neueinsteiger entsprechend geschult.
Daraus entsteht mehr Ordnung, Rationalität, Formalität,
Spezialisierung und Professionalität, die zupackenden
Dilettantismus und Chaos ersetzt. Mit der Umstellung zu
formaler und hierarchischer Struktur sinkt das Interesse
am Ganzen. Es entstehen interne Spannungen, Konkurrenz
und Konflikte; Kommunikation wird schwieriger oder unmöglich;
die Identifikation der Mitglieder zu ihrer Organisation
sinkt oder sie werden abhängig von der Organisation.
Die Aufmerksamkeit für Bürger/Kunden und deren
Interessen sinkt, sie wird vom selbstgespannten Netz
erdrückt und zur Bürokratie mit sinkenden Bezug nach
außen. Die Organisation steckt in einer existentiellen
Krise.
- Nun werden
starre Regeln gelockert, Formalitäten entfernt,
gewohnte Hierarchien aufgebrochen und interne als auch
externe Kommunikation verbessert, insgesamt wird die
Aufmerksamkeit wieder nach außen gelenkt. Ursprüngliche
vertikale Autoritätsbeziehungen werden von horizontalen
temporären Projektgruppen ergänzt und ersetzt. Weitere
Merkmale in dieser Phase sind Gruppentraining und der
Aufbau von Matrixmanagement (jede Abteilung ist mit
mehreren Bezugsbereichen verbunden), bisher von
Spezialisten ausgeübte Funktionen werden ausgelagert.
In dieser Konsolidierungsphase gelingt es oftmals die
Krise für einige Zeit zu mildern, aber nicht zu lösen.
- Als nächste
Entwicklungsstufe bedarf es neuer Ideen und Visionen als
Ziele. Doch nach einiger Zeit werden diese Ideen allmählich
entstellt und verzerrt: Der dynamische Anreiz der
Exzellenz und des Gewinnens gleitet ins Chaos ab,
Ordnung und Struktur werden zu Starre und Abgrenzung. Ähnlich
dem physikalischen Konzept der Entropie, sind auch Ideen
ständig von Zerfall und Verzerrung bedroht. Damit
werden jeweils nach immer kürzerer Zeit neue Ideen
erforderlich. Daraus wird ersichtlich, in als lernende
Organisationen zu bezeichnenden Systemen gibt es keine
endgültigen Lösungen. Als niemals endender Prozess
werden schon nach kurzer Zeit weitere Lösungen für
neue Probleme erforderlich. Dazu bedarf es permanenten
Lernens und großer Flexibilität, es bedarf einer
Lernenden Organisation (auch: einer lernenden Partei).
Eigener Stillstand verschafft innerhalb kurzer Zeit
lernenden Mitbewerbern alle Vorteile.
Als Beispiel für
eine permanent lernende Organisation wurde das bei SEMCO
realisierte Modell einer weitgehenden Demokratie am
Arbeitsplatz für einen schlanken und effektiven Staat
adaptiert. Hier das 'Organigramm' des schlanken und
effektiven Staates, nach SEMCO:

Figure
03: Das Organigramm des schlanken und effizienten Staates
Nicht mehr
archaische Mentalitäten und strikte Hierarchien bestimmen
die künftige Politik, sondern Politik wird zum direkten
Dienstleister für Bürgeranliegen. Bürger in
selbstorganisierten Gemeinschaften machen Politiker 'alten'
Stils (des hierarchischen Systems) überflüssig. Nur noch
Bürger, Fachreferenten und Medienrepräsentanten, prägen
Gemeinschaften. Darin arbeiten Bürger als
selbstverantwortliche und selbstorganisierte Teams, unterstützt
durch Politikkoordinatoren und Politikmoderatoren, direkt
zusammen. Die Fachreferenten werden regelmäßig in
Abstimmungen mit den Bürgern (den "Politik-Kunden")
bewertet. Alle Politikkosten (z. B. Steuern und Entlohnung
der Politiker) werden offengelegt. Ausgehend vom Untertitel
zu Semlers Buch "SEMCO Management System"
(1993): "Management ohne Manager", sind auf
diese Weise eine 'Politik ohne Politiker' und
auch Konzepte zu einer 'Universität nur mehr wenigen
Professoren' zu realisieren.
Als Folge des
Übergangs vom ausklingenden industriellen Zeitalter zur
postindustriellen Dienstleistungsära werden sich einige
Parteien verändern, einige reagieren auf Veränderungen
und einige wundern sich was passiert ist (auch: Pedler/Burgoyne/Boydell,
1994, 66).
zum
Anfang
6.
E-Demokratie realisieren
Die wachsende
Abhängigkeit traditioneller Politik vom Markt zwingt zum
Politikwandel. Die allen verfügbaren Informations- und
Kommunikationstechnologien (Information- and Communication
Technologies - ICTs) und internetbasierte
Technologien (Internet Based Technologies - IBTs),
deren Interaktivität, die Mediengesellschaft, ermöglichen
erneuerte Formen und Strukturen für elektronische
Demokratie. Darin ist mittels erweiterter technisch
unterstützter Partizipationsangebote für Bürger, auf
Basis offener Politik direkte Bürgerbeteiligung in der
Politik zu realisieren.
Neben den Medien
als sogenannte vierte Gewalt in modernen Demokratien
sind die Wirtschaft - und besonders die Finanzmärkte
- als die fünfte Gewalt im Staat zu
bezeichnen. Etwas provokant formuliert Rolf-E. Breuer seine
Frage: "Ist die Politik im Schlepptau der Finanzmärkte?"
unter "Die fünfte Gewalt" in "DIE
ZEIT Nr. 18 27. April 2000 pg. 21f". Die Finanzmärkte
als wichtige Sensoren für die Qualität der
Wirtschaftspolitik reagieren besonders sensibel auf
Fehlentwicklungen durch die Politik (z. B.
Haushaltsdefizite, Inflation). Besonders die Kosten und der
Nutzen staatlicher Leistungen sind Auslöser von
Wanderungen mobiler Faktoren (z. B. Kapital und vermehrt
auch für Humankapital). Darum ist der Staat immer mehr
gezwungen seine Politik an den wirtschaftlichen Vorgaben
auszurichten (die Freiräume des Staates, damit auch für
die Politik werden geringer). Im Gegensatz zu
Wahlentscheidungen alle vier bis fünf Jahre, treffen auf
den Finanzmärkten Hunderttausende ihre autonomen
Entscheidungen. Die Staaten müssen sich nach den Anlegerwünschen
richten, oder anders formuliert: Offene Finanzmärkte
erinnern Politiker etwas häufiger an die Zielsetzungen (z.
B. Rechtssicherheit und Stabilität), als dies die Wähler
vermögen. Damit erhalten diese Zielsetzungen mehr Gewicht
gegenüber den vorrangigen Bürgerinteressen Wohlstand und
Wachstum. Der wachsenden Medien- und Finanzgewalt ist
mittels verbesserter Angebote zu mehr Bürgerbeteiligung für
eine aktive Bürgerschaft und einer effektiveren Demokratie
zu begegnen. Im Gegensatz zur Politik unterliegen die
Finanzmärkte keiner demokratischen Legitimation.
Die Staatsquote
als Anteil der Staatsausgaben am Sozialprodukt/am BIP (in
Prozent) ist ein Indikator für die relative Staatsgröße
(die Kosten der Politik) eines Landes (Linder, 1999,
149):
Land
|
1960
|
1970
|
1980
|
1990
|
1994
|
USA |
27,2 |
32,3 |
31,8 |
32,8 |
33,0 |
Japan |
17,5 |
19,4 |
32,0 |
31,3 |
34,4 |
Schweiz |
17,2 |
21,3 |
29,3 |
30,9 |
36,9 |
Irland |
28,0 |
39,6 |
47,4 |
38,9 |
40,5 |
Großbritannien |
32,2 |
39,3 |
43,0 |
39,9 |
43,1 |
Deutschland |
32,4 |
38,7 |
47,9 |
45,1 |
48,9 |
Norwegen |
29,9 |
41,0 |
47,5 |
49,7 |
49,8 |
Österreich |
35,7 |
39,2 |
48,1 |
48,6 |
51,8 |
Niederlande |
33,7 |
46,0 |
55,2 |
54,1 |
53,0 |
Frankreich |
34,6 |
38,9 |
46,1 |
49,8 |
54,0 |
Italien |
30,1 |
34,2 |
41,9 |
53,4 |
54,8 |
Belgien |
34,6 |
36,5 |
58,6 |
54,3 |
55,7 |
Finnland |
26,6 |
31,3 |
38,1 |
45,3 |
59,3 |
Dänemark |
24,8 |
40,2 |
56,2 |
58,6 |
64,0 |
Schweden |
31,0 |
43,7 |
60,1 |
59,1 |
68,3 |
Tabelle
01: Staatsquoten von 15 OECD-Länder im Vergleich
Daraus ist
auch ersichtlich: "Bescheidener Staat, geringe
Zentralisierung" (Linder, 1999, 149). Wenn auch
diese Zahlen in obiger Tabelle eine gewisse Unschärfe
enthalten, so weisen sie doch für USA und Japan (neben
der Schweiz) eine relativ bescheidene Staatsquote aus.
In nächster
Zeit wird sich der wirtschaftliche Wettbewerb zwischen der
Triade (USA, Japan und EU) weiter verschärfen. Danach
haben sich alle Wettbewerber an den niedrigen
Vorgabewerten (des BIP) der USA und von Japan zu
orientieren, dazu sind deutliche Ausgabenbeschränkungen
in vielen westlichen Staaten erforderlich. Die heute noch
sehr hohe Staatsquote in mehreren europäischen Ländern
ist aus Wettbewerbsgründen nur noch wenige Jahre haltbar.
Dazu müssen einige Länder ihre Staatsausgaben halbieren,
eine schmerzliche Aufgabe (für traditionelle Politik eine
schier unlösbare Aufgabe). Die heute in einigen Ländern
sehr hohen BIP-Werte weiterhin auf dem Niveau zu belassen
ist künftig direkt mit Wohlstandsverlusten für das
jeweilige Land verbunden - durch sinkende Wettbewerbsfähigkeit.
Letztendlich werden die erforderlichen radikalen
Einschnitte unter Krisenbedingungen realisiert (z. B.
in Neuseeland ab 1984).
Die
Transformation verschiedener Institutionen und Hierarchien
durch elektronische Demokratie (Ideengeber: Baumann/Kistner,
1999, 219f):

Figure
04: Möglichkeiten effizienter Modernisierung von Politik
& Staat
Ähnlich
wie mittels Electronic Business viele Zwischenhändler überflüssig
werden, sind mittels elektronisch unterstützter Politik
Kosten einzusparen (z. B. Bundesrat &
Landesregierungen), mit gleichzeitiger Qualitätsverbesserung
bei den Politikergebnissen, aus Sicht der Bürger.

Figure
05: Einsparen an Politikern & bei Parteien
Wie
Erfahrungswerte zeigen, sind Verwaltungsangestellte zu 80
Prozent mit Aktenbewegungen ausgelastet, nur 20 Prozent
verbleiben für Bürgergespräche. Unter Nutzung von E-Government
ist eine Umkehrung dieses Verhältnisses zu
erreichen. Gleiche Einsparungen sind auf Seite der Bürger
zu erzielen: Amtstermine bestehen üblicherweise aus 80
Prozent Zeitaufwand für Warten auf Einlass, hier bietet
E-Government radikale Ersparnis. Sobald die Politiker das
Potential effizienter Verwaltungen für den Wahlwettbewerb
entdecken, wird die bessere und bürgerfreundliche
Verwaltung auch zum Thema breiter Diskussion.
Weitere Globalisierung
und Lokalisierung ist mit stark schrumpfenden
Gestaltungsspielräumen für nationale Politik verbunden.
Daraus sind zwei Schwerpunkte künftiger Politik zu
erkennen:
- Zunehmend
werden Politik-Entscheidungen lokal von Bürgern direkt
- mit professioneller Unterstützung von Politik- und Bürgerberatern
- entwickelt. In der entstehenden Weltgesellschaft
gestalten hochinformierte Bürger als Gleichmächtige
(ihre Politik).
- Mit
wachsender internationaler Verflechtung wandern vermehrt
nationale Politikaufgaben zu überregionalen Verbünden
und Institutionen. Der dort herrschende Wettbewerb
verlangt von den Akteuren hohe Medien- und
Sachkompetenz, als auch wirkungsvolle Vernetzung.
In gleicher
Weise wie sich die Voraussetzungen für die aus dem 19.
Jahrhundert stammende repräsentative Politik in der
Informations- und Wissensgesellschaft verändern, gilt dies
auch für das gesamte Bildungssystem. Diese zwei Schlüsselbereiche
bestimmen die "knowledge-based Economy"
des 21. Jahrhunderts. Sie sind für die sich verändernden
Herausforderungen zu erneuern. Das bisher am "rational
uninformierten Wähler" orientierte Bild
traditioneller Politik ist zu offener Politik des "mündigen
und aufgeklärten Bürgers" (Nienhaus in: Klemmer/Becker-Soest/Wink,
1998, 235) zu wandeln. Der Weg zu einer
Weltgesellschaft als "Demokratisierung Europas kann
nur als Selbstdemokratisierung der Union
voranschreiten" (Wimmer, 2000, 107), mittels 'Amateur
Democrats' in einer Beteiligungsdemokratie, unter
aktiver Moderation kompetenter 'Bürgerberater'.
Die daraus
abzuleitenden veränderten Bedingungen für Politik
bedingen deutliche Veränderungen in der "Politischen
Wissenschaft", mehr noch: sie hat durch
vorauseilende Forschung den Wandel wissenschaftlich zu
begleiten. Das breite Spektrum der Themen erfordert
Fachkompetenz aus: 'Informationswissenschaften,
Soziologie, Philosophie und Politikwissenschaft'.
Die sich aus dem vielfältigen Themenspektrum ergebende
neue Disziplin wird in dieser Arbeit als "E-Demokratie"
bezeichnet. Darin gilt es per interdisziplinärer
Zusammenarbeit permanent wissenschaftliche Ergebnisse für
die Politikpraxis aufzubereiten und (vorerst) prototypisch
zu realisieren.
Für das
generelle Ziel einer weitgehenden Erneuerung von Politik
und begleitender Institutionen, werden (prototypisch) am
Internet mehrere Fachportale eröffnet (auf österreichischer
Ebene - eine ähnliche Zusammenstellung wird für europäische
Politik vorbereitet):
- in 'www.politikwissenschaft.at'
werden die Erfahrungen aktueller Forschungen
aufbereitet;
- das Portal 'www.volksbegehren.at'
dient der Verfügbarmachung von Bürgerwissen für
Politik;
- in 'www.internetpartei.at'
wird offene Politik für die Praxis in einer
Beteiligungsdemokratie realisiert;
- speziell für
betroffene Bürger (und deren Anliegen) wird 'www.volksanwalt.at'
erstellt;
- für eine
nachhaltige Entwicklung und für Vorteile im globalen
System- und Innovationswettbewerb ist 'www.ideenagentur.at'
konzipiert;
- in 'www.e-demokratie.at'
als zentrales Portal fließen alle disziplinübergreifenden
Einzelinformationen und Forschungsergebnisse zusammen;
- Portale wie 'www.manipulation.at'
und 'www.korruption.at' ermöglichen
ein Weiterentwickeln der Themen 'negative
campaigning' und 'permanent campaigning', als
auch 'web campaigning'.
Damit ist auch
zu erklären, warum die Initiative zu "E-Demokratie"
von der Informationswissenschaft kommt: Aufbauend auf den
Grundlagen zu Beginn der Arbeit, unter Nutzung der
Ergebnisse aus Studien zu praktischen Beispielen in den
nachfolgenden Seiten, wird abschließend der Einsatz eines
Content-Management-Systems - CMS (vorerst nur
prototypisch) für offene Politik zur Unterstützung von Bürgerbeteiligung
implementiert. Für weiterführende Vorhaben ist die
Erweiterung dieses Systems für mehr Bürgerbeteiligung auf
europäischer Ebene vorgesehen (z. B. unter www.internetpartei.com
& www.politikwissenschaft.com). Zur Entwicklung und
Realisierung wird ein Network of excellence (EN), für
die Zusammenarbeit von Kapazitäten aus
Informationswissenschaften, Soziologie, Philosophie und
Politikwissenschaft, im 6. EU-Forschungsrahmenprogramm
vorbereitet.
Praktische
Beispiele die in der Literatur beschrieben werden,
lieferten die Basis für Systeme zu mehr Bürgerbeteiligung:
- Das auf
weitgehender Mitarbeiter-Partizipation basierende 'SEMCO
Management System' dient als Ausgangsbasis für
eine weitgehend von den Bürgern bestimmte Politik. Mehr
Details wurden schon am Ende des vorausgehenden Kapitels
aufgezeigt.
- Die 'Prinzipien
aus Open-Source' motivieren im Software-Bereich
viele Entwickler und Benutzer zur Beteiligung an der
Entwicklung 'Freier Software', diese Prinzipien
sind für offene Politik zu adaptieren. Mittels offener
Politik ist eine weitgehende Selbstregierung gleich Mächtiger
unter Gleichen vorzubereiten. Ähnlich der
Softwarekrise, wie sie in den 80er Jahren erkannt wurde,
wird heute auch in der Politik vermehrt von der sich
verschärfenden Demokratie-, Parteien- und Politikkrise
beschrieben, die es zu beheben gilt. Auf der Basis
freien Informationsaustausches und kollaborativer
Mitgestaltung ist Politik zu erweitern.
- Am Beispiel
der 'Beteiligungsdemokratie Porto Alegre' orientieren
sich die in der Arbeit entwickelten Vorschläge für
offene Politik. Kern des Erfolgs in Porto Alegre ist das
Mitbestimmungsbudget 'Orçamento Participativo' (OP).
Darin bestimmen konkret und demokratisch die Bürger über
die Verwendung der Gemeindegelder (z. B. in regionalen
Versammlungen). Sie entscheiden, welche Bereiche der
Infrastruktur geschaffen oder verbessert werden. Die
Einwohner können aus nächster Nähe den Fortgang der
Arbeiten und die Finanzierung beobachten. Das politische
Experiment des Bürgerbeteiligungsmodells Porto Alegre
findet unter Bedingungen demokratischer Freiheit statt.
Das in Porto Alegre praktizierte Beteiligungsmodell
hilft mit die Normen und Verfahrenweisen der
Globalisierung demokratischer zu gestalten.
- Als reales
Modell besitzt die 'Schweiz als leistungsfähiger
Staat' (Linder 1999) ein seit Jahrzehnten
bewährtes Politiksystem aus Konkordanz und direkter
Demokratie. In Anlehnung daran werden praktische Lösungsvorschläge
für von Demokratiekrisen bedrohte Länder entwickelt.
Das vorrangige Interesse gilt dabei den Volksrechten,
die Bürgern zusätzliche Formen gleicher, unverfälschter
und wirksamer Teilnahme anbieten. Aufschlussreich sind
die Informationen dazu, wie die Bürger mit ihren
Rechten erweiterter Teilnahme real umgehen, als auch wo
Grenzen einer Demokratie der Partizipation liegen.
Besonders Aspekte der Konkordanz und der direkten
Demokratie wurden in dieser Arbeit für die Entwicklung
von offener Politik für eine Beteiligungsdemokratie
eingearbeitet. Dazu einige Fakten: Die Schweizer
bezahlen weniger Steuern als die meisten Europäer, vor
allem wenig im Vergleich zu den Leistungen, die sie vom
Staat in Anspruch nehmen. "Das Bildungswesen
weist in einigen Bereichen wie der Berufsbildung hohes
Niveau aus; in einzelnen Forschungsbereichen genießt
die ETH Weltruf." (Linder, 1999, 19).
- Als
Globalisierungskritiker ist, spätestens seit dem
G8-Gipfel in Genua vergangenen Jahres (2001) im
Juli, das aus Frankreich stammende 'Netzwerk
ATTAC' bekannt geworden. Unter Nutzung der Möglichkeiten
der Medien (z. B. für Eskalation und Dramatisierung)
schafft ATTAC jeweils zu einzelnen Fehlentwicklungen der
Globalisierung globale Öffentlichkeiten und
sensibilisiert dadurch vermehrt das Denken vieler
Menschen für diese bisher scheinbar unlösbar geltende
Problematik. "ATTAC deckt die Machenschaften der
Weltorganisationen und Weltkonzerne auf und tritt für
eine sozial gerechte Form der Globalisierung ein."
(Ehlers, raum & zeit 118/2002, pg. 5-17). Die
Erfolge von ATTAC bieten Erfahrungen an, auf denen
offene Politik durch Amateur Democrats für mehr Bürgerbeteiligung,
auch gegen den Widerstand etablierter Strukturen, zu
realisieren ist. Die von ATTAC angestrebte Tobin-Steuer
würde Erstarrung in der Wirtschaft fördern, darum ist
dessen globale Einführung abzulehnen.
zum
Anfang
7.
Handlungsbedarf in Politik & Wirtschaft
In der
Wirtschaft wie in der Politik verleiten, Ausführung und
Kontrolle in einer Hand, wegen der menschlichen Schwächen,
zu Klüngelei und Korruption.
Meine
Arbeit unter www.e-demokratie.at bietet an: Die
Anwendung der Techniken des Internets zum Aufbau einer außerparlamentarischen
kybernetischen Kontrolle:
- Zur
rechtzeitigen Entdeckung von Korruption) (z. B. www.korruption.at
& www.warroom.at),
- Zur medialen
Aufmerksamkeitsentwicklung auf meinem Portal www.digitaltv.at,
wenn die Medien sich sträuben, die Korruption zu bekämpfen,
- Zur
Dokumentation des Lernprozesses politischer Macht am Übergang,
unter den Vorzeichen von Mediokratie und Politainment (siehe
auch: Meyer, 2001 & Dörner, 2001), unter www.politikberater.at.
Zur Lösung
der erkannten Ineffizienz wird für die Politikpraxis
folgender kybernetische Zyklus vorgeschlagen:

Figure
06: Veränderte Politikprozesse
Gewaltenteilung
& Demokratieeffektivität: In der offenen
Informations- und Wissensgesellschaft ist die seit
Jahrhunderten bewährte Gewaltenteilung in der Demokratie
zu aktualisieren. Wie die aktuellen Probleme (z. B.
Bilanzbetrügereien, Börsenkrisen und daraus folgend:
Politikverdrossenheit) zeigen, ist eine veränderte
Kontrolle der Gewaltenteilung zu realisieren.
Ähnlich wie
durch Technologieeinsatz die Ergebnisse der Unternehmen
verbessert wurden (z. B. durch Business Reengineering),
sind durch Technologieeinsatz (z. B. Politics
Reengineering) die Politik-Ergebnisse permanent zu
verbessern.
Hier die
erforderlichen Schritte für eine Erneuerung der
Gewaltenteilung und daraus resultierend: für höhere
Demokratieeffektivität:
- Die aktuelle
Form der Gewaltenteilung im Staate ist ständig auf ihre
Funktion zu überprüfen
-
Das
Parlament - Gesetze machen = Legislative,
-
Die
Gerichte - Gesetze auslegen = Judikatur,
-
Die
Verwaltung - Gesetze Überwachen und Anwenden =
Exekutive.

Figure 07:
Gewaltenteilung
-
Probleme in
der Privat-Wirtschaft, wie beispielsweise von einem
Anbieter durchgeführte Buchhaltung und gleichzeitig
auch Consulting von der gleichen Firma, förderten
Manipulation und Korruptionsfälle (siehe z. B. Enron,
WorldCom, Global Crossing, Tyco, Quest, Inclone
Systems, Xerox, Vivendi Universal, als auch deren
Berater: z. B. Arthur Andersen).
-
Verifikation
der Gewaltenteilung (Schwachstellen entstehen in der
Politik durch "große Koalitionen", worin
Kontrolle und Kontrollierte aus der gleichen
Partei/Koalition kommen. Hier ist auf Unabhängigkeit
zu achten (z. B. durch beste Qualifikationsauswahl,
auch per Assessmentcenter für Politiker).
-
Mittels
Technologieeinsatz (z. B. Politics Reengineering) ist
die Demokratieeffizienz zu steigern.
zum
Anfang
8.
Innovationsvorschläge zur Implementierung direkter
Demokratie
Hier werden
die in dieser Arbeit aufgezeigten Innovationen für offene
Politik zusammengefasst. Zusätzlich werden mehrere weiterführende
Forschungs- und Entwicklungsaufgaben skizziert:
- Politik
Marketing und direkt damit verbunden
kampagnenorientierte Politik, sind mit einer
grundlegenden Umgestaltung der Prioritäten in der
Politikgestaltung verbunden (z. B. zu Personalisierung,
Politainment, Eventmarketing und Personalityshows).
- Die heute
noch bestimmende Funktion des Fernsehens in der
medialen Erlebnisgesellschaft steht vor radikaler Veränderung:
als zusätzliche Konkurrenz wachsen die Potenziale für Internet-TV.
Danach bestimmt die Qualität der
TV-Produktionskapazitäten in den Parteien über künftige
Politikerfolge. Auch ist heute schon mit der Entwicklung
geeigneter Video-Such- und Organisationsportale für
individuelle Zusehererwartungen zu beginnen.
- Internetportale
als spezielle Themenportale (z. B. www.korruption.at)
sind für die Gewinnung des Bürgerwissens
vorzubereiten. In gleicher Weise ist per offener
Informationsportale der Trend zu mehr informierte Bürger
zu unterstützen. Für diese Ziele eröffnen
Content-Management-Systeme (CMS) erweiterte Möglichkeiten
für einfacheres Publizieren und für aktuellere Seiten.
Als Innovation werden für diese Internetportale jeweils
aussagekräftige Namen als Adressen genutzt.
- Mit der
aktuell (2002) zu beobachtenden sehr großen
Verbreitung von Handys rückt Mobile Computing
ins Zentrum des Interesses künftiger Wahlkampagnen.
Neben Regionalisierung und weiterer Individualisierung,
Web Campaigning sehen die Filzmaier und Plasser (2001,
209fff) eine Entwicklung in Richtung dialogische
Wahlkampfführung. Mit der in den nächsten Jahren zu
erwartenden UMTS-Einführung sind Entwicklungssprünge
erforderlich.
- Im
Zusammenhang mit permanenter und dialogischer Wahlkampfführung
und weiterer Individualisierung in der Politik wird hier
ein Konzept für Call-Center vorgeschlagen. Als
besonderer Aspekt ist dabei die Gewinnung vieler und
genauer Bürgerprofile anzuführen.
- Die veränderten
Bedingungen erfordern eine neue wissenschaftliche
Disziplin: Themen aus 'Informationswissenschaften,
Soziologie, Philosophie und Politikwissenschaft'
sind darin zu bearbeiten. Hierfür wir die Bezeichnung E-Demokratie
vorgeschlagen.
Innovationen
auf der Basis Mobile Computing für direkte Politik-Bürger
Kontakte (Ideengeber: Max Watzenboeck): Als
Entwicklungsthema zum Bereich 'Pervasive Computing'
wird hier für das Handy eine zusätzliche Funktion
vorgeschlagen: ein 'Icon zum Vertrauenspolitiker'. Dazu
wird für einzelne Handys eine Erweiterung entwickelt,
deren Aktivierung eine direkte Verbindung zum Call-Center
des Vertrauenspolitikers schafft. Als 'pervasive
computing' & 'embedded systems' werden
Softwaresysteme bezeichnet, die Teil von Kommunikationsgeräten,
Autos und medizinischer Technik, aber auch von Maschinen,
Industrieanlagen und anderen intelligenten Objekten sind.
Die erforderliche Informationstechnologie ist in die
Objekte integriert, sie wird nicht mehr explizit
wahrgenommen, sie ist jeweils untrennbarer Bestandteil
dieser Geräte.
Mittels Call-Center
sind virtuelle Parteizentralen und -Gemeinschaften zu
aufzubauen und zu betreiben. Vorerst zur Bearbeitung von Bürgeranliegen,
in weiterer Folge sind darin Innovationen (z. B. 'Icon
zum Vertrauenspolitiker') zu realisieren (als
Forschungs- und Entwicklungsaufgaben):
- Verbesserungsvorschlag
I: 'Icon an den Vertrauenspolitiker' auf
dem Handy, als direkte Verbindung vom Bürger zur
Politik (& von der Politik zum Bürger, auch für
Politik Marketing).
- Verbesserungsvorschlag
II: Errichtung eines Call-Centers zur
Bearbeitung der einlangenden Anliegen und deren
Aufbereitung für Lösungen (und für
Wissensmanagement).
- Verbesserungsvorschlag
III: Statistische Auswertung der Datenbank
der Anfragen im Call-Center für Neuorientierung des
Parteiprogramms (auch für den Aufbau von War-rooms).
- Verbesserungsvorschlag
IV: Toolset für den Betrieb
virtueller Gemeinschaften zu politischen
Anliegen (z. B. für Informationsportale - darin auch
Diskussionsforen zu Bürgerinteressen - auch für
Abstimmen per Handy).
Entsprechend
den Zielsetzungen sind beim Call-Center Datenbanken mit
statistischen Auswertemöglichkeiten (z. B. nach
Benutzerprofilen, individueller Interessenslage und
Situierung) einzurichten. Sämtliche Kontakte der Bürger,
der jeweiligen Anrufthemen und weiterer spezieller Anliegen
der Nutzer sind in der Datenbank abzulegen und für weitere
Anrufe aufzubereiten. Speziell für die individuelle Bürgeransprache
liefert diese Informationssammlung Bürgerprofile für die individualisierte Werbekampagnen (z. B. für Politik
Marketing).
Franz Aigner
,
E-Mail: aigner@publicist.com
Offene Politik
zum
Anfang
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