EU: Polit-Show oder Vereinigte Staaten?
Die Zukunft der Union stand im Mittelpunkt einer Diskussion bei
den Payerbacher Hofgesprächen.
PAYERBACH (ade). Die EU sei für eine Erweiterung nicht
ausreichend gerüstet. Das diagnostizierte Georg Brunner bei den
Payerbacher Hofgesprächen am Wochenende. Der Kölner Jurist gab
zu bedenken: "Ob die Union bis 2004 den ganzen Agrarmarkt und
die Fondsgeschichten (Haushaltspolitik, Anm.) in Ordnung bringt,
scheint zweifelhaft."
"Die EU, die wir heute haben, ist vorwiegend eine
wirtschaftliche Gemeinschaft. Das soll auch in Zukunft so sein",
erklärte Brunner. Er sei daher "strikt gegen künftige Vereinigte
Staaten von Europa" nach dem Vorbild der USA.
Der slowakische Historiker Dusan Kovác sprach sich für die
Entwicklung der Europäischen Union in ein Staaten-Bündnis aus:
"Wir müssen die zu stark ausgebildeten zentralistischen
Tendenzen in Brüssel überwinden."
"Weil wir Europäer unsere lange Geschichte mit uns tragen, ist
eine europäische Einigung auch viel komplizierter als in
Amerika", erklärte Kovác. Er plädierte deshalb dafür, die
Geschichtsbücher umzuschreiben. Es gehe um eine gemeinsame
europäische Geschichte, in der auch nationale Interpretationen
nebeneinander stehen sollten. Kovác meinte: "Vielleicht gibt es
einmal einen Präsidenten der Vereinigten Staaten von Europa,
doch der wird nie so viele Rechte haben wie der amerikanische."
Bevor jedoch ein vereintes Europa "Weltpolitik" betreiben
könnte, müßte das Verhältnis nach außen überdacht werden. Laut
Ferenc Glatz, dem Direktor der Ungarischen Akademie der
Wissenschaften, betreffe dies das Verhältnis zu den USA ebenso
wie zur islamischen Welt und zu Asien, besonders auch zu
Rußland.
"Europa inszeniert sich derzeit als Polit-Show, von einem
Minister- und Staatschef-Treffen zum nächsten", kritisierte Urs
Altermatt, Geschichtsprofessor aus der Schweiz. "Die Bürger
mißtrauen dem." Die EU müsse daher bürgernäher werden. Denn:
"Wenn sich der einzelne in der EU nicht wohl fühlt", so Glatz,
"hat das Ganze keinen Sinn."
16.09.2002 Quelle: Print-Presse
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